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Fischfang
Darum erfüllen Meeresschutzgebiete ihren Zweck nicht
Seit 2006 gibt es Meeresschutzgebiete in Nord- und Ostsee. Das Skurrile: Dort gibt es oft sogar mehr Fischerei. Von Artenschutz kann keine Rede sein – denn noch ist dort alles erlaubt.
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In Meeresschutzgebieten wird zu viel gefischt
Zerstörter Meeresboden, kranke magere Fische und immer noch volle Netze: Der Zustand unserer Meere ist weiterhin kritisch. Eigentlich wurden 727 Meeresschutzgebiete in Europa eingerichtet, um die Artenvielfalt zu bewahren. Doch das Gegenteil ist der Fall: Sie werden teilweise sogar stärker befischt als ungeschützte Regionen. In zwei Dritteln der Gebiete ist Fischerei mit Schleppnetzen noch erlaubt. Ein Verfahren, das aggressiv die Struktur des Meeresbodens zerstört – und viele Lebewesen einfängt, die eigentlich gar nicht gefischt werden sollten.
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Zahl der Rochen, Haie und Dorsche sinkt
Meeresschutzgebiete ziehen Fischer:innen magisch an. Dort hoffen sie auf höhere Fischbestände, die in kurzer Zeit Profit bringen. "Die Erfahrung mit großen marinen Meeresschutzgebieten zeigt, dass die Fischerei sehr gerne direkt an die Grenzen der Meeresschutzgebiete geht – es gibt schöne Bilder unter anderem von Galapagos, die zeigen, wie sich die Schiffe an den Grenzen der Meeresschutzgebiete drängeln. Und nun kann man sich natürlich denken, was passiert, wenn die Überwachung lasch oder nicht existent ist“, berichtet Thomas Brey vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI). Wenn Schutzgebiete funktionieren und sich die Fischbestände dort tatsächlich erholen, kann das für Fischer große Vorteile haben. "Einige erwirtschaften einen 20 bis 30 Prozent höheren Ertrag als anderswo“, berichtet Gerd Kraus, Institutsleiter des Thünen-Institut für Seefischerei.
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Fischpopulationen brauchen Jahrzehnte, um sich zu erholen
Die Folgen zeigt eine Studie, die im November 2018 im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde. Forschende um Manuel Dureuil beobachteten, dass die Zahl der Haie und Rochen in Schutzzonen um bis zu 69 Prozent zurückging. "Je nach Fischart und Population sowie Grad der Überfischung kann es mehrere Jahrzehnte dauern, bis sich Bestände nach Einschränkung oder Verbot der Fischerei wieder erholt haben. Einzelne Arten mit schnellen Wachstums- und Reproduktionsraten können bereits innerhalb weniger Jahre auf Schutzanstrengungen reagieren“, sagt Sebastian Ferse, Meeresbiologe an der Uni Bremen.
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Kein Aber!
Das Problem ist nicht neu. Doch im Bereich des Fischereimanagements hat sich in den vergangenen Jahren nicht viel getan. Interessenkonflikte haben dafür gesorgt, dass in einigen Schutzgebieten noch immer alles erlaubt ist. "In den Schutzzonen in Nord- und Ostsee gibt es bisher keine Verbote. Alles ist erlaubt, genauso wie vorher“, beschreibt Kraus vom Thünen-Institut. Seit 2006, als die Gebiete errichtet wurden, hat das Fischereimanagement lediglich analysiert, geforscht und beobachtet.
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Fachleute fordern Verbot aggressiver Fangmethoden in den Schutzzonen
Auf nationaler Ebene gibt es endlich einen Maßnahmenkatalog, der nun nur noch auf EU-Ebene beschlossen werden muss. "Wir hoffen, dass sich im nächsten Jahr endlich etwas tut – und die Gebiete dann auch aktiv geschützt werden“, sagt Dr. Gerd Kraus. "Eine Kernaussage der Studie ist für mich, dass sich Schutzgebiete stark in ihrer Schutzwirkung unterscheiden. Diese Unterschiede können die Grundlage für eine Verbesserung des Meeresmanagements liefern, indem gezeigt wird, welche Art von Schutzgebieten wirkungsvoll für Fische sind und welche nicht“, so Meeresbiologe Sebastian Ferse. Vielleicht könnten hier im Jahr 2019 die ersten Maßnahmen ergriffen werden. Damit die Gebiete ihren Namen auch endlich verdienen.