Artikel Kopfzeile:
Psychische Krankheit
Darum sind Depressionen keine Einbildung
Depressionen sind für Außenstehende oft schwer zu verstehen. Doch sie sind mehr als nur ein diffuses Gefühl. Wissenschaftler:innen gehen davon aus, dass bei depressiven Menschen bestimmte Abläufe im Gehirn nicht richtig funktionieren.
Sprungmarken des Artikels:
Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Depressionen sind mehr als ein diffuses Gefühl
Das Gehirn kann Gefühle nicht mehr richtig verarbeiten
Tatsächlich sind Depressionen aber nicht ganz so diffus und unerklärlich, wie viele annehmen. In vielen Fällen haben sie wahrscheinlich einen organischen Hintergrund. Dabei handelt es sich vermutlich nicht um eine einzige Ursache, sondern um verschiedene Prozesse, die dazu führen, dass das Gehirn Gefühle nicht mehr richtig verarbeiten kann.
Auslöser können sowohl eine genetische Veranlagung als auch traumatische Erfahrungen, chronischer Stress oder andere gesundheitliche Faktoren sein. Was bei einer Depression im Gehirn ganz genau passiert, ist noch nicht restlos geklärt, es gibt aber verschiedene Erklärungsansätze.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Depressionen können organische Gründe haben
So funktioniert die Kommunikation im Gehirn
Um zu verstehen, was das alles genau bedeutet, ein kurzer Ausflug in die Kommunikationsweise des Gehirns: Die Nerven im Gehirn bestehen aus einem Zellkörper, einem Axon und den synaptischen Endknöpfchen. Man kann sich das wie ein kleines Bäumchen vorstellen. Die Endknöpfchen sind dabei die Wurzeln in der Erde, das Axon ist der Stamm und der Zellkörper ist die Baumkrone.
Nervenzellen sind spezialisiert auf das Austauschen von Informationen. Sie kommunizieren sowohl über elektrische als auch über chemische Signale. Wenn eine Nervenzelle aktiviert wird, leitet sie ein elektrisches Signal durch ihr Axon. In den synaptischen Endknöpfchen angekommen, löst die Spannung die Freisetzung von chemischen Stoffen aus: die Neurotransmitter. Mit den Neurotransmittern kann der Zwischenraum zur nächsten Zelle überbrückt werden. Eine Nervenzelle kann so mit der anderen kommunizieren.
Die gegenüberliegenden Enden der beiden Nerven werden zusammen mit ihrem Zwischenraum als Synapse bezeichnet. Wenn die Konzentration der Neurotransmitter im synaptischen Spalt (das ist der Zwischenraum) steigt, beginnen die Botenstoffe an den Rezeptoren an den Außenwänden der Zelle zu binden. Das kann sowohl eine aktivierende als auch eine hemmende Wirkung haben. Im Fall einer Aktivierung wird das Signal weitergeleitet, bei einer hemmenden Wirkung wird es unterdrückt.
Funktioniert die Kommunikation nicht richtig, kann es zur Depression kommen
Normalerweise laufen diese Vorgänge an den Synapsen so ab, dass Gefühle, Gedanken und Bewegungen einwandfrei im Gehirn weitergeleitet werden können. Wenn aber Teile des komplexen Systems aus dem Ruder laufen, kann das laut der Monoaminmangel-Hypothese zur Entstehung von Depressionen beitragen. Zum Beispiel wenn die Rezeptoren an den Außenwänden der Nervenzellen nicht richtig funktionieren und die Transmitter zu schnell wieder ins Zellinnere gepumpt werden. Oder wenn es bereits Probleme bei der Herstellung der Botenstoffe im Inneren der Nervenzelle gibt oder wenn die Nervenzellen überempfindlich oder resistent gegenüber den Botenstoffen sind.
Der Name Monoaminmangel-Hypothese bezieht sich konkret darauf, dass an bestimmten Synapsen nicht genügend Botenstoffe vorhanden sind, um eine reibungslose Weiterleitung von Informationen zu gewährleisten. Das kann genetische Ursachen haben, muss es aber nicht.
Die Symptome der Betroffenen unterscheiden sich
Zusätzlich komplex wird es, weil es nicht nur einen, sondern viele verschiedene Botenstoffe gibt. Besonders bekannt sind Serotonin und Noradrenalin. Die Symptome der Betroffenen unterscheiden sich abhängig davon, welche Signalkette gestört ist. Darauf aufbauend werden Depressionen mit verschiedenen Antidepressiva behandelt. Die Medikamente zielen meistens darauf ab, die Konzentration der Botenstoffe im synaptischen Spalt zu erhöhen und dadurch die Kommunikation zwischen den Nerven wieder auf die Bahn zu bringen. Zum Beispiel, indem die Rückaufnahme von Serotonin in die synaptischen Endknöpfchen unterdrückt wird.
Es gibt Zweifel an der Hypothese
Es gibt viele Menschen, bei denen die Behandlung mit Antidepressiva auch nach mehreren Versuchen nicht anschlägt. Sie werden als “behandlungsresistent” bezeichnet. Auch wegen dieser Patient:innen werden immer wieder Zweifel an der Monoaminmangel-Hypothese laut. Klar ist, dass dieser Erklärungsansatz alleine nicht ausreicht, um die Entstehung von Depressionen zu erklären.
Die Regenerationsfähigkeit des Gehirns könnte eingeschränkt sein
Andere Erklärungsansätze fokussieren sich deshalb auf die Interaktion zwischen dem Gehirn und dem generellen Gesundheitszustand eines Menschen.
Studien haben gezeigt, dass ein bestimmter Hirnbereich, der Hippocampus, bei manchen Menschen mit Depression unterdurchschnittlich klein ist. Das hat zu der Hypothese geführt, dass bei Depressiven das Nervenwachstum eingeschränkt sein könnte. Dadurch würde dann auch die Zahl der Synapsen sinken.
Chronischer Stress kann ein Auslöser für Depressionen sein
Menschen, die Depressionen haben, haben oft erhöhte Cortisol-Level. In Tierstudien und bei Menschen wurde außerdem gezeigt, dass der Rückkopplungsmechanismus, über den Stressreaktionen im Körper runterreguliert werden, nach traumatischen Erfahrungen teilweise nicht mehr richtig funktioniert. Das führt zu einer dauerhaften Ausschüttung von Stresshormonen, was wiederum das Nervenwachstum im Gehirn hemmt. So könnte man erklären, wie langfristiger Stress oder Traumata zu Depressionen beitragen.
Antidepressiva wirken meist verzögert
Für diese Theorie spricht, dass Antidepressiva sich positiv auf die Regulierung der Stressreaktion im Körper auswirken und das Nervenwachstum ankurbeln. Eine Erklärung, die zu der üblicherweise verzögerten Wirkung von Antidepressiva passt. Denn obwohl die Medikamente die Verfügbarkeit der Botenstoffe im synaptischen Spalt innerhalb weniger Stunden oder Tage erhöhen, spüren die Betroffenen die positive Wirkung erst nach drei oder vier Wochen.
Gegen die Theorie spricht, dass es bei den meisten Patient:innen mit Depressionen keine Anzeichen für eine Überaktivierung der Stressreaktion gibt. Ebenso schwierig ist es jedoch, einen konkreten, stichfesten Beleg für die Monoaminmangel-Hypothese zu finden.
Entzündungen im Körper führen zu Entzündungen im Gehirn
Das Immunsystem könnte ebenfalls im Zusammenhang mit Depressionen stehen. In Tierstudien wurde gezeigt, dass chronische Entzündungen im Körper sich auf das Gehirn übertragen können. Dort gibt es spezielle Immunzellen, die Microglia. Chronisch erhöhte Entzündungsfaktoren können die Microglia-Zellen überaktivieren. Über komplexe Signalketten und viele Zwischenschritte kann das ebenfalls zum Absterben von Nervenzellen führen.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Was Depressionen konkret auslöst, ist noch nicht sicher
Sehr wahrscheinlich gibt es auch nicht den einen Auslöser, sondern eine ganze Reihe von Faktoren, die in ihrem Zusammenspiel zu Depressionen führen. Die Kombination kann dabei individuell verschieden sein. Ebenfalls sehr wahrscheinlich spielen neben den neurobiologischen Faktoren auch andere Aspekte eine Rolle. So gibt es Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Schilddrüsenfehlfunktionen und Depressionen sowie zwischen Herzkrankheit und Depressionen.
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Weitere Forschung ist notwendig
Studien, in denen die grundlegenden Mechanismen im Gehirn untersucht werden, finden meistens an Ratten und Mäusen statt. Über die Gabe bestimmter Medikamente und die Analyse der Wirkung bei Menschen kann man nur indirekt auf die Prozesse im Gehirn zurückschließen. Das Wissen zur veränderten Gehirnanatomie von Depressiven stammt darum in den meisten Fällen aus der Untersuchung von Toten.
Die Hoffnung ist, dass der wissenschaftliche Fortschritt neue Fenster in das Gehirn von lebendigen Menschen öffnet. Bis es so weit ist, bleiben den Betroffenen nur eine Therapie und die heute verfügbaren Antidepressiva. Die gute Nachricht ist aber: Mit den verfügbaren Behandlungsmethoden kann auch heute schon den meisten Betroffenen geholfen werden.
Über den/die AutorIn:
hi, mein Hauptproblem war der Hausarzt Hinweis -> such dir einen Therapeuten der Krankenkassen Hinweis -> such dir einen Therapeuten der Freundes, Bekannten, und sonstige Ansprechparter Hinweis -> such dir einen Therapeuten gute Idee,<ironie off > ich mag nicht mit Menschen reden, nicht aus dem Haus gehen, alles ist doof,… Weiterlesen »
Es gibt kein „Psychopharmaka-Mangel-Syndrom“! Das Problem ist in der Regel auch kein genetisches. Das häufigste Problem, was ich in meiner allgemeinmedizinischen Praxis sehe, sind Defizite (und zwar z.T. eklatante), die bei den allermeisten Patienten mit psychischen Störungen, auch Depressionen, nicht diagnostiziert wurden, weil sie die „normale“ Schulmedizin nicht erkennt oder… Weiterlesen »
Ich bin, so hat man es vor, ca zwei Jahren festgestellt( meine Frau hat es als erstes vermutet). Vorher wurde ich seit ca 15 Jahren nur auf Depressionen behandelt. Das Medikament hatte jedoch ziemlich einschränkende Nebenwirkungen für mich. Ich hatte im sexuellen Bereich starke Einschränkungen( nicht unbedingt Erektionsstörungen, sondern stark… Weiterlesen »
Mich interessiert vor allen Dingen die Psychosomatik bei der Auslösung. Dinge die wir erleben setzen psychische Reaktionen (=biochemische Reaktionen) in Gang, die sich somatisch auswirken. Nicht eine Krankheit, die besteht ist Auslöser, sondern ein Erlebnis, das dem vorausgeht führt zu interagierenden Kettenreaktionen im Biosystem. Beispiel — gaaanz „dumm“ gefragt: Was… Weiterlesen »
Dass unsere Art von Kultur insgesamt Depressionen psychomanipulierend fördert liegt für mich nahe. Wettbewerb fördert das „Geschäft“ auch des Sensenmannes (siehe Neurosen, die so gut sprießen wie richtige Rosen inkl. deren Stacheln). Über den Tellerrand schauen lohnt manchmal um Kern-Ursachen herauszuarbeiten. Wie steht es denn mit Depressionen in exotischen Kulturen?… Weiterlesen »
Ich glaube folgendes. Das Gehirn muss viele Prozesse regeln, ohne hoeere Intelligenz, Wie schaft das Gehirn das. Regel 1 : Alle Zustaende die oft oder langzeitig da sind, sind offenbar in Ordnung und werden akzeptiert / gefoerdert. Dass heisst auch falsche Zustaende , die lang andauern, wie Depression oder Cfs… Weiterlesen »
Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Viele Medikamente haben mir eine Zeit lang (bis zu mehreren Jahren) geholfen, doch dann kam die Depression immer zurück. Ich denke auch, dass mein Körper die Depression als Normalzustand ansieht und sich ständig anstrengt, diesen wieder herzustellen. Mittlerweile habe ich eine Kombination von 5… Weiterlesen »
5 Medikamente gleichzeitig?? Welche denn wenn ich fragen darf? Seit 30 Jahren in welchem Alter hat das ganze denn angefangen?