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Transmutation
So könnte man Atommüll recyceln
Wir suchen nach einem Endlager für Atommüll. Dabei ließe sich der Abfall auch umwandeln oder recyceln. Für Deutschland kommt die Technologie aber nicht infrage.
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Wir wissen nicht, wohin mit unserem Atommüll
Das Problem: Einige Spaltprodukte, die sich im Atommüll befinden, haben sehr lange Halbwertszeiten. Plutonium-239 etwa, das nach einer Kernspaltung im Reaktor in den abgebrannten Brennstäben verbleibt, ist erst nach rund 24.000 Jahren zur Hälfte in stabile Isotope zerfallen, die nicht weiter strahlen. Andere Isotope, die in einem Kernkraftwerk entstehen, sind noch länger aktiv. Deshalb ist es notwendig, ein Endlager zu finden, das sehr viele Jahre hält. Laut Standortauswahlgesetz ist das in Deutschland eine Million Jahre.
Diese Voraussetzungen müsste ein Endlager für Atommüll erfüllen
Bis heute ist unklar, wie über dermaßen lange Zeiträume, die länger als die bisherige Menschheitsgeschichte sind, eine sichere Lagerung unseres Atommülls gewährleistet werden soll. Es ist schwer zu garantieren, dass innerhalb so langer Zeit keine geologischen Prozesse das Lager gefährden. Gesteine, die für ein Endlager infrage kämen, sind Granit-, Ton- und Salzformationen. Sie müssten tief unter der Erde Platz für etwa 28.000 Kubikmeter Atommüll bieten – so viel Platz bräuchte man, um nur den hoch radioaktiven Abfall einzulagern. Für die gesamte Menge – inklusive des schwach radioaktiven Abfalls – kämen noch einmal 300.000 Kubikmeter hinzu. 328.000 Kubikmeter unter der Erde also für rund 17.000 Tonnen Atommüll. Bislang hat man in Deutschland noch keinen geeigneten Ort dafür gefunden.
Deutschland steht damit nicht allein da: Weltweit ist noch kein einziges Endlager in Betrieb. Das erste Endlager für radioaktiven Müll wird gerade in Finnland, Onkalo, gebaut.
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Darum müssen wir drüber sprechen:
Es gibt Technologien, die das Entschärfen und Recyceln von Atommüll ermöglichen
Dieser hoch radioaktive Abfall, der nur rund 10 Prozent des gesamten Atommülls ausmacht, aber 99 Prozent seiner Radioaktivität erzeugt, ließe sich noch weiter nutzen: mit Transmutation. Bei dem Verfahren wird hochradioaktiver, langlebiger Atommüll mit sehr energiereichen, schnellen Neutronen beschossen, gespalten und in Isotope mit deutlich kürzerer Lebensdauer verwandelt. So zumindest das Grundprinzip der Transmutation, das 1964 erstmals beschrieben wurde.
Zwar lässt sich nur ein Bruchteil (1 Prozent) der Elemente aus den alten Brennstäben mit Transmutation umwandeln, doch es sind genau die problematischen: Plutonium, Americium, Neptunium und Curium, auch als Transurane bekannt. Sie geben besonders viel radioaktive Strahlung ab, haben eine lange Lebensdauer und gehören zu den Stoffen, für die es am schwierigsten ist, ein sicheres Endlager zu finden. Vor der Transmutation müssen diese Transurane durch chemische Prozesse aus dem Brennstab herausgelöst werden.
Transmutation könnte Halbwertszeit von Atommüll reduzieren
Auch nach der Transmutation strahlt der radioaktive Atommüll noch, aber deutlich weniger: Denn die Halbwertszeit des nuklearen Abfalls lässt sich durch das Verfahren auf 500 bis 1000 Jahre reduzieren – und damit auch die Zeit, die der Abfall in einem sicheren Endlager verbringen müsste. Zur Erinnerung: Für den unbehandelten Atommüll wird nach Endlagern gesucht, die den Abfall eine Million Jahre beherbergen.
Wenn durch Umwandlung weniger hoch radioaktive Elemente im Abfall sind, bräuchte man dafür auch weniger Platz im Endlager. Durch Transmutation, so schätzen Wissenschaftler, ließe sich das Volumen hoch radioaktiver, Wärme entwickelnder Abfälle um ein Drittel auf etwa 9500 Kubikmeter reduzieren. Zwar bräuchte man stattdessen mehr Platz für schwach und mittelradioaktiven Abfall – 400.000 statt 300.000 Kubikmeter . Hierfür sind aber nicht so strenge Sicherheitsvorkehrungen nötig, ein Lager hierfür wäre einfacher zu finden.
Zwei verschiedene Varianten der Transmutation
In der Praxis sind zwei verschiedene Anwendungen der Transmutationstechnologie denkbar, die sich vor allem darin unterscheiden, wie die für die Transmutation notwendigen schnellen Neutronen erzeugt werden. Die erste Option wäre eine Transmutationsanlage, die den hoch radioaktiven Atommüll umwandelt, die Halbwertszeit der strahlenden Isotope deutlich reduziert und somit den nuklearen Abfall entschärft – ein sogenanntes beschleunigerbetriebenes System.
Ein wichtiger Bestandteil dieser Anlage ist ein Teilchenbeschleuniger, der Neutronen erzeugt. Damit Transmutation überhaupt stattfinden kann, werden schnelle Neutronen benötigt, die auf den hoch radioaktiven Abfall geschossen werden, um diesen zu spalten. Der Vorteil: In Transmutationsanlagen würde – anders als in Kernreaktoren, die zur Energiegewinnung eingesetzt werden – keine sich selbst erhaltende Kettenreaktion stattfinden, die im schlimmsten Fall einen nuklearen Unfall verursachen könnte. Der Nachteil: Energie ließe sich mit dieser Methode nicht gewinnen.
Transmutation im Reaktor
In den alten Brennstäben steckt jedoch noch jede Menge Energie, die durch Kernspaltung freigesetzt werden kann. Anwenden ließe sich diese zweite Option in reaktorbetriebenen Systemen – etwa in Leistungsreaktoren, auch als „schnelle Brüter“ bekannt. Diese Reaktoren schaffen es, die schnellen Neutronen, die bei jeder üblichen Kernspaltung entstehen, am Leben zu erhalten. Denn hier wird statt Wasser – wie es in den meisten zurzeit betriebenen Reaktoren der Fall ist – metallisches Natrium als Kühlmittel eingesetzt, das die Neutronen, wenn sie entstehen, nicht abbremst.
Mit den am „Leben gehaltenen“ schnellen Neutronen lässt sich auch in Brutreaktoren der Atommüll – also Plutonium und die Transurane Neptunium, Americium und Curium – umwandeln. Aber nicht nur das: Auch das stabile Isotop Uran-238, das ebenfalls in großen Mengen (~ 95 Prozent) als Abfall in den alten Brennstäben steckt, kann mit den schnellen Neutronen gespalten werden: und zwar in Plutonium, das durch weiteren Neutronenbeschuss transmutiert werden kann. Bei diesen Umwandlungsprozessen wird Energie freigesetzt, die der schnelle Brüter einfangen kann.
Der Atommüll aus den Brennstäben wird in Leistungsreaktoren, also unter Energiegewinnung, recycelt. Anders als in Transmutationsanlagen (beschleunigerbetriebenes System) kann in Leistungsreaktoren (reaktorbetriebenes System) allerdings eine sich selbst erhaltende Kettenreaktion entstehen, die einen Reaktorunfall zumindest theoretisch möglich macht.
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Deutschland wird Transmutation wohl nicht nutzen
Und es stimmt: Zwar konnten im Labor und in kleinen Demonstrationsanlagen alle wesentlichen Schritte einer Transmutation durchgeführt werden. Doch in der Praxis steckt die Technologie noch in den Kinderschuhen.
Versuche mit schnellen Brütern gibt es bereits
Ein erstes reaktorbetriebenes System gibt es bereits in Russland. Der BN-800, ein natriumgekühlter Leistungsreaktor (schneller Brüter) ist seit 2016 im Betrieb. Aktuell wird er aber zur Transmutation von Kernwaffen genutzt, nicht zur Transmutation von Atommüll – obwohl er dazu technisch in der Lage wäre.
Auch andere Länder setzen auf diese Technologie: Frankreich etwa plante mittelfristig (2025) den Bau eines schnellen natriumgekühlten Reaktorsystems. Der 600-Megawatt Reaktor ASTRID sollte unter anderem für Transmutationszwecke eingesetzt und in Marcoule gebaut werden. Laut Medienberichten hat die französische Nuklearbehörde CEA im September 2019 aber verkündet, das 900 Millionen Euro teure Projekt aufzugeben. Das japanische Kraftwerk Monju, ebenfalls ein natriumgekühlter schneller Brüter, wurde nach 250 Tagen Betrieb 2010 wegen zweier Unfälle wieder geschlossen. Beide Male waren Natriumbrände das Problem, denn das Kühlmittel ist in Kontakt mit Wasser und Luft leicht entflammbar.
Auch Flüssigsalzreaktoren, die als Kühlmittel flüssiges Salz verwenden, werden für den Einsatz der Transmutation erwähnt, sie befinden sich aber noch am Anfang ihrer Entwicklung.
Der Atomausstieg macht Transmutation in Deutschland kaum möglich
Reaktoren vom Typ „schneller Brüter“ sollen vor allem dazu dienen, aus dem Uran-238 im Atommüll Plutonium und somit frischen Brennstoff zu erzeugen. Auf diese Weise kann das Spaltprodukt in Ländern, die weiterhin auf Kernenergie setzen, in Reaktoren genutzt werden.
In Deutschland muss das recyclingfähige Uran-238 dagegen als vernachlässigbar Wärme entwickelnder Abfall endgelagert werden. Denn hier hat man sich dazu entschieden, 2021 aus der Atomkraft auszusteigen und keine neuen Reaktoren mehr zu bauen – was für den Einsatz von reaktorbetriebenen Systemen wie schnellen Brütern eine Grundvoraussetzung wäre.
Angesichts der politischen Entscheidung, aus der Nutzung der Kernenergie auszusteigen, kämen in Deutschland also nur Transmutationsanlagen infrage – mit denen sich ein kleiner Teil des Atommülls zwar nicht recyceln, aber immerhin entschärfen ließe.
Transmutationsanlagen sind noch nicht weit genug entwickelt
Der Knackpunkt: Große Transmutationsanlagen gibt es bislang nicht und viele Fragen, etwa zur Abtrennung der hoch radioaktiven Isotope, zur Brennstoffherstellung, zur Materialwahl und zur Neutronenerzeugung, müssen noch geklärt werden. Bis eine erste Anlage ihren Betrieb aufnimmt, dürften noch an die 20 Jahre vergehen, schätzen Experten.
Gerade entstehen zwei Demonstrationsanlagen – in Japan die Anlage J-Parc, in Belgien die Anlage MYRRHA. Bei beiden handelt es sich nicht um Transmutationsanlagen, sondern um Testanlagen für ein beschleunigerbetriebenes System, – was die Voraussetzung für den Bau einer Transmutationsanlage wäre. 2030 soll etwa der Beschleuniger MYRRHA betriebsbereit sein. Bis dahin wird das Projekt etwa 1,6 Milliarden Euro gekostet haben.
Neben Belgien machen diverse Partner bei MYRRHA mit: die Europäische Union, Frankreich, Italien, Spanien, aber auch Kasachstan und Japan. Auch Deutschland hatte sich an den Planungen beteiligt. Doch da man sich langfristig lieber auf die Suche nach einem sicheren Endlager konzentrieren möchte, ist die Beteiligung an derlei Forschungsvorhaben von deutscher Seite merkbar zurückgegangen.
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Und jetzt?
Ein Rückzug aus der Forschung ist keine Lösung
Aber: Auch mit Transmutation wäre ein Endlager für hoch radioaktive Abfälle nach wie vor notwendig. Denn die für die Transmutation geeigneten Spaltprodukte lassen sich nie zu 100 Prozent umwandeln. Außerdem gibt es eine beachtliche Menge an hoch radioaktivem Abfall, der bereits verglast ist und somit nicht mehr umgewandelt werden könnte. Auch für Abfälle, die nur schwach bis mittelradioaktiv sind, wäre ein Ort zur sicheren Verwahrung notwendig. Hinzu kommt, dass reaktorbetriebene Systeme während ihrer Laufzeit weitere schwach und mittelradioaktive Abfälle erzeugen würden.
Heißt: Um die Suche nach einem passenden Endlager werden sowohl Deutschland als auch andere Länder nicht herumkommen. Es stellt sich lediglich die Frage: Soll unser nuklearer Abfall ohne Behandlung für eine Million Jahre in ein – bisher nicht existentes – Endlager? Oder könnte ein Teil des Atommülls transmutiert werden – mit Technologien, die viel Geld kosten und in absehbarer Zeit nicht zur Verfügung stehen?
Unabhängig davon, wie die (politische) Entscheidung ausfällt, sollte sich Deutschland wenigstens an der Erforschung der Transmutation beteiligen. Denn bis die Einlagerung des Atommülls – laut Plan im Jahr 2075 – beginnt, ist auf dem Gebiet auch in Deutschland Forschungsexpertise gefragt. Auch neue Ideen, wie man langlebige radioaktive Spaltprodukte entschärfen kann, gilt es, weiter zu erforschen. Zum Beispiel mit laserbasierten Verfahren. Erste Experimente dazu gibt es bereits von Gérard Mourou und Donna Strickland, den Nobelpreisträgern aus dem Jahr 2018. Ob dieser Ansatz auch technisch machbar ist, bleibt zu prüfen.
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Sie behaupten, dass Pu 239 erst nach 24 000 Jahren zu stabilen Elementen zerfallen sei, die ncht mehr weiter strahlen. Ist das Ihr Ernst? Ich bin fassungslos. Wenn Sie wirklich bereits am Anfang derart gigantische Lücken in ihrem Fachwissen zeigen, ist es müßig weiter zu arbeiten. Stellen Sie diese Seite… Weiterlesen »
na sie sind ja ein ganz ein netter geselle.
Ja, und?
Woran entzündet sich ihr Widerspruch? Die Aussage ist absolut falsch und unfachmännisch.
Nun habe ich das gesagt. Und plötzlich bin ich der Dumme?
Hauptsache beschweren, aber bloß nicht gegen argumentieren. Die These war nicht „nach 24000 Jahren zu stabilen Elementen zerfallen sei, die nicht mehr strahlen“ lesen Sie bitte genau. Die These wie sie im Bericht steht ist absolut richtig, soweit ich das als Laie beurteilen kann. Wenn Sie antworten, dann bitte sachlich… Weiterlesen »
Nach mir zugänglichen Informationen hat Pu239 eine Halbwertszeit von ca. 24000 Jahren, daher weiß ich nun wirklich nicht worüber Herr Schuler so fassungslos ist
Bei den Quellen möchte ich noch auf den Bericht der damaligen DBEtechnology verweisen, die sich die Mühe gemacht haben, abzschätzen, was die Konsequenzen von P&T auf das deutsche Endlager wäre: https://www.bge-technology.de/fileadmin/user_upload/MEDIATHEK/f_e_berichte/P_T-Projekt_Auswirkungen-von-Partitionierung-und-Transmutation-auf-Endlagerkonzepte-und-Langzeitsicherheit-von-Endlagern.pdf tldr: Durch P&T würden etwa 50% des hochradioaktiven Abfallvolumens eingespart. Erkaufen würde man sich das durch eine nicht abschätzbar… Weiterlesen »
2013 wurde das Konzept des Dual Fluid Reaktors das erste mal vorgestellt, es ist zu erwarten, das es nicht in die Studie eingeflossen ist. Zumal diese Studie explizit annimmt, das man kein AKW zum Transmutieren nehmen darf. Der DFR würde (falls er funktioniert wie er soll) das ganze erheblich sauberer… Weiterlesen »
Während den Bürgern langsam klar wird, das EE ein teurer Irrweg ist der nicht funktioniert, forscht ein Team deutscher Wissenschaftler am Dual FLuid Reaktor, der tatsächlich die alten Brennstäbe transmutieren und in Energie verwandeln könnte.
Völlig CO2 frei.
Wer war denn der unwissende Redakteur ? U238 kann von schnellen Neutronen gespalten werden, das stimmt. Sogar mit 11% Wahrscheinlichkeit. Aber nicht in Plutonium. Plutonium ist ein Brutprodukt, oder genauer das Zerfallsprodukt nach einem Brutprozess von U238. Ausserdem muss man PU nicht transmutieren. Plutonium ist ein Spaltmaterial wie U235. Man… Weiterlesen »
Die Frage, warum es auf diesem Gebiet keine Forschung in Deutschland gibt, laesst sich ganz einfach beantworten: Weil das Thema durch Politik und Medien jahrzehntelang zum Tabu-Thema erklaert wurde und jeder, der sich fuer diese Technik einsetzen wollte, niedergeschrien wurde. Wir hatten in Deutschland einen Schnellen Brueter in Kalkar, mit… Weiterlesen »
Ich sag dazu nur Greenpeace, würde ja das ganze Gerüst von denen zusammenbrechen, lieber alles blockieren was mit Atommüll-Recyceln zu tun hat.