Artikel Kopfzeile:
Gesundheitsrisiko
Das passiert mit Tattoo-Farbe im Körper
Einmal unter der Haut, kann sie Infektionen und Allergien auslösen. Im schlimmsten Fall enthält Tattoo-Farbe sogar krebserregende Stoffe. Lässt sich das vermeiden?
iframe embed
Sprungmarken des Artikels:
Artikel Abschnitt: Woraus besteht Tattoo-Farbe?
Woraus besteht Tattoo-Farbe?
Man unterscheidet zwischen organischen Pigmenten, also bunten sogenannten Azofarbstoffen und anorganischen Pigmenten, die schwarz sind oder wie Titandioxid weiß. Die farbigen Pigmente stammen meist aus der chemischen Großindustrie und sind nicht eigens für Tattoos hergestellt, sondern etwa für Autolacke oder Druckerpatronen vorgesehen. Die schwarze, anorganische Farbe wird meist aus Eisenoxiden oder Ruß hergestellt.
Unkontrollierte verunreinigte Pigmente
Immer wieder haben Forschende in den letzten Jahren potenziell gefährliche oder giftige Inhaltsstoffe in Tätowierfarben nachgewiesen – beispielsweise Verunreinigungen mit Schwermetallen wie Arsen, Nickel oder Kobalt. Bei Untersuchungen in der Schweiz wurden in 14 Prozent der Farben verbotene Konservierungsstoffe identifiziert.
Wissenschaftler und Behörden sind zudem auf Nanopartikel gestoßen, deren Wirkung im menschlichen Körper sich nur schwer vorhersagen lässt. Auch Krankheitserreger wie Bakterien und Viren wurden in Einzelfällen schon gefunden. Schädlich sind außerdem möglicherweise instabile Farben, denen der chemische Zerfall droht: Bestimmte rote oder gelbe Pigmente können zu Spaltprodukten reagieren, die wiederum sogar krebserregend sein können.
Nicht jede Tattoo-Farbe enthält diese potenziell schädlichen Stoffe. Weil aber im Vorhinein nicht geprüft wird, kann man es eben auch nicht ausschließen.
Artikel Abschnitt: Sind Tattoo-Farben geprüft und zugelassen?
Sind Tattoo-Farben geprüft und zugelassen?
Tattoo-Farben unterliegen der Tätowiermittel-Verordnung
Farbstoffe für Tätowierungen passen weder in die Kosmetik- noch in die Arzneimittelverordnung. Seit 2009 gibt es deshalb eine Tätowiermittel-Verordnung. Sie schreibt vor, dass Tattoo-Farbe keine schädlichen Substanzen enthalten darf, und listet 36 verbotene Stoffe auf, die nicht für Tätowierungen verwendet werden dürfen. Zusätzlich gibt es ab 2022 eine EU-Verordnung, die den Einsatz von 4000 Substanzen streng limitiert. Diese Verordnung und ihre Entstehung sind allerdings sehr umstritten.
"Das Verbot ist für einige Farbpigmente, wie die krebserregenden Substanzen, sinnvoll und nötig", sagt Tattoo-Forscher Bäumler. "Doch für viele Farbpigmente gibt es schlichtweg keine Datengrundlage. Die Verbotsliste der Kosmetikindustrie wurde einfach rüber in die Tattooindustrie kopiert, obwohl die wissenschaftliche Evidenz fehlt."
Weitere Angaben zum Artikel:
Daher gilt seit dem 4. Januar 2022 eine neue REACH-Verordnung (REACH steht für Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals), die vorschreibt, dass nur noch sehr geringe Mengen an bestimmten Mitteln in den Tattoo-Farben enthalten sein dürfen. Was dazu führt, dass fast alle gängigen Farben nicht mehr genutzt werden können.
Artikel Abschnitt:
Kaum Alternativen vorhanden
"Für diese beiden Pigmente gibt es nur sehr wenige Alternativen", sagt Bäumler. Viele Tätowierer wichen auf das Pigment "Blau 61" aus, das zwar REACH-konform ist, aber in Verdacht steht, Krebs auszulösen. Bäumler und weitere Forschende haben mehrere offene Briefe verfasst, in denen sie eine Überarbeitung der Verordnung fordern.
Die neue Verordnung hat den Markt der Tattoo-Farben aufgemischt. Große Firmen, die den europäischen Markt jahrzehntelang beliefert haben, haben sich zurückgezogen. Stattdessen sind neue Unternehmen aufgetaucht, die nach eigenen Angaben REACH-konforme Farben anbieten. Trotzdem gibt es aktuell nicht die Bandbreite an Farben wie vor der Verordnung und sie sind teils deutlich teurer.
Neue Farben müssen nicht zugelassen werden
Die Verantwortung für die Sicherheit der Farben liegt weiterhin beim Hersteller. Das heißt: Tätowier-Mittel müssen in Deutschland nicht zugelassen werden, sondern dürfen ohne offizielle Prüfung in Studios verwendet werden.
Die einzigen Kontrollen finden stichprobenartig statt, meist von der amtlichen Überwachung der Bundesländer. In den Jahren 2007, 2013 und 2017 gab es größere Untersuchungen von Tattoo-Farben auf Schwermetalle, Konservierungsstoffe und Keimbelastung.
Bei der Untersuchung 2017 wurden 109 Tätowiermittel untersucht, davon wurden bei 4,6 Prozent Keime gefunden. Sicherlich sind heute Farbstoffe im Umlauf, die noch nie offiziell auf Schadstoffe überprüft worden sind. Ob die neuen Farben wirklich sicherer sind: Tattoo-Forscherin Dr. Milena Förster sagt: Das könne man noch nicht sagen.
Artikel Abschnitt: Wie verteilt sich Tattoo-Farbe im Körper?
Wie verteilt sich Tattoo-Farbe im Körper?
Tattoo-Farbe verteilt sich im ganzen Körper
Die Tattoo-Farbe bleibt aber nicht vollständig in der ledrigen Hautschicht, sondern verteilt sich im ganzen Körper. Nachdem die Farbe eingestochen wurde, reagiert die Haut mit einer Entzündungsreaktion.
Das Immunsystem erkennt die Farbstoffe als Fremdkörper: Die Abwehrzellen (auch Fresszellen oder Makrophagen genannt) umschließen die Pigmente der Tattoo-Farbe unter der Haut – wenn sie sterben, werden die Pigmente wieder freigesetzt und eine neue Abwehrzelle frisst das Pigment. So bleibt das Bild unter der Haut. Auch andere Immunzellen sind an diesem Prozess beteiligt. So bringen dendritische Zellen die Pigmente über die Blutbahnen zu den Lymphgefäßen.
Lymphknoten verändern ihre Farbe
Die Lymphknoten sitzen beispielsweise unter den Achselhöhlen oder in der Leiste. Sie werden oft zur zweiten Heimat der Tätowierfarbe. Kurz nach dem Tätowieren schwellen die Lymphknoten in der Nähe des Tattoos an, nach wenigen Tagen schwellen sie wieder ab. Aber die Farbe bleibt dort.
Lymphknoten in der Nähe grüner Tattoos werden grün, in der Nähe roter Tattoos rot und bei schwarzen Tattoos schwarz. 2025 wurde eine Studie an Mäusen veröffentlicht, die zwei Monate nach der Tätowierung noch Entzündungsreaktionen gezeigt hat. Aber ob das beim Menschen genau so ist, ist noch nicht klar.
"Man weiß über ein Tierexperiment, dass ein Drittel der Farbe, die in die Haut eingebracht wird, aus der Haut abtransportiert wird", sagt Wolfgang Bäumler, Professor für Dermatologie und Tattoo-Foorscher an der Universität Regensburg.
Er geht davon aus, dass am Lebensende etwa 80 Prozent der Farbe aus dem Tattoo verschwunden sind. Aber wo sie sich sonst noch ablagert, ist nicht sicher. In zwei kleine Studien an Mäusen wurden Tattoopigmente in der Leber gefunden.
Wie verändert Sonnenlicht Tattoos?
UV-Licht zerstört die Farbpigmente und kann Schwellungen, Juckreiz, Stechen, Schmerzen und Hautrötungen auslösen. Ist das Tattoo häufig der prallen Sonne ausgesetzt, verbleicht es.
Forschende beschäftigen sich vor allem mit der Frage, ob durch Sonnenlicht oder Stoffwechselprozesse krebserregende Substanzen aus der Tätowierfarbe freigesetzt werden können. Da das noch nicht ausreichend erforscht ist, raten sie dazu, Tattoos vor Sonne zu schützen.
Artikel Abschnitt: Wie schädlich sind Tattoo-Farben für die Gesundheit?
Wie schädlich sind Tattoo-Farben für die Gesundheit?
Hartnäckigere Konsequenzen wie Infektionen oder Allergien sind seltener. Beispielsweise können Farbstoffe mit Nickel bei Menschen mit einer Nickelallergie zu schweren Hautreaktionen führen.
Langfristige Folgen der Tattoo-Farbe sind unklar
Was Tätowierfarbe langfristig im Körper anrichtet, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Klar ist: Tätowiermittel können Stoffe enthalten, die sich zu krebsauslösenden Stoffen verändern könnten. Doch das heißt nicht zwangsläufig, dass durch die Farben Krebs entsteht.
Bisher fehlen noch toxikologische Daten darüber, ob die Farbmittel erbgutverändernd, krebserzeugend oder fruchtbarkeitsschädigend wirken. "Es ist denkbar, dass die Pigmente in alle Organe kommen, die mit dem Lymphsystem oder dem Blutgefäßsystem in Verbindung stehen", sagt Tattoo-Forscher Wolfgang Bäumler.
In einer Studie von 2025 des Bundesinstituts für Risikobewertung kam heraus, dass nur circa ein Fünftel der benutzten Farbe im Körper bleibt. Ein Teil wird beim Tätowieren abgewischt, einiges wird während der Heilung über die Haut abgegeben und auch über den Urin gelangt Farbe aus dem Körper.
Studien zum Krebsrisiko laufen noch
Allerdings gibt es seit Mitte 2024 Studien aus Schweden, den USA, Canada und Dänemark, in denen teilweise ein Zusammenhang zwischen Lymphdrüsen- oder Hautkrebs gezeigt werden konnte. Aber ob dafür wirklich die Tattoofarbe verantwortlich war oder der Krebs zufällig in tätowierten Personen entstanden ist, konnte nicht bewiesen werden.
Momentan läuft eine groß angelegte Studie der Welltgesundheitsorganisation, die erstmals verlässliche Ergebnisse zu den gesundheitlichen Effekten von Tattoo-Farben liefern soll. Mit den Ergebnissen rechnet die Epitdemiologin Dr. Milena Förster, die die Studie leitet frühestens 2028 bis 2035.
"Von den Daten, die wir bislang haben, können wir nicht rückschließen, dass jetzt ein erhöhtes Lymphomrisiko besteht. Ich kann es aber auch nicht ausschließen natürlich. Wenn man das vergleicht mit zum Beispiel Rauchen, Trinken, ungesunder Ernährung – den ganzen großen Krebsrisikofaktoren, die wir heute kennen – ist es unwahrscheinlich, dass – sollte es einen Effekt geben – der in der gleichen Größenordnung wäre."
Artikel Abschnitt: Gibt es Tattoo-Farben, die unbedenklich sind?
Gibt es Tattoo-Farben, die unbedenklich sind?
Wer tätowiert, ist dazu verpflichtet, die Inhaltsstoffe der Tattoo-Tinte transparent anzugeben. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, die Liste sorgfältig zu lesen, bevor man sich die Farbe unter die Haut stechen lässt. So können Menschen mit Allergien zum Beispiel schmerzhafte Reizungen durch Nickel vermeiden.
Liste mit Inhaltsstoffen von Tattoo-Tinte
Eine Liste mit Inhaltsstoffen, für die derzeit ein Gesundheitsrisiko bekannt ist, ist in der Tätowiermittel-Verordnung zu finden. Außerdem werden Tattoo-Farben, die gesundheitlich bedenkliche Stoffe enthalten, im europäischen Schnellwarnsystem RAPEX gemeldet. Dort kann leicht überprüft werden, ob die vorgesehene Tätowierfarbe gemeldet wurde.
Eine Positivliste von Substanzen, die für Tätowierfarben sicher und gesetzlich zugelassen sind, existiert in Deutschland nicht. Dafür sind die wissenschaftlichen Daten nicht aussagekräftig genug.
Artikel Abschnitt: Ist es empfehlenswert, Tattoos entfernen zu lassen?
Ist es empfehlenswert, Tattoos entfernen zu lassen?
Tattoo-Entfernung nicht risikolos
Bisher existiert keine risikofreie Methode, um ein Tattoo vollständig und spurlos aus der Haut zu entfernen. Deutlich verblassen kann es aber durch eine Lasertherapie, bei der die Pigmente mit Lichtenergie zu Bruchstücken zerschossen werden. Dunkle Farben sprechen darauf besser an als helle.
Für die Behandlung sind mehrere Sitzungen bei einem Hautarzt notwendig – wie viele genau, hängt von der Größe und Komplexität des Tattoos ab. Zwischen den Terminen liegen vier Wochen, damit die Haut sich in der Zwischenzeit erholen kann.
Wenn das Tattoo aus ästhetischen Gründen entfernt wird, muss der Patient die Kosten selbst tragen – pro Sitzung mindestens 60 Euro. Die Lasergeräte zur Tattooentfernung dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten mit einer Zusatzqualifikation bedient werden. Anlaufstellen in der Umgebung sind über die Website der Deutschen Dermatologischen Lasergesellschaft zu finden.
Über den/die AutorIn:
Über den/die AutorIn:
Quellenangaben zum Artikel:
Social Sharing:
Artikel Überschrift:
Diese EU Verordnung war schon seit vielen Jahren angekündigt. Und was passiert? Nix. Anstatt dass man sich als Tättowierer darum bemüht, dass der Handel unbedenkliche Farben zur Verfügung stellt, wartet man ab und jammert dann. Es kann doch nicht die Lösung sein, weiter gesundheitsschädliche Farben zu verwenden.
Liebe Frau Reske, es sollte auch in Ihrem Interesse wichtig sein, journalistisch sauber zu arbeiten. Bei alten Texten ist es manchmal besser, sie für immer ruhen zu lassen und das Thema neu zu erarbeiten. Gerade wenn der Markt sich wie hier in den letzten Jahren stark verändert hat. Der letzte… Weiterlesen »
Vielen Dank für den Hinweis. Wir werden den Text an dieser Stelle überarbeiten.
Da schreibt doch einer vom anderen (falsch) ab! Es heißt BundesINSTITUT für Risikobewertung!
Wenn der Name schon falsch recherchiert wurde, was wohl noch…?!
Danke für den Hinweis. Wir haben das in diesem Artikel geändert und werden ähnliche Fehler an anderer Stelle in den nächsten Tagen korrigieren.
Ich kann nicht akzeptieren, dass die Entscheidung für farbige Stoffe unter der Haut (oder im Körper) nicht bei jedem selbst liegen soll. Ich kann mich schliesslich auch aus freien Stücken dazu entscheiden zu Rauchen. Und wir wissen alle, was wir da inhalieren…. Ich kann jedem Schrott essen. Auch hier kennen… Weiterlesen »
Z. B. weil die Allgemeinheit über die Kosten des Gesundheitswesens daran beteiligt wird, die Folgeschäden zu beseitigen? Aber nein, im Ernst. Zigaretten gehören genauso verboten wie schädliche, gesundheitsgefährdende Inhaltsstoffe in Kosmetika und Lebensmitteln. Dass die Raucherlobby das bisher verhindert, ist kein Grund, es in anderen Bereichen genauso zu tun
Wie besorgt doch die EU um unsere Gesundheit ist. Anstatt Glyphosat zu verbieten oder rechtzeitig Impfseren ,bzw. Medikamente gg. Corona zu ordern, werden Gelder für überflüssige Untersuchungen vergeudet. Seit tausenden von Jahren (Ötzi) tätowiert der Mensch, allerdings überwiegend schwarz, ohne bekannte Nebenwirkungen. Dank an Quarks für den interessanten Artikel. Übrigens:… Weiterlesen »