Artikel Kopfzeile:
Wieso immer so müde?
Innere Uhr:
Warum wir zur falschen Zeit aufstehen
Warum wir zur falschen Zeit aufstehen
Jeder Mensch hat eine innere Uhr, die unterschiedlich tickt. In unserer Gesellschaft nehmen wir darauf keine Rücksicht – und das hat gesundheitliche Folgen.
Sprungmarken des Artikels:
Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Die innere Uhr tickt bei jedem anders
Ist die erste Gruppe besonders fleißig oder anpassungsfähig und die zweite Gruppe einfach faul? Mitnichten: Ob eine Person zu den Frühaufsteher:innen (auch Chronotyp "Lerche" genannt) oder zu den Spätaufsteher:innen (Chronotyp "Eule") gehört, bestimmt unsere innere Uhr.
Die meisten Menschen sind weder Lerchen noch Eulen
Ob es mehr Spätaufsteher:innen oder mehr Frühaufsteher:innen gibt, wollte ein internationales Forschungsteam herausfinden. Die Wissenschaftler:innen haben dazu rund 280.000 Menschen weltweit befragt und ihre optimalen Schlafzeiten berechnet. Das Ergebnis: Nur etwa 7 Prozent sind echte Frühaufsteher:innen und knapp 20 Prozent echte Spätaufsteher:innen. Die meisten Menschen, etwa 73 Prozent, gehören zum Mischtyp – die sogenannten Tauben.
Aber: Auch unter dem Mischtyp gibt es Personen, die problemlos morgens um sieben Uhr aufstehen können, und welche, die erst um neun Uhr so langsam wach werden. Die Frage "Wann sollte man morgens aufstehen?" lässt sich also pauschal nicht beantworten – bei jedem Menschen tickt die innere Uhr anders.
Gene und Licht sind Taktgeber der inneren Uhr
Unsere innere Uhr wird hauptsächlich, zu etwa 90 Prozent, von unseren Genen bestimmt. "Wir kennen ein Dutzend sogenannter Uhren-Gene oder Clock Genes, die unser Uhrwerk bestimmen", sagt Professor Henrik Oster, Leiter des Instituts für Neurobiologie an der Universität Lübeck. "Zusammen legen diese letztlich fest, wie schnell unsere innere Uhr läuft – also entweder ein bisschen früher oder ein bisschen später getaktet."
Forschende sagen: Höchstwahrscheinlich ticken in jeder einzelnen Zelle unseres Körpers innere Uhren. Auch in den Organen wie der Leber oder dem Magen gibt es eine eigene innere Uhr, in unserem Gehirn befindet sich die Zentraluhr. Die Uhren geben den Takt für verschiedene Prozesse in unserem Körper vor: Verdauung, Immunabwehr oder auch die Hormonaktivität.
Es liegt also hauptsächlich an unseren Genen, wie unsere innere Uhr tickt. Nur zu einem geringen Teil wird sie von äußeren Einflüssen bestimmt – vor allem durch das Sonnenlicht.
Weitere Angaben zum Artikel:
Wie finde ich heraus, welcher Chronotyp ich bin?
Wenn es schneller gehen soll, kann man auch einen Onlinefragebogen ausfüllen und sich seine optimale Schlafzeit berechnen lassen.
Wer es genau wissen will, kann seinen Chronotyp über einen Gentest bestimmen lassen. Dabei schickt man eine Blut- oder Haarprobe ein. Die Tests müssen jedoch aus eigener Tasche bezahlt werden und das kann teuer werden: Die Haaranalyse liegt beispielsweise bei etwa 180 Euro.
Wichtig: Wenn ihr starke Schlafprobleme habt, dann geht ihr am besten in ein Schlaflabor. Dort messen Mediziner:innen verschiedenste Körperfunktionen und können dadurch nicht nur den Chronotyp bestimmen, sondern auch mögliche Erkrankungen wie eine Schlaf-Apnoe diagnostizieren.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Die meisten Menschen leben gegen ihre innere Uhr
Kantermann veranschaulicht das Problem mit dem Gummistiefel-Szenario: Angenommen, in einem Betrieb ist es Voraussetzung, bei der Arbeit Gummistiefel zu tragen. Und die Firmenleitung entscheidet, dass alle Mitarbeitenden die gleiche Größe bekommen. "Das wird nicht passen – für viele passt der Schuh, für manche ist er zu groß, für ganz viele zu klein", so der Chronobiologe. "Und so haben wir das bei den Arbeitszeiten auch: Die Annahme, dass dieselben Zeiten für alle passen, stimmt nicht. Die Rechnung geht nicht auf."
Ein sozialer Jetlag entsteht
Viele Menschen sind dadurch in ihrem Alltag dazu gezwungen, früher ins Bett zu gehen und früher aufzustehen, als es ihnen ihre innere Uhr vorgibt. Mehr als 80 Prozent müssen sich an Schul- und Arbeitstagen einen Wecker stellen. Forschende sagen auch: Sie leben in einem sozialen Jetlag. Und das kann gesundheitliche Folgen haben.
Bei vielen ist es zum Glück so, dass sie im Alltag nicht allzu stark von ihrer inneren Uhr abweichen: Laut einer Studie haben 12 Prozent keinen sozialen Jetlag und 40 Prozent weichen nur bis zu einer Stunde ab.
Ab wann genau Menschen gesundheitliche Folgen spüren, können Forschende noch nicht sagen. Personen mit geringem sozialen Jetlag kommen aber meist recht gut durch den Tag und sie müssen wahrscheinlich bis auf etwas Müdigkeit nicht mit langfristigen gesundheitlichen Folgen rechnen. Diese Personen müssen auch nichts weiter tun, um mehr in ihrem Rhythmus zu leben.
Teenager leben massiv gegen ihre innere Uhr
Aber, und jetzt kommt ein großes Aber: Es gibt vor allem zwei Gruppen von Menschen, die massiv gegen ihre innere Uhr leben, deren sozialer Jetlag täglich mehrere Stunden beträgt – und die auch mit messbaren Folgen zu kämpfen haben.
Die erste Gruppe sind Schüler:innen, und zwar vor allem Teenager. Das Problem ist, dass ihr Chronotyp durch die Pubertät nach hinten verschoben ist und sie zu waschechten Eulen werden – also Spätaufsteher:innen. Ein Schulbeginn um acht Uhr bedeutet, dass sie mitten in ihrer biologischen Nacht auf der Schulbank sitzen.
Schichtarbeit ist wie ein Dauer-Jetlag
Die zweite und gleichzeitig meistgefährdete Gruppe sind Menschen, die Schichtarbeit machen – insbesondere Personen, die in Nachtschichten arbeiten.
Schichtarbeiter:innen schlafen dann, wenn ihre biologische Uhr Tag anzeigt und arbeiten, wenn die Uhr eigentlich sagt, dass es gerade Nacht ist. Sie essen um Mitternacht zu Mittag und verschlafen die eigentliche Mittagszeit.
"Es gibt nicht den geborenen Schichtarbeiter. Es gibt Menschen, die sind spät von ihrer Biologie her und daher besser dafür geeignet, aber nicht gut geeignet", sagt Experte Kantermann. "Man muss ganz klar sagen: Schichtarbeit macht einfach krank."
Schichtarbeit fühlt sich an wie ein Jetlag nach einem langen Flug – und das permanent über Wochen, Monate oder Jahre. Und das kann für diese Menschen langfristig extreme gesundheitlichen Folgen haben:
- Die Immunfunktionen können gestört sein, Schichtarbeiter:innen sind anfälliger für Infekte.
- Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen treten häufiger auf.
- Das Risiko für Depressionen und Schizophrenie steigt.
- Die Fruchtbarkeit sinkt.
- Schichtarbeiter:innen nehmen schneller zu und leiden vermehrt an Übergewicht.
- Das Risiko für Alzheimer steigt.
- Und selbst das Risiko für manche Krebserkrankungen ist erhöht.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Die innere Uhr wird nicht ernst genommen
Hierzulande haben es späte Chronotypen oftmals schwerer als frühe. Weil sich etabliert hat: Wer früh aufsteht, der hat was vom Tag, ist fleißig und hat sein Leben im Griff. “Besser wäre eigentlich, wenn man diese Geschichte mit dem frühen Vogel und dem Wurm nicht so ernst nimmt", sagt Chronobiologe Oster.
Stattdessen würde es unserer Gesellschaft guttun, wenn wir auf die innere Uhr jedes Einzelnen Rücksicht nehmen und beispielsweise die Startzeiten in Unternehmen flexibel gestalten.
Wann leben wir endlich nach unserer inneren Uhr? Um diese Frage geht es in unserer YouTube-Weekly-Folge zum Thema Chronobiologie:
iframe embed
Artikel Abschnitt:
Und auch manche Schulen starten bereits später. Und das lohnt sich! Es gibt zum Beispiel Daten von Schulen, die eine Stunde später beginnen. Und da zeigt sich: Die Schüler:innen sind leistungsfähiger, haben bessere Noten und sind besser gelaunt. Es gibt weniger Unfälle auf dem Schulweg. Sie trinken weniger Kaffee und Energy Drinks.
Natürlich lässt sich solche Flexibilität nicht immer und in allen Jobs umsetzen, wie etwa im Rettungsdienst oder in der Pflege. Was kann man also selbst tun, wenn sich die äußeren Umstände nicht ändern lassen? Kann man seine innere Uhr umtrainieren?
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Kannst du deine innere Uhr umstellen?
Die einen werden sich immer einen Wecker stellen müssen, während sich die anderen dazu zwingen, länger wach zu bleiben. Das hat einfach damit zu tun, dass der Chronotyp hauptsächlich genetisch festgelegt wird. Im Kern bleibt ihr also Eule, Taube oder Lerche.
Trotzdem kann man seine innere Uhr zumindest ein bisschen umstellen, indem man einige Punkte beachtet.
Unsere größte Stellschraube ist das Licht
Das Problem: Wenn wir den ganzen Tag drinnen vor Laptop und Smartphone sitzen, bekommen wir permanent wenig Licht ab. Dadurch werden wir weder richtig wach noch richtig müde.
Die Lösung: Wir brauchen mehr Kontrast aus Licht und Dunkelheit. Tagsüber sollten wir versuchen, möglichst viel Tageslicht abzubekommen. Also viel rausgehen, am besten schon morgens. Selbst ein bedeckter Himmel ist mehr als 30-mal heller als Kunstlicht.
Abends sollten wir darauf achten, möglichst wenig Licht abzubekommen. Fehlt das Licht, kurbelt der Körper die Melatonin-Produktion an. Wir werden müde und schlafen schneller ein.
Spät abends nichts mehr essen
Der zweite Punkt sind die Esszeiten. "Essen gehört genauso wenig in die Nacht wie das Licht", sagt Kantermann. “Wir geben die Empfehlung, zwei bis drei Stunden vor dem Schlafanfang keine schweren Mahlzeiten mehr zu essen.”
Was können jedoch Menschen tun, die in Schichten arbeiten und den Kontrast aus Licht und Dunkelheit sowie die Esszeiten nur wenig beeinflussen können? Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Schichtarbeit erträglicher machen lässt.
Aber: Konkrete Empfehlungen zu geben ist schwierig, denn die Zusammenhänge sind noch nicht gut erforscht. Trotzdem gibt es einige Tipps (bei einigen davon sind es vor allem die Arbeitgeber;innen, die für bessere Bedingungen sorgen können):
- Wenn irgendwie möglich: Zahl der Nachtschichten reduzieren
- Schichtsystem nach ergonomischen Kriterien planen – etwa genügend Ruhezeit zwischen zwei Schichten, nicht mehr als drei Nachtschichten hintereinander und regelmäßig freie Wochenenden
- schlechte Arbeitsbedingungen wie zum Beispiel Lärm oder Hitze reduzieren
- sich regelmäßig medizinisch beraten lassen
- soziale Kontakte so gut wie möglich pflegen
Über den/die AutorIn:
Über den/die AutorIn:
Quellenangaben zum Artikel:
Social Sharing:
Danke das ihr dieses kleine aber nicht unwichtige Thema hier aufbringt. Aber wäre es nicht korrekt statt „Winterzeit“ „Normalzeit“ oder ähnliches zu sagen/schreiben?
Kann man machen; allerdings ist das einfach der gängigste Begriff, der hat sich im Sprachgebrauch durchgesetzt. So bleibt es für alle verständlich. Mehr Leute kennen den Begriff „Winterzeit“ als „Normalzeit“.
Hallo, ich wache meist um halbvier auf und schlafe um 21.30 Uhr spätestens. Mich ärgert es, dass unsere Gesellschaft so auf später aufstehen und lange aufbleiben programmiert ist. Geschäfte öffnen immer später, Abendveranstaltung beginnen meist erst um 20 Uhr…zu spät für mich, denn : egal wann ich abends einschlafe, spätestens… Weiterlesen »
Völlig vernachlässigt wird die Frage der Zeitzonen: Der Westen Deutschlands liegt eine halbe Stunde ‚hinter‘ dem Osten Deutschlands (Frankfurt/Oder liegt ungefähr auf dem Standardmeridian für unsere Zeitzone). Würde Köln zur westeuropäischen Zeitzone gehören, wäre ich eine Stunde später dran und als ‚kleine Eule‘ auch morgens schon putzemunter. Die Zeitzonen müssen… Weiterlesen »
Hey Quarks,
warum schaltet ihr meinen seriösen, Netiquette-kompatiblen, sowie wissenschaftlich fundierten und bereichernden (weil zensur-aufdeckend) Kommentar nicht frei..??
Sorry, dein Kommentar ist jetzt freigegeben und dein Themenvorschlag ist ebenfalls notiert 😉
LG
Die einen werden sich immer einen Wecker stellen müssen, während sich die anderen dazu zwingen, länger wach zu bleiben. nicht wenn wir uns endlich die demokratie zu nutze machen und versuchen das system zu verbessern. ansonsten guter artikel. endlich mal ein artikel der wirklich das sagt was richtig ist! ich… Weiterlesen »