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Tierversuche, ein notwendiges Übel? – DAS UPDATE
Jedes Jahr sterben Millionen Tiere in Laboren. Der Großteil der Wissenschaft sagt: Das lässt sich nicht vermeiden. Doch das könnte sich ändern.
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Wozu werden Tierversuche gemacht?
Sichere Impfstoffe und wirksame Medikamente sind für uns selbstverständlich. Schließlich werden alle Arzneimittel ausgiebig getestet, bevor sie in den Handel kommen. Aber diese Tests kosten jedes Jahr viele Tierleben. Für diese sogenannten Zulassungsstudien sind Tierversuche vorgeschrieben, ohne diese dürften neue Medikamente gar nicht an Menschen getestet werden. Noch mehr Tierversuche werden in der Grundlagenforschung durchgeführt – sie sollen helfen, ganz grundsätzliche biologische Zusammenhänge zu verstehen.
Für Kosmetikprodukte sind Tierversuche in der EU schon lange verboten – allerdings heißt das nicht, dass Inhaltsstoffe nie an Tieren getestet wurden. Wenn die gleichen Stoffe schon für andere Zwecke an Tieren getestet wurden, darf man diese Daten auch bei der Zulassung von Kosmetika verwenden. Und es gibt Arbeitsschutzvorschriften: Ab und zu werden so auch nur für Kosmetika Tierversuche gemacht, wenn geklärt werden soll, ob die Arbeit mit den Inhaltsstoffen zum Beispiel für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Fabrik sicher ist.
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Wie viele Tiere sterben bei den Versuchen?
In Deutschland waren das im Jahr 2022 rund 2,5 Millionen. Dazu kommen noch weitere 1,8 Millionen Tiere, die gezüchtet und getötet werden, aber nie im Labor zum Einsatz kamen. Das passiert zum Beispiel, wenn die Tiere nicht das richtige Geschlecht haben oder bestimmte genetische Merkmale nicht aufweisen, die für ein Experiment wichtig sind. Insgesamt sind es also mehr als 4 Millionen Tiere, die in Deutschland jedes Jahr durch das System Tierversuche sterben. Dabei sind auch nur Wirbeltiere und Kopffüßer mitgezählt. Berücksichtigt man beispielsweise Insekten wie Fruchtfliegen, wäre die Zahl deutlich höher. Diese Zahlen werden aber nicht zentral erfasst.
Es gibt ein paar Tiere, die ihre Versuche überleben und dann beispielsweise ein zweites Mal verwendet werden können. Das ist aber die Minderheit – die meisten Tiere sterben bei oder kurz nach den Versuchen.
Wie viele Versuchstiere weltweit sterben, ist übrigens nicht genau erfasst. Die Zahl geht aber in die zwei-, eher sogar in die dreistelligen Millionen.
Welche Tiere werden bei Tierversuchen eingesetzt?
Mit Abstand am häufigsten sind das Mäuse. Sie machen mehr als 70 Prozent der verwendeten Tiere aus. Das liegt daran, dass Mäuse ziemlich gut erforscht sind, das Genom ist bekannt, es ist – vergleichsweise – leicht, Mäuse mit bestimmten genetischen Eigenschaften zu züchten. Außerdem ist es nicht besonders aufwendig, Mäuse zu halten. Wer an Primaten, Hunden oder Katzen forscht, hat einen um vielfaches höheren Tierpflege-Aufwand. Unter anderem deshalb wurden im letzten Jahr „nur“ knapp 3.000 Laborhunde eingesetzt. Häufiger nutzen Forschende auch Fische, Ratten und Kaninchen.
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Sind Tierversuche auf den Menschen übertragbar?
Es gibt große Unterschiede der Wirksamkeit von Medikamenten und anderen Mitteln zwischen Versuchstieren und Menschen. Und es gibt viele Beispiele von Medikamenten, die im Mensch funktionieren, im Tier jedoch nicht – und umgekehrt. Trotzdem gelten Tierversuche weiterhin als der Standard, um komplexe Wirkungen in lebenden Organismen zu erforschen. Forschende sagen, sie seien immer noch der beste Weg, um beispielsweise einige schädliche Nebenwirkungen zu erkennen oder in der Grundlagenforschung neue Erkenntnisse zu gewinnen. Wissenschaftlich genau überprüfen lässt sich diese Aussage nicht. Natürlich ist es möglich, dass man zu manchen Erkenntnissen auch ohne Tierversuche gelangt wäre, dann eben auf einem anderen Weg. Das kann aber im Nachhinein niemand beweisen.
Gibt es Alternativen?
Ja, die gibt es: Computersimulationen, künstliche Organe, bessere Versuchsmethoden in Zellkulturen. All diese Dinge sollen in Zukunft helfen, Tierversuche zu reduzieren. Aber: Die große Mehrheit der Forschenden in Deutschland ist der Meinung, dass diese Methoden noch weit davon entfernt sind, Tierversuche wirklich zu ersetzen. Für Computersimulationen muss man dem Computer beispielsweise erst einmal viele Daten geben, die man wiederum vielfach aus Tierversuchen gewinnt. Und bei Experimenten an nachgezüchteten Mini-Organen kann man ganz gut einzelne Bausteine des Körpers untersuchen, aber noch kaum das ganze System mit allen Wechselwirkungen. Und Verhaltensstudien sind damit auch nicht möglich – also Studien, in denen man zum Beispiel schaut, ob ein Medikament eine Maus aktiver oder schläfriger macht, sie sich öfter paart oder dergleichen.
Zur Wahrheit gehört aber auch: In Deutschland stecken wir eher wenig Geld in die Forschung an Tierversuchs-Alternativen, etwa verglichen mit den USA. So geht der Fortschritt eben nur schleppend voran. Und in den USA gibt es noch einen weiteren Unterschied: Dort sind Tierversuche inzwischen nicht mehr vorgeschrieben, um Medikamente zuzulassen. Das gibt Firmen einen echten Anreiz, Alternativen weiterzuentwickeln. Wer hier in Deutschland forscht und ohnehin gesetzlich vorgeschriebene Tierversuche machen muss, beschäftigt sich durch diese Unterschiede vermutlich auch weniger mit tierversuchsfreien Methoden.
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