Vaginaler Schönheitswahn

Immer wieder heißt es, dass Schönheitsoperationen zunehmen und auch die Eingriffe im Intimbereich steigen. Nur: Genau weiß das niemand.

Nach Angaben der Internationalen Gesellschaft für Ästhetische und Plastische Chirurgie (ISAPS) wurden im Jahr 2015 in Deutschland 5296 Schamlippen-Korrekturen durchgeführt, 2018 bereits 8743.
Die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) kam 2013 auf ähnliche Zahlen und sprach von mehr als 5400 Schamlippen-Korrekturen. Doch es handelt sich meist um Privatleistungen, die nicht einheitlich und durchgehend erfasst werden.

Die Fachgesellschaften befragen ihre Mitglieder und rechnen die Zahlen hoch. Weil die Antworten bei der DGPRÄC (1850 Mitglieder) unter 30 Prozent sanken, stellte man dort die Statistik ein.
Die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) veröffentlichte für 2019 Zahlen auf der Basis von rund 100 VDÄPC-Mitgliedern. Danach gab es bei ästhetischen Behandlungen generell einen Anstieg um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, bei Brustvergrößerungen sogar um 20 Prozent.
Die Intimchirurgie steht aber nur an 10. Stelle. Den Hauptanteil machen minimalinvasive Eingriffe aus, vor allem Faltenunterspritzungen mit Botox oder Hyaluronsäure. Experten und Expertinnen gehen bei der Intimchirurgie mittlerweile eher von einer stagnierenden Nachfrage aus.

Es gibt keine Norm für Schamlippen. Längere, dickere oder kürzere Schamlippen sind also nicht anormal. Jede Vulva sieht anders aus.
Forschende betonen zwar, dass weibliche Selbstbestimmung und das Interesse an der Vulva, die lange Zeit selbst unter Medizinern ein Schattendasein führte, positive Entwicklungen sind. Die Vorstellung einer fast kindlichen Vulva fällt jedoch in alte Traditionen zurück, nach denen ideale Weiblichkeit das meiste verbergen soll, Männlichkeit sich dagegen gerade durch die Größe und Sichtbarkeit des Genitals definiert.

Zudem gibt es nur wenige Studien zu den Langzeitfolgen der Eingriffe.

Gerade wenn Frauen keine Beschwerden haben, müssen die Risiken deutlich kommuniziert werden.
Die Fachgesellschaften kritisieren Werbeaussagen, mit den Eingriffen seien "keine ernsthaften Risiken und Komplikationen“ verbunden. Bei rein ästhetischen Eingriffen müsse "schonungslose Aufklärung über mögliche Risiken erfolgen".

Rechtlich gilt: Je weniger ein Eingriff medizinisch notwendig ist, desto umfassender ist aufzuklären. Frauen sollten darauf achten, dass der Behandler Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie ist oder für Gynäkologie oder Urologie mit entsprechender Kompetenz in diesem Bereich.