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Kleine Plastikpartikel
Wie gefährlich ist Mikroplastik?
Mikroplastik umgibt uns alle – in der Luft, im Boden und im Wasser. Aber wie kommt es dahin und wie schädlich ist es eigentlich?
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Woher kommt Mikroplastik?
Von der Kläranlage auf die Felder
Mikroplastik befindet sich im Klärschlamm – ganz einfach, weil die Kläranlagen ihren Job machen und mit speziellen Zyklonfiltern und Zentrifugalkraft 99 Prozent der kleinen Partikel aus unserem Trinkwasser lösen. Aus diesem Grund ist unser Trinkwasser von sehr hoher Qualität und weitestgehend frei von den kleinen Plastikpartikeln. Der Klärschlamm ist allerdings voll davon. Und so kann über diesen Klärschlamm Mikroplastik im Dünger auch auf unsere Felder und auf diesem Weg in unsere Böden gelangen. Und von da aus wird es durch Hochwasser in unsere Meere und Flüsse geschwemmt.
Forschende aus Manchester haben etwa zehn Flüsse untersucht und in jedem davon Mikroplastik in Sediment- und Bodenproben gefunden. Mehr als eine halbe Millionen Plastikpartikel pro Quadratmeter Flussbett konnten sie nachweisen. In einer anderen Untersuchung haben Forschende festgestellt, dass in der Donau stellenweise mehr Plastikpartikel als Fischlarven treiben. Schätzungen zufolge befanden sich in dem Fluss durchschnittlich 317 Plastikpartikel und nur 275 Fischlarven in 1000 Kubikmetern Wasser.
Plastikmüll zerfällt zu Mikroplastik
An Land ist das Problem sogar noch gravierender: Je nach Umgebung gab es hier das 4- bis 23-Fache der Menge an Mikroplastik, die sich in Ozeanen finden lässt. Mikroplastik gelangt also durch die industrielle Nutzung in die Umwelt, aber auch durch die Verbraucher.
Achtlos weggeworfene Verpackungen, Tüten, Flaschen oder Plastik verrotten nicht. Durch Alterungs- und Zerfallsprozesse entsteht Mikroplastik.
Und auch über die Luft kann es sich dann verteilen. Forschende vermuten, dass Mikroplastik in der Atmosphäre schwebt und sich durch Regentropfen oder Schneeflocken auf dem Erdboden verteilen kann. Eine Studie liefert nun Beweise: Forschende des Alfred-Wegener Instituts haben erstmals Mikroplastik in Schneeproben nachgewiesen. Die Studie bezieht sich auf die Arktis – ein Lebensraum, der vergleichsweise sehr dünn besiedelt ist, aber ähnliche Verschmutzungsgrade aufweist wie dicht besiedelte Regionen dieser Welt.
Ein Grund dafür sind die Flüsse: "Der Arktische Ozean macht zwar nur rund 1 Prozent des Gesamtvolumens der Weltmeere aus, erhält aber mehr als 10 Prozent des globalen Wasserzustroms durch Flüsse, die unter anderem aus Sibirien Plastik ins Meer spülen", heißt es in einer Mitteilung des Instituts. Eine weitere Eintragsquelle ist die Fischerei. Besonders Netze und Seile, die von den Fischenden im Meer entsorgt werden, sind dabei ein sehr großes Problem.
Wind verteilt Mikroplastik über weite Strecken
Mikroplastik kann nicht nur übers Wasser verteilt werden, sondern auch über die Luft: Weil sie so klein und leicht wie Staub sind, können sie vom Wind hinweggetragen werden – besonders in Form von Fasern schweben sie gut.
In Spitzbergen sammelten Wissenschaftler:innen Proben des sogenannten Fall-Outs – also der Partikel, die sich aus der Luft niederschlagen. Auf einer Eisscholle fanden sie 14.400 Partikel pro Liter. Dieser besonders hohe Wert fand sich allerdings in nur einer einzigen Probe, die anderen lagen bei unter 1.000 Partikeln pro Liter.
Wie viel Plastik durch die Luft übertragen werden kann, lässt sich noch nicht sagen. Es hängt stark von den Luftströmen ab, die beim Schneefall geherrscht haben: Ob sie sauber oder dreckig waren. Doch um genauere Aussagen treffen zu können, brauchen die Forschenden weitere Daten.
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Wo steckt Mikroplastik drin?
Flüssigwaschmittel erhalten ihre Konsistenz ebenfalls durch die Zugabe von Kunststoffteilchen, Polyethylen. Dieser kostengünstige und vielfach einsetzbare Stoff ist auch in Kosmetikprodukten zu finden, weil er sich eben zum Binden von Flüssigkeit eignet. Auch in Peelings kommt Polyethylen vor, weil sich die kleinen Partikel als Schleifmittel eignen, um alte Hautschüppchen herunter zu reiben.
Mikroplastik auch in Wasser aus der Flasche
Forschende der Universität Münster konnten in einer Studie ebenfalls nachweisen, dass in Flaschenwasser Mikropartikel aus Plastik stecken. In allen 38 untersuchten Mineralwässern fanden die Forschenden Partikel aus Mikroplastik, die häufig kleiner waren als ein rotes Blutkörperchen.
In Mehrwegflaschen aus Plastik und in Glasflaschen fanden die Forschenden allerdings die meisten Teilchen, und zwar bis zu 300 Partikel pro Liter. Die Rückstände in Einweg-PET-Flaschen waren deutlich geringer, sagt Forscherin Darena Schymanski. Die Vermutung: Mehrweg-Flaschen werden bis zu 50 mal wiederverwertet. Dabei können die Innenwände aufrauen, so dass kleine Widerhaken entstehen, die dann PET-Teilchen an das Wasser abgeben. Einweg-Flaschen hingegen bestünden aus frisch aufgespritztem Plastik und hätten somit eine besonders glatte, unbenutzte Innenoberfläche, so dass sich weniger Teilchen verhakten.
Dass auch in Glasflaschen Teilchen gefunden wurden, überraschte selbst die Forschenden. Hier geht man davon aus, dass Mikropartikel durch den Reinigungsprozess ins Innere der Flasche gelangen konnten.
Wenig Daten über Plastik in Lebensmitteln
Über das Vorkommen von Mikroplastik in Lebensmitteln gibt es wenig gesicherte Daten. Mikropartikel konnten in einigen Fischarten nachgewiesen werden, wobei sich diese Befunde hauptsächlich auf Magen- und Darminhalte beschränken, die meistens nicht mitgegessen werden, so das Chemische Untersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe. Darüber hinaus konnte es aber auch in Salz und Muscheln nachgewiesen werden.
Es scheint aber, als wäre Mikroplastik mittlerweile überall drin. Doch das stimmt nicht ganz. Es gibt Dinge, von denen Wissenschaftler mit einer recht hohen Sicherheit behaupten, dass sie Mikroplastikfrei sind: Steine, tiefe Erdschichten, Grundwasserleitern und Pflanzen.
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Können wir Mikroplastik aufnehmen?
Die Wissenschaftler:innen haben in 17 von 22 Blutspenden von anonymen Spenderinnen und Spender Mikroplastik gefunden. Die Hälfte der Proben enthielt PET-Kunststoff, das man von herkömmlichen Plastikflaschen kennt. Ein Drittel der Blutproben erhielt Polystyrol, das in Lebensmittelverpackungen vorkommt. Und in einem Viertel fanden die niederländischen Forscher:innen Polyethylen; aus diesem Material bestehen etwa auch die Plastik-Tragetaschen, die mittlerweile in der EU verboten sind. Das sind erste, ganz klare Hinweise, dass wir Polymerpartikel in unserem Blut haben.
Forschende des Umweltbundesamts befürchten zudem, dass sich kleinste Plastikpartikel, die wir mit dem Flaschenwasser (oder anderen Lebensmitteln) aufnehmen, in unserem Gewebe anreichern könnten.
Richtig ist aber auch: Wir haben natürliche Mechanismen, um solche Partikel abzuwehren, etwa Schleimhäute in Mund, Nase, Rachen und Darm. So schützen wir uns beispielsweise vor Sandkörnern, die wir versehentlich verschlucken.
Da Mikroplastik aber eine andere Zusammensetzung hat, könnte es trotzdem passieren, dass es sich im Körper einlagert und Entzündungen in Darm- oder Lebergewebe auslöst oder sogar Krebs begünstigt. Stichhaltige Beweise für diese Theorie gibt es jedoch noch nicht.
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Kann Mikroplastik die Blut-Hirn-Schranke überwinden?
Wissenschaftlich kann aktuell nicht belegt werden, dass diese winzig kleinen Partikel diese Barriere überwinden können. Zwei Mikrometer sind schon sehr klein. Zum Vergleich: Ein feines Sandkorn sagt man: ist 90 Mikrometer groß bzw. klein.
Es gibt auch Studien, die zu anderen Ergebnissen kommen und die darauf hindeuten, dass der Übertritt über die Blut-Hirn-Schranke möglich sei. Beim BfR heißt es dazu, es gebe immer wieder Studien zu diesem Thema mit ungenauer Dokumentation oder mit schwer nachvollziehbaren Versuchsbedingungen. Eine wissenschaftliche Auswertung oder Einordnung sei da teilweise kaum möglich. Das könne zum Beispiel bedeuten: Die Partikelkonzentration sei höher als in realistischen Szenarien. Unter diesen Umständen müsse man mit den Forschungsergebnissen ganz besonders vorsichtig sein. Deswegen braucht es schlichtweg noch mehr empirische Forschung, besonders im Bereich der Partikel im Nanometerbereich.
Das Problem mit Nanoplastik
Plastikpartikel im Nanometerbereich, die kleiner als klein sind, sind selbst für die Forschenden noch eine "Black-Box". Das heißt: es gibt zwar Vermutungen, aber noch keine empirischen, also nachvollziehbaren Daten, was diese in unserem Körper anrichten.
Hinzu kommt: Es ist sehr schwer, mit derart kleinen Teilchen zu forschen. Nanometer, das ist eine unvorstellbar kleine Messeinheit. Ein Nanopartikel verhält sich zur Größe eines Fußballs etwa so wie ein Fußball zur Größe unseres gesamten Erdballs.
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Wie gefährlich ist Mikroplastik für uns eigentlich?
Die niederländischen Forschenden, die in ihrer aktuellen Studie Mikroplastik im Blut entdeckten, äußern diesbezüglich zumindest Befürchtungen: Die Partikel könnten durch den Körper wandern – sich in Organen festsetzen und in Immunzellen vordringen oder sich an Eiweiße und Fette im Körper heften. Hierzu fehlt es bisher aber noch an Forschung und Evidenz.
Das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) geht davon aus, dass Mikroplastik zum Beispiel aus Kosmetikprodukten uns eher nicht schadet, da die in diesen Produkten verwendeten Partikel größer als ein Mikrometer sind: "Bei dieser Partikelgröße ist bei vorhersehbarem Gebrauch der Produkte eine Aufnahme über die gesunde und intakte Haut nicht zu erwarten", so das BfR.
Sollten Teile davon verschluckt werden, so werden diese größtenteils über den Stuhl wieder ausgeschieden. Dass sich gesundheitlich relevante Mengen Ethylen aus den Polyethylen-Mikrokunststoffpartikeln (etwa aus Peelings) im Magen-Darm-Trakt freisetzen, ist aus Sicht des BfR unwahrscheinlich.
WHO: keine Gefahr durch Mikroplastik im Trinkwasser
Auch die World Health Organization (WHO) kommt zu dem Ergebnis: Wir brauchen noch viel mehr Studien, die sich mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Mikroplastiks beschäftigen.
Nach allen aktuell verfügbaren Informationen gehe von der derzeitigen Mirkoplastik-Konzentration in Trinkwasser allerdings auch keine Gefahr aus, erklärte die WHO-Expertin Maria Neira im August 2019. Verbraucher könnten relativ beruhigt sein.
Auch kleinere Partikel können ausgeschieden werden
Die Aufnahme von Mikroplastik in den menschlichen Körper oberhalb einer Größe von 150 Mikrometern sei unwahrscheinlich, heißt es in dem Bericht der WHO. Zudem gebe es Mechanismen im Körper, die dafür sorgen, dass auch kleinere Partikel vom Körper wieder ausgeschieden werden.
"Gesunde Haut oder Schleimhaut stellt tatsächlich eine recht effiziente Barriere gegenüber größeren Teilchen dar", sagt Hanns Moshammer, Fachgebietsleiter Umwelthygiene und Umweltmedizin, Zentrum für Public Health von der Medizinischen Universität Wien: "Forschungsbedarf besteht noch zum Barriereverhalten von erkrankter Haut oder Schleimhaut – zum Beispiel nach Verletzungen und Entzündungen."
WHO fordert präventive Abwasser-Filterung
Neben weiterer Forschung fordert die WHO präventiv eine zusätzliche Filterung des Abwassers. Dem Bericht zufolge könnten dadurch 90 Prozent der Mikroplastik-Partikel aus dem Wasser entfernt werden. Auch Chemikalien oder mikrobielle Erreger ließen sich so entfernen.
"Auch in Deutschland kann durch zusätzliche Maßnahmen in der Trinkwasseraufbereitung und Abwasserbehandlung der Anteil an Mikroplastik reduziert werden", sagt Professorin Rita Triebskorn, Leiterin der Arbeitsgruppe vom Institut für Evolution und Ökologie der Eberhard Karls Universität in Tübingen.
"Wie groß dieser Anteil sein kann, hängt von der gewählten Technologie ab." Der Standard der Trinkwasseraufbereitung sei in Deutschland ohnehin bereits sehr hoch, sagt Triebskorn.
Naturschutzbund kritisiert WHO-Studie
Die Studie der Weltgesundheitsorganisation trifft nicht nur auf Zustimmung. "Die WHO-Studie gibt zu früh Entwarnung", sagt Nadja Ziebarth vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND).
Es sei beispielsweise nicht untersucht worden, ob es Risiken birgt, wenn ein Mensch Kunststoff einatmet. Auch das Trinkwasser müsse regelmäßig auf Mikroplastik untersucht werden, fordert Ziebarth.
Autor:innen: Andreas Sträter, Saskia Gerhard, Vanessa Reske
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Wichtig
Ich bin Genervt wenn man weiss was alles angerichtet wird mit diesem scheiss Plastik und trotzdem wird in masse Protuziert. Und vorallem beim Lebensmittel wo man nur den Kopfschütteln kann. Sorry wenn ich sehe das man 2 bis 3 Verpackungen macht ist so unlogisch. Plastik ist fast gar nicht abbaubar… Weiterlesen »
Plastik
Hamburg
Ich habe vorhin den Beitrag im TV gesehen und bin schockiert! Ich bin Kunststoffingenieur und daher von Haus aus etwas sensibel in Bezug auf das „Plastikbashing“. Trotzdem habe ich mich daran gewöhnt und die meisten falschen Behauptungen ringen mir mittlerweile nur noch ein müdes Lächeln ab. Ich habe auch überhaupt… Weiterlesen »
Aber der Beitrag legt doch lediglich Fakten hin. So sagt er ja zum Beispiel auch das Mikroplastik unsere Blut-Hirnschranke NICHT überwinden kann und das die WHO Mikroplastik im Trinkwasser nicht als Gefahr ansieht.