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Zoonosen
Wenn Krankheitserreger von Tieren auf Menschen springen
Die Welt kämpft gegen die Covid-19-Pandemie. Wahrscheinlich wurde das Virus von einem Tier auf den Menschen übertragen. Diese Krankheiten heißen Zoonosen – und sind alles andere als selten.
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Inhalt
- Was sind Zoonosen?
- Welche Krankheiten zählen zu den Zoonosen?
- Gibt es heute mehr durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten?
- Warum nehmen durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten zu?
- Woher kommt SARS-CoV-2 und wie kann ein Virus vom Tier auf den Menschen überspringen?
- Wie groß ist die Gefahr für zukünftige Pandemien durch Zoonosen?
- Gibt es Hotspots für Zoonosen?
- Welche bekannten Zoonosen gab es in der Vergangenheit?
- Welche Maßnahmen sollen das Risiko für Pandemien durch Zoonosen verringern?
- Was sind Zoonosen?
- Welche Krankheiten zählen zu den Zoonosen?
- Gibt es heute mehr durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten?
- Warum nehmen durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten zu?
- Woher kommt SARS-CoV-2 und wie kann ein Virus vom Tier auf den Menschen überspringen?
- Wie groß ist die Gefahr für zukünftige Pandemien durch Zoonosen?
- Gibt es Hotspots für Zoonosen?
- Welche bekannten Zoonosen gab es in der Vergangenheit?
- Welche Maßnahmen sollen das Risiko für Pandemien durch Zoonosen verringern?
Artikel Abschnitt: Was sind Zoonosen?
Was sind Zoonosen?
Eine Zoonose kann über den direkten Kontakt mit einem infizierten Tier, einem tierischen Produkt wie Milch, Eier oder Fleisch sowie über sogenannte Vektoren übertragen werden. Vektoren verursachen die Krankheit nicht selbst, sondern übertragen sie, ohne selbst zu erkranken. Ein Beispiel dafür ist die Zecke. Sie kann die Viren der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) durch einen Stich auf den Menschen übertragen, ohne selbst zu erkranken. Nicht jeder, der von einer Zecke gestochen wird, erkrankt an FSME – wenn die Zecke keine Viren in sich trägt oder wenn das Immunsystem mit den Viren fertig wird.
Laut einer in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichten Studie haben 60 Prozent der sogenannten neu auftretenden Infektionskrankheiten (Emerging Infectious Diseases, kurz: EIDs) einen zoonotischen Ursprung. Die Mehrheit dieser Zoonosen, nämlich über 70 Prozent, kommen von Wildtieren.
Zu Zoonosen zählen übrigens auch Krankheiten, die von Nutz- und Haustieren wie Schweinen, Kühen oder Geflügel übertragen werden.
Artikel Abschnitt: Welche Krankheiten zählen zu den Zoonosen?
Welche Krankheiten zählen zu den Zoonosen?
Ebenso Milzbrand (Anthrax), Campylobacter-Enteritis (bakterielle Durchfall-Erkrankung), FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis), Borreliose, Aviäre Influenza („Vogelgrippe“), Taeniose (Bandwurm-Befall), Neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Malleus (Rotz), Nipah-Virus und Hendraviren. Aber beispielsweise auch die Infektion mit Giardien, Spulwürmern, Hakenwürmern und Bandwürmern.
Auch bei der aktuellen Covid-Pandemie wird vermutet, dass der Virus ursprünglich von einem Tier kommt.
Artikel Abschnitt: Gibt es heute mehr durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten?
Gibt es heute mehr durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten?
Artikel Abschnitt: Warum nehmen durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten zu?
Warum nehmen durch Zoonosen ausgelöste Krankheiten zu?
Zum einen dringt der Mensch immer weiter in den Lebensraum von wilden Tieren ein. Regenwald wird gerodet, um Rohstoffe zu gewinnen und neue Flächen für die Nutztierhaltung zu schaffen. Wenn Rinder immer weiter dort grasen, wo der Lebensraum von Wildtieren beginnt, kommt es zu verstärktem Kontakt von Tieren untereinander und von Wildtieren und Menschen. Erreger schaffen es so, sich aus ihren historischen Verbreitungsgebieten wegzubewegen.
Zuchtwildtiere (wie Hirsche und Elche) und die nationale und internationale Umsiedlung von Wildtieren stellen zusätzliche Probleme dar.
Der globalisierte Waren-, Tier- und Menschenverkehr vermischt Virenstämme miteinander. Oft ist das Immunsystem von Tieren und Menschen diesen vorher unbekannten Krankheitserregern hilflos ausgeliefert.
Buschfleisch oder andere Produkte für den “Wet Market“ sind heute gängige Waren. Auch die Vorliebe für exotische Haustiere, Produkte von Wildtieren oder Ökotourismus führen zu mehr Nähe und zur Durchmischung mit dem Menschen. Und diese muss nicht nur vom Tier zum Menschen stattfinden. Auch wir können (Wild-)tiere mit menschlichen Krankheitserregern infizieren oder Wildtiere können Haustierkrankheiten bekommen.
Weitere Verbreitungswege von Krankheitserregern sind Massentierhaltung, die Tierfütterung mit Tiermehl oder der Klimawandel und die damit verbundene Erderwärmung. So zeigt sich beispielsweise, dass die Anopheles-Mücke schon jetzt immer weiter in den Norden wandert, wodurch die vor allem in den Tropen und Subtropen verbreitete Krankheit Malaria die Chance hat, sich in neuen Regionen auszubreiten.
Faktoren, die ebenfalls entscheidend dafür sind, wie schnell sich ein Krankheitserreger ausbreiten kann, sind zum Beispiel die Anpassungsfähigkeit und Vermehrungsrate des Erregers, die evolutionäre Entwicklung, die Übertragungswege, die Menge an Wirten, die dem Erreger zur Verfügung stehen, und die Anfälligkeit der Bevölkerung, die oft durch Wohlstand oder Armut bedingt ist.
Artikel Abschnitt: Woher kommt SARS-CoV-2 und wie kann ein Virus vom Tier auf den Menschen überspringen?
Woher kommt SARS-CoV-2 und wie kann ein Virus vom Tier auf den Menschen überspringen?
Sogenannte “Wet Markets“ wie in Wuhan erhöhen die Chance für das Überspringen von Viren über Artengrenzen stark. Auf diesen Märkten sind lebende und tote Wildtiere auf engstem Raum zusammengepfercht, werden verkauft, geschlachtet und gekocht. Dabei kommen Menschen schnell mit Blut und Körperflüssigkeiten der Tiere in Kontakt. Bei einer entsprechenden Mutation, die das Virus befähigt, auf den Menschen überzuspringen, kann es so schnell zu einer Übertragung kommen.
Außerdem ist gerade bei Coronaviren der Mechanismus, der für die Vervielfältigung von Erbinformationen zuständig ist, ziemlich fehleranfällig. So kann es zu einer hohen Rate von neuen Mutationen und einer großen Virenvielfalt kommen. Bisher haben es sieben Coronaviren geschafft, auf den Menschen überzuspringen.
Es gibt jedoch auch einige Kritiker der These, dass das neue Coronavirus durch natürliche Mutation vom Wildtier auf den Menschen übergesprungen ist. Der französische Virologe Luc Montagnier entdeckte im neuen Coronavirus RNA-Sequenzen vom HI-Virus. Er und einige andere Wissenschaftler sind der Ansicht, dass die Einbringung einer HIV-Sequenz in das Genom von SARS-CoV-2 nicht auf natürlichem Wege stattfinden kann. Der Franzose vermutet, dass das Virus aus dem “Wuhan Lab“, dem Virologischen Institut der Universität Wuhan (WIV), stammt.
Diese Annahme ist bisher jedoch nicht bewiesen, eine belastbare Studie von Montagnier fehlt. Forscherteams aus China und Europa haben hingegen mittlerweile einen Hinweis auf den rein natürlichen Ursprung bei Fledermäusen entdeckt.
Artikel Abschnitt: Wie groß ist die Gefahr für zukünftige Pandemien durch Zoonosen?
Wie groß ist die Gefahr für zukünftige Pandemien durch Zoonosen?
Eine Infektion bedeutet jedoch nicht automatisch, dass der Betroffene krank wird und stirbt. Einige Viren haben überhaupt keine Auswirkungen und einige könnten auch zur Evolution des menschlichen Mikrobioms beitragen.
Artikel Abschnitt: Gibt es Hotspots für Zoonosen?
Gibt es Hotspots für Zoonosen?
Generell entsprechen die Gebiete mit großer Biodiversität den Gebieten mit den meisten Wirten von zoonotischen Krankheiten. Dazu zählen die Regenwaldgebiete in Mittel- und Südamerika, Zentralostafrika und Zentral-, Ost- und Südostasien, aber auch Osteuropa und Teile Westeuropas. In Europa vermuten die Forscher, dass es hier wegen der vielen Nagetiere und Insektenfresser sehr viele Wirte von zoonotischen Krankheiten gibt.
Überrascht war Barbara Han, Krankheitsökologin am Cary Institute of Ecosystem Studies in New York. jedoch davon, dass es zwar mehr zoonotische Wirte in den Tropen gibt, jedoch mehr zoonotische Krankheiten in den gemäßigten Regionen. So fand das Studienteam heraus, dass viele von Nagetieren übertragene Krankheiten oft in nördlichen Breiten, vor allem in Europa das erste Mal ausbrachen.
Nagetiere übertragen tatsächlich die meisten Zoonosen. Knapp 11 Prozent aller Nagetiere sind Träger von zoonotischen Erregern und exklusive Wirte für 85 Krankheiten. Die meisten Nagetier-Wirtstierarten gibt es in den gemäßigten Zonen Nordamerikas und Europas sowie in der tropischen Atlantikwaldregion Brasiliens.
Europa und Russland sind Hotspots für Nagetierwirte, Mittel- und Südamerika für Fledermauswirte und das äquatoriale Afrika für Primatenwirte.
Trotz ihres Artenreichtums und ihres schlechten Rufs als zoonotische Wirte tragen Fledermäuse weit weniger exklusive Zoonosen (25) als Nagetiere (85), Fleischfresser (83), Primaten (61) und Hufsäugetiere (59). Säugetierwirte tragen übrigens am häufigsten Bakterien mit sich, gefolgt von Viren.
Artikel Abschnitt: Welche bekannten Zoonosen gab es in der Vergangenheit?
Welche bekannten Zoonosen gab es in der Vergangenheit?
Auch Haustiere wie Katzen übertragen Krankheiten auf den Menschen. Die bekannteste ist Tollwut. Außerdem sind Katzen der Hauptwirt für den Parasit Toxoplasmose, der für die Entwicklung ungeborener Kinder im Bauch der Mutter gefährlich ist.
Eine gefürchtete und wahrscheinlich von Wildtieren übertragene Krankheit ist Ebola. Diese verläuft abhängig vom für den Ausbruch verantwortlichen Virus und der Versorgung in 30 bis 90 Prozent tödlich. Auch bei den von Coronaviren verursachten Krankheiten SARS (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) und MERS (Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus) werden Wildtierwirte vermutet.
Die in den meisten Fällen tödlich verlaufende Tollwut ist heute glücklicherweise in vielen Teilen Europas ausgerottet. Die wichtigsten Wirte des Virus waren Füchse, die systematisch immunisiert wurden. Jedoch zirkulieren weiterhin verwandte Viren in einigen Fledermäusen. Weltweit sterben immer noch etwa 60.000 Menschen pro Jahr an Tollwut, oft nach Hundebissen.
Eine der weltweit schlimmsten Zoonosen ist die Pest. Diese schwere Infektionskrankheit tötete im 14. Jahrhundert über 50 Millionen Menschen. Rattenflöhe übertragen das Bakterium Yersinia pestis, das die hochansteckende Krankheit auslösen kann. In Europa spielt die Pest heute keine Rolle mehr, jedoch in einigen Regionen Afrikas, Asiens, Süd-, Mittel- und Nordamerikas. Die WHO zählte zwischen 2010 und 2015 weltweit noch über 3.000 Fälle, davon über 500 Tote – wobei eine große Dunkelziffer aufgrund nicht gemeldeter Fälle in Afrika vermutet wird.
Artikel Abschnitt: Welche Maßnahmen sollen das Risiko für Pandemien durch Zoonosen verringern?
Welche Maßnahmen sollen das Risiko für Pandemien durch Zoonosen verringern?
Der Schutz von Lebensräumen und der biologischen Vielfalt ist ein Schlüsselfaktor, um die Ausbreitung neuer Infektionskrankheiten zu verhindern. Internationale Gesetze und Abkommen können darauf hinwirken, dass Lieferketten nachhaltiger werden. Außerdem sollte gewährleistet sein, dass bei der Produktion keine Zerstörung von Regenwäldern und ursprünglichen Ökosystemen stattgefunden hat.
Klar ist: Soll das Risiko von zukünftigen Pandemien verringert werden, muss der Mensch den Umgang mit Tieren und Natur grundlegend neu überdenken und gestalten.
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Quellenangaben zum Artikel:
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Ein sehr ausführlicher und lesenswerter Artikel der BBC:
Why camels are worrying coronavirus hunters
https://www.bbc.com/future/article/20210122-the-coronavirus-10-times-more-deadly-than-covid
Bei SARS und MERS werden tierische Reservoirs nicht nur vermutet. Sie sind insbesondere für MERS gut belegt: Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV) in Dromedary Camels in Africa and Middle East https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6723520/ Da MERS Infektionen bei Menschen glücklicherweise nur selten auftreten, sind die Übertragungswege vom Dromedar auf den Mensch noch… Weiterlesen »
Bei SARS und MERS werden tierische Wirte nicht nur vermutet, sie sind sogar gut belegt! Das tierische Reservoir von MERS sind Nutztiere (Dromedare), die keine offensichtlichen Krankheitssymptome zeigen. Menschen können sich dennoch durch Berührung oder Konsum von Milch und Fleisch infizieren und schwer erkranken. Quelle: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6723520/ Eine anschauliche Grafik findet… Weiterlesen »