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Arzneimittelgesetz
So fragwürdig ist die Zulassung von homöopathischen Mitteln
Für homöopathische Arzneimittel gelten beim Nachweis der Wirksamkeit besondere gesetzliche Regelungen. Warum das für euch ein Problem sein kann.
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Für die Homöopathie gibt es andere Regeln bei der Zulassung
Extrawurst für die Homöopathie
Viele von ihnen müssen nicht zugelassen, sondern lediglich registriert werden. Das ist dann der Fall, wenn drei Punkte zutreffen: Zunächst einmal dürfen die Arzneimittel kein Anwendungsgebiet haben. Das heißt zum Beispiel, dass auf den Verpackungen nicht steht, dass das Mittel gegen Heuschnupfen oder gegen Kreislaufprobleme helfen soll. Außerdem werden sie über den Mund aufgenommen oder äußerlich angewendet und sind mindestens um den Faktor 1:10.000 verdünnt (Potenz D4 / C2, vgl. §38 AMG und §39 AMG). Der Hersteller muss dann zwar Qualität und Unbedenklichkeit nachweisen, aber nicht die Wirksamkeit. Insgesamt machten dem IQVIA-Marktbericht zu Arzneimitteln zufolge Produkte ohne ein spezifisches Anwendungsgebiet 2018 fast die Hälfte (44,6 Prozent) des gesamten Absatzes aus.
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Wie viele Mittel sind registriert?
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Auch bei den Zulassungen Sonderregelungen
Es gibt aber auch homöopathische Arzneimittel, die zugelassen werden müssen. Das ist immer dann der Fall, wenn auf der Packung ein Anwendungsgebiet aufgedruckt ist, das Mittel also etwa gegen Erkältung oder Heuschnupfen helfen soll, egal wie hoch die Verdünnung ist
Und jetzt wird es interessant. Denn für die Zulassung der Homöopathika gelten andere Regeln als für die meisten Arzneimittel: Nur bei schweren oder lebensbedrohlichen Erkrankungen zur Besserung von Symptomen muss wie bei allen anderen Arzneimitteln eine klinische Wirksamkeitsprüfung zur Zulassung mit eingereicht werden. Bislang wurde noch kein homöopathisches Arzneimittel auf Basis einer solchen Studie zugelassen, so das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Auf Nachfrage stellt sich allerdings heraus, dass auch noch kein Hersteller Ergebnisse von randomisierten klinischen Studien zur Zulassung vorgelegt hat.
Wenn es nicht um besonders schwere Erkrankungen mit einer hohen Sterblichkeitsrate und häufigen Komplikationen geht, reichen für die Zulassung auch andere Belege für die Wirksamkeit. Die Anforderungen an dieses „wissenschaftliche Erkenntnismaterial“ beschreiben Kritiker als zu gering. Für leichte Erkrankungen kann es schon reichen, wenn die Hersteller als Beleg für die Wirksamkeit den „Long-time-Use“, also die langjährige Nutzung (bedeutet: mindestens seit 1978) angibt und Expertenurteile heranzieht.
Evidenz sieht anders aus
Aus wissenschaftlicher Perspektive bedenklich ist unter anderem der „Long-time-Use“ als Beleg für die Wirksamkeit eines Medikaments. Das zeige auch die Medizingeschichte, sagt der Medizinethiker und –historiker Urban Wiesing von der Universität Tübingen. Ein Beispiel: der Aderlass, der über Jahrhunderte praktiziert wurde und durchweg nutzlos und zumeist schädlich sei, zum Beispiel bei Schwangeren.
Doch das ist nicht der einzige Kritikpunkt. Wie auch bei pflanzlichen und sogenannten anthroposophischen Arzneimitteln sollen extra eingerichtete Kommissionen den „medizinischen Sachverstand der jeweiligen Therapierichtung“ mit in die Arbeit des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte einbringen. Wenn die Hersteller von homöopathischen Arzneimitteln also Erkenntnismaterial einreichen, geht das an die Kommission, die das Bundesinstitut bei der Entscheidung berät, ob es eine Zulassung verweigern soll. Diese Kommission besteht größtenteils aus Ärzten mit Zusatzbezeichnung Homöopathie und Heilpraktikern, was von einigen Wissenschaftlern als kritisch bewertet wird.
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Darum sollten wir drüber sprechen:
Wissenschaftlich gibt es für diese Sonderregelung keine gute Begründung
„Natürlich hat jeder von uns die Freiheit, Globuli zu nehmen, wenn er oder sie das will. Aber es sei eben wichtig, dass man weiß, was man einnimmt“, sagt Urban Wiesing: „Ein Problem sehe ich da, wo Homöopathie unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit angeboten wird“.
Der Umweg übers Internet
Trotz nicht ausreichender Evidenz nach wissenschaftlichem Verständnis versprechen einige Homöopathie-Websites oder Bücher allgemein, dass Hochpotenz-Globuli sogar lebensbedrohliche Erkrankungen wie Krebs heilen können. Die Globuli kann man sich dann in Online-Shops kaufen. Eine Wirksamkeit müssen die Hersteller für diese Globuli nicht nachweisen. Denn wenn auf der Packung kein Anwendungsgebiet steht, muss das Mittel nur registriert werden. Ganz egal, ob im Internet die Anwendungsgebiete sehr klar beschrieben werden.
Homöopathische Arzneimittel enthalten in den höheren Potenzen keinen Wirkstoff, können also nicht direkt schädlich sein. Und: Qualität und Unbedenklichkeit müssen auch bei den registrierten Produkten nachgewiesen werden. Doch sie können indirekt schaden. Zum Beispiel dann, wenn Menschen statt auf nachweislich wirksame Therapien auf homöopathische Arzneimittel zurückgreifen.
Homöopathie kann indirekt schaden
Solche Fälle begegnen auch der Onkologin und Komplementärmedizinerin Jutta Hübner vom Universitätsklinikum Jena in ihrem Berufsalltag. Bei einer jungen Mutter mit Gebärmutterhalskrebs zum Beispiel habe eine längere Therapie mit Homöopathie anstelle der empfohlenen Operation dazu geführt, dass die Krankheit weit fortgeschritten und nicht mehr zu heilen gewesen sei.
Der Gesundheitsforscher Gerd Glaeske argumentiert, das Arzneimittelgesetz fördere falsche Vorstellungen noch. Denn die Hersteller homöopathischer Arzneimittel können zu Recht sagen: „Wir haben doch alle regulatorischen Vorgaben erfüllt – inklusive des im Gesetz geforderten Wirksamkeitsnachweises“. Dem Gesetz nach sei Wirksamkeitsnachweis aber nicht gleich Wirksamkeitsnachweis, sagt Glaeske. Und mit dem Label „Arznei“ und der grundsätzlichen Apothekenpflicht (§43 AMG) kann der Eindruck entstehen, dass für homöopathische Mittel dieselben Vorgaben gelten wie für andere Arzneimittel.
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Transparenz, Information, neue Regelungen
Eine weitere Forderung richtet sich an die Branche der Hersteller. Versorgungsforscher Norbert Schmacke von der Universität Bremen sagt: „Wenn die Hersteller mit wissenschaftlichen Nachweisen argumentieren, dann sollten sie einfach wissenschaftliche Nachweise zur Wirksamkeit in Form von randomisierten kontrollierten Studien erbringen – wie dies für Medikamente sonst ja gesetzlich gefordert wird.“
Für konkrete Anwendungsgebiete seien Studien mit Vergleichsgruppen begrüßenswert, sagt der Bundesverband der Arzneimittelhersteller dazu. Im Hinblick auf „individuelle Arzneimittel“, womit zum Beispiel Globuli gemeint sind, könnten jedoch „keine großen identischen Vergleichsgruppen“ gebildet werden. Aufgrund des individuellen Therapieprinzips sei bei Einzelmitteln „die Erhebung einer externen Evidenz wie in der Schulmedizin oft nicht möglich“, heißt es in einer Stellungnahme.
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie verweist hingegen allgemein auf den generellen Nutzen der Homöopathie sowie klinische Studien „bei verschiedenen Indikationen“ und begrüßt „generell“ weitere Forschung.
Mehr Forschung zur Wirkung und Wirkungsweise von homöopathischen Arzneimitteln begrüßen Kritiker ebenfalls. Damit Wirksamkeitskeitsnachweise jedoch auch für die Zulassung verpflichtend sind, wären Politiker gefragt, eine neue Gesetzgebung anzustoßen. Gerd Glaeske zufolge wären gleiche Regelungen für alle Arzneimittel allerdings nur der erste Schritt. Er ist der Ansicht, dass es in Bezug auf die Zulassung generell nicht nur bei der Wirksamkeitsprüfung bleiben sollte. „Auch der therapeutische Nutzen in der Praxis sollte bei allen Arzneimitteln nach einigen Jahren überprüft werden“, sagt er.
Autorin: Ildiko Holderer
Die Ablehnung homöopathischer Arzneimittel reduziert Heilung auf rein stoffliche u. manuelle Verfahren. Heilung könnte viel mehr sein, wenn man die energetische Ebene anerkennen würde.
Es müsste uns doch zu denken geben, dass Homöopathie auch bei Tieren sehr wirksam eingesetzt wird…
dafür könnte ich unzählige Beispiele aus unserer Praxis beschreiben.
Einmal Placebo-by-Proxy googeln, dann reden wir weiter. 😉
Wir erkennen die energetische Ebene an, sobald sie nachgewiesen wurde.
Die ganze Homöopathie sollte endlich auf dem Müllhaufen der Geschichte landen.
200 Jahre Placebogetue bei unverschämten Preisen, Chapeau!
Nicht alle Kritiker begrüssen weitere Forschung zur Hom. – ich zum Beispiel. 200 Jahre ergebnislose Forschung reichen, um einem Prinzip, das schon ganz grundsätzlich unmöglich eine spezifische Wirksamkeit haben kann, endgültig den Stecker zu ziehen, damit keine weiteren Gelder dafür verschwendet werden. Das könnte nämlich an anderer Stelle sicher einen… Weiterlesen »