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Quarks Daily Spezial
Sucht in der Familie – Was macht das mit den Angehörigen?
Ob Medikamente, Alkohol oder Glücksspiel: Bei einer Sucht leiden nicht nur die Erkrankten, sondern auch die Angehörigen. Was macht eine Abhängigkeitserkrankung mit der Familie? Kann man überhaupt helfen und wie verhält man sich richtig?
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Dr. Gallus Bischof, Psychologe an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität zu Lübeck und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft
für Suchtpsychologie, ist einer der wenigen Wissenschaftler in Deutschland, die überhaupt zu Angehörigen von Suchterkrankten forscht. Er schätzt, dass es an die zehn Millionen Menschen in Deutschland sein könnten, die als Familienangehörige betroffen sind.
Was die Sucht mit den Angehörigen macht
Eine Abhängigkeitserkrankung ist immer ein soziales System, eine Familien-Erkrankung. Wenn ein Teil des Systems von einem Stoff oder einem Verhalten abhängig wird, dann versucht der andere Teil – also der oder die Angehörige - meistens zunächst, dies mit seinem eigenen Verhalten auszugleichen. Verhält sich der oder die Suchtkranke beispielsweise uneinsichtig, selbstsüchtig, verantwortungslos und beschuldigt andere, dann verhalten sich die Angehörigen oft komplementär dazu: problembewusst, selbstlos und übermäßig verantwortungs- und schuldbewusst.
Auch nach außen gleichen die Angehörigen aus: Finanziell und sozial. Die Angehörigen erledigen oftmals all das, was der Kranke nicht mehr schafft. Dazu kommen die sozialen Auswirkungen: Verlust von Kontakten, Ausgrenzung, Statusverlust, Einschränkung der finanziellen Möglichkeiten und Aktivitäten. Viele Angehörige schämen sich zudem auch für die Suchterkrankung und versuchen, das Problem nach außen so gut es geht zu vertuschen, die Fassade aufrecht zu halten.
Helfen über die eigenen Grenzen hinaus
Die Angehörigen kreisen oft so sehr um den Suchterkrankten, dass sie sich in dieser selbstauferlegten Aufgabe, ihn zu retten, manchmal komplett erschöpfen. Sie sehen oft keine Alternative und glauben, sie müssten grenzenlos helfen. Glaubenssätze wie "Wenn ich ihn nur ausreichend liebe, wird er mir zuliebe die Sucht sein lassen" oder "Wenn wir die Gründe kennen, können wir ihre Sucht kontrollieren" oder "Wenn er aufhört, wird alles gut." – sind typisch.
Aber die Selbstaufopferung macht die Angehörigen oft selber krank: Die Vielschichtigkeit der Belastung kostet enorme Kraft und führt zu tiefer Erschöpfung, manchmal auch zu körperlichen Symptomen wie Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, etc. Viele Angehörige erzählen im Nachhinein, dass sie äußerlich zwar funktioniert haben, sich aber innerlich wie eine "leere Hülle" gefühlt haben.
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Der Begriff "Co-Abhängigkeit" ist umstritten
Der Begriff der "Co-Abhängigkeit", der früher oft benutzt wurde, um das Verhalten der Angehörigen zu umschreiben, ist heute umstritten, denn die "Co-Abhängigkeit" ist kein wissenschaftlich belegtes Konzept. Sie ist weder exakt umschrieben, noch irgendwie messbar.
Kritiker des Konzeptes sagen: Der Begriff "Co-Abhängige" würde die Angehörigen pauschal als Schuldige bzw. Täter diffamieren und als Synonym für "suchtförderndes Verhalten" benutzt. Es werde so der Eindruck vermittelt, dass die Angehörigen ständig falsch handelten, egal was sie tun oder auch nicht tun. Das werde den sorgenden Angehörigen nicht gerecht und blende die vielen Stärken und Fähigkeiten der Angehörigen aus, die gut für andere Menschen sorgen könnten, sich einfühlten und hilfsbereit, rücksichtsvoll und zuverlässig organisierten
Die Angehörigen gehören in der Forschung und bei Hilfsangeboten in den Blick
Auch in der professionellen Literatur wurden Angehörige lange Zeit eher als Störfaktor wahrgenommen, als diejenigen, die den Behandelnden auf die Finger schauen und kritisch sind. Auch in der Forschung gibt es Nachholbedarf: die meisten Studien untersuchen die Angehörigen aus der Perspektive des Suchtkranken, aus der Perspektive der "Familien-Pathologie".
Welche Hilfen gibt es?
Das eigene Leiden der Angehörigen ist lange Zeit nicht gesehen
worden. Das spiegelt sich auch in den Hilfsangeboten: bei einer Abhängigkeitserkrankung richten sich diese fast ausschließlich an den oder die Suchterkrankten selbst. Zwar bietet jede Suchtberatungsstelle auch Unterstützung für Angehörige an. Allerdings sind viele Suchtberater und Suchtberaterinnen nicht unbedingt geschult für die Angehörigen-Arbeit bzw. haben zu wenig Kapazitäten. Als gute Anlaufstelle haben sich Selbsthilfegruppen etabliert. Alle großen Selbsthilfegruppen für Suchterkrankte bieten in der Regel auch Angehörigen-Gruppen an. Diese werden häufig als hilfreich erlebt, da man hier auf Menschen trifft, die ähnliches erleben und verstehen, was die Suchterkrankung für die Angehörigen bedeutet.
Wenn die Belastung sehr stark ist, gibt es außerdem die Möglichkeit, sich
psychotherapeutische Unterstützung zu holen. In der Therapie von Angehörigen geht es darum, die eigene Unabhängigkeit zurückzubekommen, zu lernen, die Manipulationen, Forderungen und Täuschungen, die von dem oder der Süchtigen ausgehen, überhaupt zu erkennen. In einem nächsten Schritt muss man lernen, sich davon angemessen abzugrenzen und eine übermäßige Hilfe einzustellen. Man muss lernen "Nein" zu sagen. Im dritten Schritt geht es darum, das eigene Leben wieder in die Hand zu nehmen, Lebensfreude zurückgewinnen, die eigenen Bedürfnisse, Ziele und Interessen zu erkunden, diese dann auch aktiv zu verfolgen und zu verwirklichen.
Hilfsangebote bei Sucht:
Die Sucht & Drogen Hotline ist unter der Telefonnummer 01806 313031 zu erreichen. Sie bietet telefonische Beratung, Hilfe und Informationen durch erfahrene Fachleute aus der Drogen- und Suchthilfe. An die Sucht & Drogen Hotline können sich sowohl Menschen mit Suchtproblemen als auch deren Angehörige, Freunde oder Kollegen wenden. Das Angebot ist kostenpflichtig: 0,20 € pro Anruf aus dem deutschen Festnetz und aus dem Mobilfunknetz.
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Hallo! Viele Grüße von NACOA Deutschland e.V., der Interessenvertretung für Kinder aus suchtbelasteten Familien. Hilfe finden Kinder suchtkranker und psychisch kranker Eltern über hilfenimnetz.de. Wir von NACOA bieten auch Unterstützung für Erwachsene Kinder suchtkranker Eltern an. Schaut gerne vorbei, wenn ihr betroffen seid oder gebt es weiter an die, die… Weiterlesen »