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Allergien
Kann man gegen andere Menschen allergisch sein?
Im sprichwörtlichen Sinne kennt es jeder, klar. Aber kann man tatsächlich auf andere Menschen allergisch reagieren? In seltenen Fällen: ja.
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Allergien gegen andere Menschen sind möglich
Meist sind es eher sekundäre Stoffe, auf die wir reagieren – wie Kuhmilch im Speichel des Partners, Duftstoffe in Parfüm, Tierhaare an der Kleidung, Medikamentenrückstände, Latex oder gar die Rückstände von Nüssen im Sperma.
Aber: In extrem seltenen Fällen ist es eben doch der Partner selbst. Bei der Seminalplasma-Allergie, umgangssprachlich Sperma-Allergie, reagieren Frauen auf Bestandteile im Ejakulat des Mannes allergisch. Es stimmt also: Man kann gegen andere Menschen wortwörtlich allergisch sein.
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Es könnten deutlich mehr Menschen betroffen sein als gedacht
Forschende kritisieren aber: Allergien und ihre Folgen werden nach wie vor nicht ernst genug genommen – weder von Patient:innen noch von Ärzt:innen. Im Fall der "Sperma-Allergie“ wurde der erste Fall schon 1958 dokumentiert. Seitdem wurden weltweit nur knapp über 100 weitere bestätigte Fälle registriert. Aktuelle Studien deuten jedoch darauf hin, dass die Sperma-Allergie viel häufiger vorkommen könnte als bisher angenommen. Schätzungen aus den USA gehen sogar von bis zu 40.000 betroffenen Frauen aus – allein in den USA.
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Es geht sogar noch schlimmer
Innerhalb weniger Minuten, maximal aber vier Stunden nach Kontakt reagieren Betroffene mit Hautreizungen, Schwellungen, Erbrechen, Durchfall, Atemwegsproblemen – im schlimmsten Fall droht sogar ein lebensgefährlicher Schock. Das Immunsystem des Körpers verhält sich im Prinzip wie bei Heuschnupfen. Es wertet einen bestimmten, im Grunde harmlosen Stoff als Krankheitserreger – und löst eine heftige Abwehrreaktion aus.
Dabei reagiert die Frau bei einer Sperma-Allergie nicht auf die Spermien selbst, sondern auf ein Protein im Ejakulat jedes Mannes: das sogenannte Kallikrein, ein Bestandteil des prostataspezifischen Antigens (PSA), das normalerweise das Ejakulat flüssiger macht. Es hilft also nicht, den Partner zu wechseln. Denn das Eiweiß existiert bei jedem Mann. Und damit nicht genug. Das Problem mit den Allergien lässt sich sogar noch weiter auf die Spitze treiben:
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Frauen und Männer können sogar gegen sich selbst allergisch sein
Bei Männern gibt es das sogenannte Post Orgasmic Illness Syndrome (POIS), das niederländische Wissenschaftler:innen im Jahr 2002 erstmals dokumentiert haben. Nach der Ejakulation – etwa beim Koitus, nach Selbstbefriedigung oder auch spontan im Schlaf – klagen die betroffenen Männer über allergie- und grippeähnliche Symptome, extreme Erschöpfung, Muskelschwäche bis hin zu depressiven Episoden.
Die Symptome treten kurz nach der Ejakulation – meist zwischen fünf und 30 Minuten – auf und verschwinden nach einem bis sieben Tagen wieder. Bei 45 Männern wurde die Reaktion bisher nachgewiesen. Umstritten ist aber, ob es sich hier tatsächlich um eine Allergie handelt – das ist Gegenstand aktueller wissenschaftlicher Untersuchungen.
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Sperma-Desensibilisierung ist möglich
Erste und einfachste Maßnahme: Beim Geschlechtsverkehr zunächst stets ein Kondom verwenden, um zu überprüfen, ob die Beschwerden dann ausbleiben. Zweite Maßnahme: Allergolog:in aufsuchen. Ein Test mit Sperma oder isoliertem PSA kann Klarheit schaffen.
Handelt es sich tatsächlich um eine allergische Reaktion, können Antihistaminika, Cortison oder Adrenalinsprays helfen – aber auch eine Desensibilisierung ist möglich. Dabei wird das in der Samenflüssigkeit enthaltene Allergen schrittweise in immer höheren Dosen verabreicht, sodass sich der Körper langsam daran gewöhnt.
Tricky wird’s beim Kinderwunsch: Bei einer leichten allergischen Reaktion kann die Frau während ihrer fruchtbaren Tage auf die Verwendung von Kondomen verzichten und nach Rücksprache mit dem/der Fachärzt:in für Allergologie ein Antihistaminikum einnehmen. Bei starken anaphylaktischen Reaktionen dagegen müssen die Spermien im Labor von der Samenflüssigkeit getrennt und die Kinder über eine künstliche Befruchtung gezeugt werden.
Zusammenfassend bleibt aber zu sagen: Die Intraspezies-Allergie, also das "auf einen anderen Menschen allergisch sein“, kommt nur sehr selten vor. Meist sind es eher Sekundärstoffe, auf die man reagiert – und nur selten die körpereigenen Flüssigkeiten. Um das aber abzuklären, sollte msn immer ohne Scheu ärztlichen Rat suchen. Denn eine Allergie ist nichts, wofür man sich schämen sollte.
Autor: Christoph Goldbeck
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