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Fühlende Pflanzen
Haben Pflanzen ein Bewusstsein?
Pflanzen können Schmerzen empfinden, versorgen ihre Nachkommen aktiv mit Nährstoffen – und haben sogar eine eigene Sprache? Umstrittene Thesen. Aufschluss geben kann: die Pflanzenneurobiologie.
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Haben Pflanzen eine eigene Sprache?
Eine Kommunikationskette, von der alle profitieren
Diese lautlose Kommunikation erfolgt nicht nur über die Luft, sondern auch über ein unterirdisches Netzwerk des Waldes, das sogenannte wood wide web. So nennen Pflanzenforschende die Symbiose aus Bäumen und Pilzen, die für alle angeschlossenen Organismen viele Vorteile bietet: Die Pilzfäden dringen in die feinen Wurzelspitzen ein und versorgen die Bäume mit Nährstoffen wie Phosphor oder Stickstoff – an die der Baum alleine nicht käme. Die dünnen Pilzfädchen gelangen tiefer in den Boden, ihr weitläufiges Netzwerk erschließt auch Nährstoffe, die weit außerhalb der Reichweite von Baumwurzeln liegen. Auch der Pilz profitiert: Er erhält im Gegenzug von den Bäumen Glucose.
Das wood wide web dient aber nicht nur dem Austausch von Nährstoffen. Weil jeder Pilz mit verschiedenen Bäumen gleichzeitig verbunden ist, entstehen so auch Verbindungen zwischen verschiedenen Bäumen. Über die Wurzeln gelangen auch Signalstoffe, die einen Schädlingsbefall anzeigen, in das Netzwerk. So verbreitet sich die Botschaft im ganzen Wald. In kurzer Zeit werden viele andere Bäume informiert und bereiten ihre eigene Verteidigung vor. Auch wenn Bäume keine Sprache in unserem menschlichen Sinne kennen – sie kommunizieren tatsächlich miteinander.
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Können Pflanzen Schmerzen empfinden?
Sogar so etwas wie Wundheilung existiert in der Pflanzenwelt. Auf einen Schnitt oder einen Fraßschaden reagiert die Pflanze, indem sie versucht, ihre äußere Hülle zu regenerieren. Die Weitergabe von Signalen bei Bäumen und Pflanzen passiert dabei sogar elektrisch – also ähnlich wie im menschlichen Nervensystem. Aber sind das genügend Anzeichen, um Schmerzen anzunehmen? Dazu bräuchte die Pflanze ein Organ, das diesen Schaden auch als negative Erfahrung deuten könnte. Beim Menschen übernimmt das Gehirn diese Rolle. Über das Rückenmark gelangt die Information zum Gehirn und wird erst dort als Schmerz wahrgenommen. Eine solche Struktur gibt es bei Pflanzen nicht. Bäume und andere Pflanzen reagieren also tatsächlich auf Verletzungen, aber Schmerzen empfinden sie dabei nicht.
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Können sich Pflanzen sozial verhalten?
Wie junge Bäume versorgt werden
In verschiedenen Experimenten konnten Simard und ihr Team diesen Austausch von Stoffen beobachten. Besonders viele Pilzverflechtungen bilden sich zwischen großen "Mutterbäumen" und ihren eigenen Sämlingen. Und mehr noch: Vom großen Mutterbaum gelangt sogar eine Zuckerlösung zum Sämling, die den kleinen Baum ernährt. Ein Vorgang, der zu vielen, sehr menschlichen Vergleichen einlädt. Aber für eine bewusste "Versorgung" durch den Mutterbaum gibt es keine Hinweise. Die jungen Bäume zapfen das unterirdische Netzwerk an, Bäume, die mit dem Mutterbaum genetisch verwandt sind, sind dabei auch besonders erfolgreich.
Pflanzenbewusstsein in der Forschung
Im noch relativ jungen Forschungsfeld der Pflanzen-Neurobiologie beschäftigen sich Wissenschaftler:innen tatsächlich mit pflanzlichen Synapsen und pflanzlicher Intelligenz. Die Schlussfolgerungen daraus sind aber in der Wissenschaft zum Teil sehr umstritten. Selbst einige Pflanzenforschende sprechen von einer Art Pflanzenbewusstsein. Im Juli 2019 unterstützt ein Forschungsteam um Lincoln Taiz von der University of California in Santa Cruz mit einer Veröffentlichung diejenigen, die die Existenz eines Pflanzenbewusstseins ablehnen. Sie bilden auch die große Mehrheit unter den Pflanzenphysiolog:innen. Das Forschungsteam bezieht sich dabei vor allem auf eine neue Hypothese zur Evolution des Bewusstseins. Der Neurowissenschaftler Todd Feinberg und der Evolutionsbiologe Jon Mallat haben die Gehirnanatomie und funktionelle Komplexität sowie das Verhalten einer Vielzahl von Tieren analysiert und auf dieser Basis Kriterien entwickelt, die für die Entwicklung eines Bewusstseins eigentlich notwendig wären. Die einzigen Tiere, die diese Mindestanforderungen erfüllen, sind demnach Wirbeltiere, Arthropoden und Kopffüßer. Pflanzen seien dafür anatomisch viel zu simpel gebaut.
Die spannenden Reaktionen von Pflanzen auf ihre Umwelt seien damit nicht mehr als genetisch kodierte Programme, die sich im Laufe der Evolution als hilfreich für die Pflanze gezeigt haben.
Weniger erstaunlich sind sie deshalb nicht.
Autorin: Katharina Adick
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