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Erst Karriere – dann Kind?
Darum ist Social Freezing wichtig
Eizellen und ganzes Eierstockgewebe können tiefgefroren jahrelang jung gehalten werden. Eine Chance, die Familienplanung jenseits biologischer Zwänge "auf Eis" zu legen? Es ist weit mehr als das.
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Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Eingefrorenes Eierstockgewebe kann die biologische Uhr anhalten
Es gibt aber seit einiger Zeit die Möglichkeit, komplettes Eierstockgewebe einfrieren zu lassen. Dafür wird operativ Eierstockgewebe entnommen und bei minus 196 Grad kryokonserviert – tiefgefroren also. Expert:innen gehen davon aus, dass die Chance auf eigene Kinder bei Eierstockgewebe größer sein kann als bei einzelnen Eizellen. Denn das Gewebe kann sehr viele Vorläuferzellen von Eizellen enthalten.
Das Gute: Die biologische Uhr des Eierstockgewebes wird, genauso wie bei einzelnen Eizellen auch, am Tag der Entnahme angehalten. Wird das Gewebe wieder aufgetaut, kann es theoretisch all seine Funktionen wieder aufnehmen – egal ob nach einem oder zehn Jahren.
Wenn alles klappt, wächst das Gewebe an und produziert nach einigen Wochen wieder Hormone. Und nicht nur das: Die Frau kann sogar wieder einen Zyklus bekommen – und in einigen Fällen sogar auf natürlichem Weg schwanger werden. In der Regel aber werden die reifen Eizellen entnommen und im Reagenzglas befruchtet. Denn man geht davon aus, dass eine Schwangerschaft so wahrscheinlicher wird.
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Darum müssen wir drüber sprechen:
Für einige Frauen ist es die einzige Hoffnung auf eigene Kinder
Mit dem Einfrieren des Eierstockgewebes aber ändert sich das. Wie groß genau die Chance ist, nach dem Wiedereinpflanzen des Eierstockgewebes ein Kind zu bekommen, ist extrem unterschiedlich. Expert:innen sprechen von maximal 25 bis 30 Prozent. Das Alter der Eizellen spielt eine Rolle, auch der Gesundheitszustand der Frau. Aber: Die Chancen steigen, da die Methoden immer ausgefeilter werden.
Fakt ist: Je jünger die Eizellen beim Einfrieren sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft und ein gesundes Kind. Denn nicht nur die Anzahl an Eizellen nimmt im Laufe der Jahre ab, sondern auch deren Qualität. Wie andere Zellen auch können die Keimzellen durch Umwelteinflüsse vorschädigt werden. Vor allem Rauchen – wen wundert's – kann auch das Erbgut von Eizellen verändern.
So ist die Kryokonservierung auch eine Möglichkeit für junge Mädchen mit Krebsdiagnose – auch wenn es deren Eltern sicherlich schwerfällt, im Moment der Diagnose daran zu denken.
Randnotiz: Obwohl es das Angebot für Krebspatientinnen bereits seit einigen Jahren gibt, werden immer noch die wenigsten ordentlich beraten: Viele erfahren gar nichts von dieser Möglichkeit und sind später sehr traurig, dass sie keine Kinder mehr bekommen können.
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Aber:
Auch die Nachfrage bei gesunden Frauen steigt
Ist es da nicht legitim zu sagen: Ich erhöhe meine Chancen auf ein eigenes, gesundes Kind in zehn Jahren und lasse mich heute beraten, um meine Keimzellen einfrieren zu lassen? Nach der ersten Reagenzglasbefruchtung vor mittlerweile 40 Jahren war Louise Brown, das erste "Retortenbaby" und heute selber Mutter, für viele ein Skandal. Heute ist künstliche Befruchtung – in den unterschiedlichsten Spielarten – Alltag und gesellschaftlich breit akzeptiert.
Man wird das Gefühl nicht los, dass man nur lange genug warten muss, bis eine Methode als okay eingestuft wird. Böse könnte man sagen: Es müssen jetzt nur genug Babys nach einem Eizell-Retransfer, dem Social Freezing, zur Welt kommen und die Eltern glücklich in die Kameras der Welt lächeln, dann erledigt sich die kritische Beurteilung dieser neuen Methode von alleine.
Am Ende steht aber über allem die Frage: Wie sehr sollten wir in die eigentlich von ganz allein ablaufenden Prozesse rund um Zeugung und Geburt eingreifen dürfen, ohne zu riskieren, die Kontrolle zu verlieren? Gesellschaftlicher Konsens bei uns in Deutschland: Menschen klonen, das geht gar nicht. Dahinter steckt die Angst, dass wir eben nicht nur über die Tatsache entscheiden, ob wir ein Kind bekommen – sondern auch, welches Kind wir bekommen.
Und da sind die "tiefgekühlten Eier" durchaus eine Diskussion wert. Denn wir lagern Keimzellen in einem frischen, hoffentlich noch unbeschadeten Zustand. Alle möglichen "Gifte" eines üppigen, freien Lebens (Nikotin, Alkohol, Medikamente ...) werden die Eizellen im Eis-Container nicht erreichen – sie sind beschützt.
Und wer weiß: Vielleicht können die Frauen, die ihre Eizellen heute einfrieren und in zehn Jahren wieder auftauen lassen, ihre Eizellen dann schon vor der Befruchtung untersuchen lassen: Welche Eizelle möchten sie dann einsetzen lassen – die gesunde oder die möglicherweise kranke? Das sollten wir diskutieren.
Denn kritisch ist: Die Methode ist nur wohlhabenden Frauen vorbehalten. Etwa 3000 Euro kostet die Entnahme, das Einlagern pro Jahr etwa 300 bis 600 Euro. Klar, wir alle wünschen uns gesunde, glückliche Kinder. Wenn wohlhabende Menschen aber unperfekte, behinderte Kinder nicht mehr zulassen (müssen) und das Austragen von behinderten Kindern "den armen Leuten" überlassen wird – dann werden wir in einer komplett anderen Gesellschaft leben (müssen).
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Und jetzt?
Wir sollten über Grenzen diskutieren
Noch längst ist nicht alles möglich, plan- und bezahlbar. Aber klar ist auch: Die Methoden werden immer mehr zum Alltag gehören. Wir sollten also darüber reden, ob es auch für Social Freezing Grenzen geben sollte. Wenn schon keine medizinisch-technologischen, dann vielleicht ethische.
Autorin: Angela Sommer
Habe als Frau keinen Kinderwunsch.Meine Freiheiten sind mir wichtig.Mein Liebesleben ist mir wichtig.Daher seit drei Jahren steril.Bin Gotte von Sarah,zwei Jahre und geniese die Kleine ohne Familienverpflichtungen.