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Geschlechtergerechte Sprache
Was Gendern bringt – und was nicht
Ob und wie wir gendern sollen, wird von vielen ziemlich emotional diskutiert. Nur fehlen oft: die wissenschaftlichen Fakten. Ein Versuch, das zu ändern.
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Inhalt
- Darum geht's: Unsere Sprache erzeugt die falschen Bilder im Kopf
- Darum müssen wir drüber sprechen: Gendern kann deutliche Effekte haben
- Aber: Gendern verändert Sprache, was erst mal auch Nachteile bringen kann
- Und jetzt? Wie wir gendern, muss sich von alleine finden
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wird überarbeitet, da es neue Forschungsergebnisse gibt – unter anderem zum Genderstern.
- Darum geht's: Unsere Sprache erzeugt die falschen Bilder im Kopf
- Darum müssen wir drüber sprechen: Gendern kann deutliche Effekte haben
- Aber: Gendern verändert Sprache, was erst mal auch Nachteile bringen kann
- Und jetzt? Wie wir gendern, muss sich von alleine finden
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wird überarbeitet, da es neue Forschungsergebnisse gibt – unter anderem zum Genderstern.
Artikel Abschnitt:
Artikel Abschnitt: Darum geht's:
Darum geht's:
Unsere Sprache erzeugt die falschen Bilder im Kopf
Weitere Angaben zum Artikel:
Das generische Maskulinum
Beim generischen Maskulinum ist das anders: Es ist eine grammatisch männliche Bezeichnung, hat mit dem biologischen Geschlecht aber laut Definition nichts zu tun. “Die Erzieher” bezieht sich also auf eine Gruppe von Menschen, die den Beruf Erzieher ausüben – über deren Geschlecht aber sagt der Begriff nichts aus.
Artikel Abschnitt:
Was die Analyse alter Texte aber zeigt: Schon im Mittelalter gab es Phasen, in denen beide Geschlechter auf Schriftstücken explizit erwähnt wurden – zum Beispiel “Koufeler und Koufelerin” für Händler und Händlerin. Und auch damals gab es immerhin schon Diskussionen darüber, ob die männliche Form wirklich auch für die weibliche stehen kann. So empfiehlt etwa der Schriftsteller Johann Christoph Gottsched 1748 in seiner “Grundlegung der deutschen Sprachkunst”: Man solle immer dann Bezeichnungen wie “Oberstinn”, “Hauptmännin” oder “Doctorin” nutzen, wenn Frauen diese Funktion ausüben.
Artikel Abschnitt:
Männliche Bilder im Kopf
Soweit die Theorie. Jetzt ist die Kritik am generischen Maskulinum: Grammatisch mag es per Definition für alle gelten. Und es mag sein, dass sich auch Frauen davon angesprochen fühlen. Einige psycholinguistische Studien zeigen aber: Bei Sätzen, die im generischen Maskulinum formuliert sind, stellen sich die meisten Menschen vor allem Männer vor.
Fragt man etwa Versuchspersonen nach berühmten Musikern oder Schriftstellern, nennen sie signifikant mehr Männer, als wenn nach “Musikerinnen und Musikern” gefragt wird. Ähnliches zeigt sich, wenn politische Kandidaten für das Amt des Bundeskanzlers genannt werden sollen. Noch handfestere Ergebnisse liefern Studien, die mit Reaktionszeit-Messungen arbeiten. Versuchspersonen bekamen dafür verschiedene Satzkombinationen präsentiert, zum Beispiel:
“Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof.”
“Wegen der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke.”
Die Frage war dann: Ist der zweite Satz eine sinnvolle Fortsetzung des ersten, ja oder nein? Gemessen wurde die Zeit, bis die Leute “ja” drückten. Über diese Reaktionszeit versuchen Forschende indirekt herauszufinden, wie gut Sprache und die Bilder, die dabei im Kopf entstehen, zusammenpassen.
Das Ergebnis: Die Reaktionszeit war immer dann länger, wenn im zweiten Satz Frauen vorkamen. Die weiblichen Sätze scheinen also irgendwie zu irritieren. So ist das Resümee dieser Studie: Das generische Maskulinum scheint eher Bilder von Männern im Kopf zu erzeugen.
Ist das generische Maskulinum nicht generisch?
Dieser Male-Bias – also dass Wörter im generischen Maskulinum eher männliche Bilder im Kopf erzeugen – scheint nicht nur für Berufe, die stereotyp männlich besetzt sind zu gelten, wie etwa Physiker. Selbst bei stereotyp weiblich besetzten Berufen wie Kosmetiker, Kassierer oder Tänzer denken Leute in Experimenten eher an Männer.
Das Fazit, zumindest aus diesen Studien, lautet deshalb: Das generische Maskulinum ist nicht generisch, es erzeugt vor allem männliche Bilder im Kopf. Und somit, so die Kritik, stellt es die Welt nicht so divers dar, wie sie heute ist. Seit den 1970er -Jahren gibt es deshalb Diskussionen darüber, dass die Sprache geschlechtergerechter werden muss.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Gendern kann deutliche Effekte haben
Weitere Angaben zum Artikel:
Formen des Genderns
Neutralisierung: Männliche Formen werden durch geschlechtsneutrale Formen (Lehrkraft) oder eine Substantivierung (Lehrende) ersetzt. Da es nicht für alle männlichen Formen ein neutrales Pendant gibt, müssen manchmal Umschreibungen genutzt werden (Politiker wird zu Mensch in der Politik).
Gender-Zeichen: Zwischen männlicher Form und weiblicher Endung wird ein Sternchen, Unterstrich oder Doppelpunkt ergänzt (Lehrer*innen, Lehrer_innen, Lehrer:innen). Sie sind ein Platzhalter für alle, die sich weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zuordnen.
Artikel Abschnitt:
Relativ viel Forschung gibt es aber zu den anderen Formen des Genderns – also Feminisierung und Neutralisierung. Und hier scheint das Ergebnis relativ klar:
Effekt 1: Frauen werden sichtbarer
Wird gegendert, scheinen Frauen gedanklich mehr einbezogen zu werden – das zeigen verschiedenste Studien zum Thema. Weil dann, so die Vermutung, nicht nur Bilder von Männern, sondern auch von Frauen im Kopf entstehen. So glaubten in einer Onlinestudie etwa 44 Prozent der Versuchspersonen, dass der Spezialist eine Frau ist, wenn der Text, den sie lesen sollten, in geschlechtergerechter Sprache verfasst war. Bei Texten im generischen Maskulinum glaubten das nur 33 Prozent der Leute. Gendern, so schlussfolgern einige Fachleute, könnte auf diese Weise also helfen, Geschlechterstereotype zu reduzieren.
Am stärksten scheinen Frauen gedanklich immer dann einbezogen zu werden, wenn beide Geschlechter genannt werden, wie eine Übersichtsarbeit zeigt.
Effekt 2: Gendern hat Auswirkungen auf die Berufswahl
Die Art, wie wir schreiben und sprechen, kann vor allem im beruflichen Kontext sehr konkrete Effekte haben: Sind Stellenanzeigen nicht im generischen Maskulinum verfasst und enthalten weniger männliche Attribute wie “Führung”, “dominant” oder “wettbewerbsfähig”, dann würden sich mehr Frauen auf den Job bewerben, wie eine ältere Studie zeigt.
Männlich formulierte Stellenanzeigen dagegen führten in Experimenten sogar dazu, dass Frauen den Job bei gleicher Qualifizierung seltener bekommen. Werden beide Geschlechter genannt, ändert sich das. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, in der Versuchspersonen verschiedene Stellenanzeigen präsentiert wurden. Es wurde entweder
- “ein Geschäftsführer”,
- “ein Geschäftsführer (m/w)” oder
- “ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin” gesucht.
Die Teilnehmenden sollten sich dann fiktive Bewerbungen anschauen und anhand von Lebensläufen & Co. einschätzen, wie gut die Personen auf den Job passen. Obwohl die Bewerberinnen von den Versuchspersonen als genauso kompetent wahrgenommen wurden, schätzten sie sie als weniger passend für den Job ein, wenn “Geschäftsführer” oder “Geschäftsführer (m/w)” in der Ausschreibung stand. Bei der Formulierung “Geschäftsführer oder Geschäftsführerin" änderte sich das. Geschlechtergerechte Sprache scheint hier also einen Unterschied zu machen.
Nur noch “Geschäftsführer” in einer Stellenanzeige zu schreiben wäre heute übrigens auch nicht mehr zulässig, denn: Seit Ende 2018 können Menschen in Deutschland auch den Eintrag "divers" im Geburtenregister wählen. Paragraf 11 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) schreibt deshalb vor, dass Stellen geschlechtsneutral ausgeschrieben werden müssen – zum Beispiel durch den Zusatz (m/w/d). Da zum Zeitpunkt der Studie diese Änderung noch nicht in Kraft war, wurde diese Unterscheidung nicht untersucht.
Effekt 3: Kinder trauen sich mehr Berufe zu
Welchen Job wir uns zutrauen, kann von der Sprache beeinflusst werden – das zeigen auch Experimente mit knapp 600 Grundschulkindern. Werden ihnen Berufe in geschlechtergerechter Sprache präsentiert (etwa Ingenieurinnen und Ingenieure), trauen sich Mädchen viel eher zu, stereotype “Männerberufe” zu ergreifen. Auch Jungen wählen häufiger stereotype “Frauenberufe”, wenn gegendert wird (etwa Geburtshelfer und Geburtshelferinnen).
Die Nennung beider Geschlechter hat allerdings auch einen unerwünschten (und irritierenden) Effekt: Denn die Kinder sollten außerdem einschätzen, wie viel man in dem jeweiligen Beruf verdient, wie wichtig er ist und wie schwer er zu erlernen ist. Das Ergebnis: Wenn ihnen die Berufe in männlicher und weiblicher Form präsentiert wurden, haben sie diese als weniger wichtig und die Bezahlung als schlechter eingeschätzt. Gendern könnte also dafür sorgen, dass sich Kinder mehr Berufe zutrauen und dass Frauen im beruflichen Kontext sichtbarer werden – die Berufe aber gleichzeitig abwerten. Diese Tendenz bestätigen auch andere Studien.
Effekt 4: Menschen denken offener über Geschlechterrollen
Es gibt auch Argumente aus der Wissenschaft, eben nicht das Geschlecht zu betonen, sondern in der Sprache neutraler zu werden. In Ländern, in denen in der Sprache nicht automatisch jedem Wort ein Geschlecht (bei uns also “der, die, das”) zugeordnet wird, …
- sind Frauen etwa häufiger erwerbstätig
- mehr unternehmerisch tätig
- gibt es mehr Frauen, die sich politisch beteiligen.
Okay, wie kommt man auf diesen Zusammenhang? Dafür wurden in mehreren Studien jeweils um die 100 Länder untersucht, in denen das biologische Geschlecht in der Sprache unterschiedlich sichtbar ist. Unterschieden wurde hier, ob ein Sprachsystem Geschlecht stark markiert (wie zum Beispiel im Deutschen), wenig markiert (wie zum Beispiel im Englischen) oder gar nicht markiert (wie zum Beispiel im Finnischen) – und damit von sich aus neutraler ist. Die Frage war dann: Welchen Einfluss hat das auf Faktoren wie die Erwerbsquote, den Bildungsstand von Frauen oder etwa die Einstellung zu traditionellen Geschlechterrollen.
Jetzt ist Sprache hier aber natürlich nicht der einzige Einflussfaktor – ein neutrales Sprachsystem führt nicht automatisch zu mehr Gleichberechtigung in einem Land (auch Türkisch oder Ungarisch sind neutrale Sprachen, beide Länder liegen laut dem Global Gender Gap Report 2020 aber auf den hinteren Rängen). Deshalb wurden andere Faktoren (zum Beispiel Wahlsystem, Jahre seit Einführung des Frauenwahlrechts, kommunistische und koloniale Vergangenheit) in den Studien herausgerechnet. Bereinigt um die Kontrollvariablen zeigt sich: Solche Sprachen, die automatisch neutraler sind, könnten dafür sorgen, dass Menschen offener über Geschlechterrollen denken.
Die Wirkung von neutralen Formen zeigt auch ein konkretes Beispiel aus Schweden: Dort wurde 2015 das geschlechtsneutrale Pronomen “hen” eingeführt. Im Unterschied zum deutschen Pronomen “man” oder zum sächlichen Pronomen “es” bezieht sich hen auf "ein Individuum, ohne dabei sein Geschlecht zu bestimmen”. Menschen, die in einer Studie das Pronomen “hen” zur Beschreibung von Leuten nutzen sollten, waren in einer Folgebefragung positiver gegenüber Frauen in der Politik und der LGBT-Community eingestellt.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Gendern verändert Sprache, was erst mal auch Nachteile bringen kann
Doch nicht nur Sprache prägt, wie wir die Welt wahrnehmen, sondern auch die Rollenbilder in unserer Gesellschaft. So wählt ein Kind einen stereotypen “Männerberuf” möglicherweise nicht aus, weil gegendert wurde, sondern weil die eigene Tante Mechatronikerin ist – und somit ein Vorbild für das Mädchen. Was am Ende mehr wiegt, der Einfluss von Sprache oder der Einfluss von Rollenbildern, lässt sich aus wissenschaftlicher Perspektive nicht eindeutig ermitteln. Einen kausalen Zusammenhang zwischen Gendern und mehr Gleichberechtigung wird man am Ende also nie wirklich ziehen können.
Zu diesem prinzipiellen Dilemma gesellen sich weitere Kontrapunkte. Zwar gibt es, Stand jetzt, keine Daten aus empirischen Studien, die gegen Gendern sprechen. Aber es gibt Einwände:
Einwand 1: Gendern löst Irritationen aus
Sprachwandel, das weiß man aus der Forschung, empfinden Menschen grundsätzlich eher als negativ. Schon in der Schule lernen wir durch Rechtschreibregeln mühsam, was richtig und falsch ist. Alles, was von diesen gelernten Regeln abweicht, empfinden wir deshalb oft als unästhetisch oder irritierend. Zuletzt hatte etwa im Zuge der Rechtschreibreform 1996 die Änderung von ß zu ss große Wellen der Empörung ausgelöst. Heute ist es die Debatte um geschlechtergerechte Sprache.
Unbekannte Wörter sind für unser Gehirn außerdem anstrengender – erst mal. Denn zur Verarbeitung braucht es mehr kognitive Ressourcen. Je öfter wir unbekannte Wörter aber verwenden, desto mehr neuronale Verknüpfungen bilden sich. Und umso leichter fallen uns die Wörter. Würde sich der Genderstern durchsetzen, würde also auch er uns vermutlich irgendwann nicht mehr irritieren.
Gerade der Genderstern ist es, der in der Debatte um geschlechtergerechte Sprache derzeit die meiste Gegenwehr auslöst. Worte wie Lehrer*innen, so das Argument, sähen nicht nur irritierend aus – die gesprochene Pause zwischen Lehrer und innen klinge auch äußerst unnatürlich. Dabei kennen wir solche Sprechpausen im Deutschen eigentlich schon: Glottisschlag oder glottaler Verschlusslaut heißt das in der Linguistik und ist zu finden in Wörtern wie “Spiegelei”, “überall” oder “vereisen”.
Warum sich über “vereisen” niemand aufregt: Der Glottisschlag darf tatsächlich formal betrachtet nicht hinter einer Wortendung stehen, erklärt Henning Lobin vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim. Das wäre bei Lehrer*innen aber der Fall. Es gibt in der deutschen Sprache allerdings Sätze, die rein vom Klang her solche Konstruktionen zulassen: “Die Schüler stehen außen, die Lehrer innen.”
Heißt: Lehrer*innen verstößt zwar nicht gegen die Phonetik, aber gegen die strukturelle Position der Sprache. Ob das zulässig ist, darüber gibt es sogar Streitereien unter Fachleuten aus der Linguistik – je nachdem, ob sie sich eher am Sprachsystem oder am Sprachgebrauch orientieren.
Weitere Angaben zum Artikel:
Wie sich Sprache wandelt
- Offizielle Rechtschreibregeln gibt es für die deutsche Sprache erst seit 1880. Seit Sprache auf diese Weise normiert wird, findet Sprachwandel weniger statt.
- Ändern sich gesellschaftliche Verhältnisse, ändert sich oft auch der Sprachgebrauch: Früher bezeichnete "Fräulein” eine unverheiratete Frau – heute ist es gesellschaftlicher Konsens, dass man als Frau keine Auskunft über den Ehestand geben muss, weshalb das Wort "Fräulein” mehr oder weniger abgeschafft wurde.
- Zuletzt sind 3000 neue Wörter in den Duden aufgenommen worden (darunter "oldschool” oder "Uploadfilter"), 300 Begriffe sind rausgeflogen (zum Beispiel "Kebsehe", die Hochzeit mit einer Leibeigenen)
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Einwand 2: Gendern führt zu Reaktanz
Immer mehr Behörden und Kommunen veröffentlichen Leitfäden zu geschlechtergerechter Sprache, manche Medienhäuser gendern in ihren Beiträgen und öffentliche Personen sprechen den Gender Gap mit. Entwicklungen wie diese erwecken bei manchen Menschen das Gefühl, ihnen würde ein Sprachkorsett auferlegt. Nach dem Motto: ”Ich lasse mir doch nicht vorschreiben, wie ich zu sprechen habe!”
Der Widerstand gegen “neue Regeln” kann so weit gehen, dass Menschen auch in ihrer Einstellung zu einem Thema extremer werden. Reaktanz heißt das in der Psychologie – und wird zum Beispiel im Kontext der Corona-Regeln immer wieder diskutiert.
Jetzt könnte man fragen: Kann auch die Debatte über Gendern Reaktanz hervorrufen und dazu führen, dass manche Menschen sich gegen mehr Gleichberechtigung irgendwie sträuben? Zwar wird in einigen europäischen Ländern ein gewisser Backlash, also eine Rückkehr konservativer Wertvorstellungen, in Bezug auf Geschlechtergleichheit bereits beobachtet – ob der Auslöser dafür die Sprache ist, bleibt allerdings offen und hängt zusätzlich von den Wertvorstellungen in einem Land ab. Eine klare Antwort gibt es aus wissenschaftlicher Perspektive auf diese Frage also noch nicht.
Einwand 3: Durch Gendern wird Geschlecht überbetont
“Forscherinnen und Forscher haben es geschafft, den Atomkern von Helium fünfmal präziser zu messen als je zuvor”. In Sätzen wie diesen werden Frauen laut verschiedenen Studien sichtbarer, das haben wir bereits gezeigt.
Durch Gendern könnte aber genau deshalb Geschlecht auch überbetont werden, lautet der Vorwurf – auch in Situationen, in denen das Geschlecht überhaupt keine Rolle spielt, vermuten Forschende. Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen könnten dadurch noch mehr in den Vordergrund treten. Studien, welchen Effekt das hat, gibt es allerdings keine.
Im Englischen ist man deshalb mittlerweile aber davon abgerückt, männliche und weibliche Formen zu nutzen, stattdessen liegt der Fokus auf neutralen Varianten: “humankind” ersetzt “mankind”, “police officer” ersetzt “police men”.
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Wie wir gendern, muss sich von alleine finden
Mit Feminisierung, Neutralisierung und Genderzeichen kommt geschlechtergerechte Sprache aber sehr vielfältig daher. Ein klares Plädoyer, welche Form des Genderns die optimale ist, gibt es aus der Wissenschaft, Stand jetzt, noch nicht – sie führt sogar selbst einen Diskurs darüber. Vor allem die Frage, was ein Genderstern bringt und ob er wirklich “nötig” ist, muss noch weiter untersucht werden. Ebenso gibt es Stimmen aus der Wissenschaft, die – meist aus einer linguistischen Argumentation heraus – Argumente gegen das Gendern liefern. Der Diskurs über das Thema bleibt also auch in der Wissenschaft selbst lebendig.
Trotzdem gibt es aus der Wissenschaft erste Ideen. Eine ist, abhängig vom Kontext zu gendern: Neutrale Formen könnten immer dann zum Einsatz kommen, wenn das Geschlecht eigentlich gar keine Rolle spielt, etwa bei Gesetzestexten oder bei Informationen von Behörden. Gerade im Kontext Job gibt es aber auch gute Gründe dafür, alle Geschlechter direkt anzusprechen – bei Stellenausschreibungen oder, um Kindern Berufsbilder zu vermitteln.
Sprache ändert sich von unten
Letztlich lassen sich mit verschiedenen Methoden der Wissenschaft zwar die Effekte von Sprache untersuchen und daraus Empfehlungen ableiten. Was sich im Sprachgebrauch durchsetzen wird, entscheiden am Ende allerdings wir selbst – so ist es immer schon gewesen.
Dieser Prozess funktioniert übrigens in zwei Richtungen. Neue Wörter kommen hinzu, andere verschwinden – das gilt auch für das Gendern: In Untersuchungen großer Text-Korpora konnten Fachleute zum Beispiel zeigen, dass das Binnen-I, die vorherrschende Genderform der 80er- und 90er-Jahre, mittlerweile wieder auf dem Rückzug ist. Auch komplett neue Formen wie Professx, die vor einigen Jahren aufgekommen sind, haben sich nicht durchgesetzt.
Der Linguist Rudi Keller beschreibt den Prozess des Sprachwandels deshalb so:
“Ein Trampelpfad entsteht, weil eine Vielzahl von Menschen von A nach B geht (…). Das erzeugt die Regelmäßigkeit des Verhaltens, die nach einer gewissen Zeit dann Spuren zurücklässt. Sprachzustände sind keine Endzustände von Prozessen, sondern transitorische Episoden in einem potenziell unendlichen Prozess kultureller Evolution.”
Damit wäre doch eigentlich alles gesagt.
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prinzipiell wurde das Einführen von der Gendersprache zwangsläufig notwendig, da eine Vielzahl an Personen davon betroffen sind (die Zahlen steigen auch weiterhin) und im Grundsatz die „Frau“ sichtbar wurde. Es gibt mehr Vor- als Nachteile und letzenendes soll doch auch Jeder Einzelne gehört werden.
Sie bemühen sich um eine Pro- und Kontra-Darstellung, aber sie übersehen wichtige Punkte. So sprechen sie im Zusammenhang mit Gendern von Geschlechtergerechtigkeit und mehrmals von Gleichberechtigung, aber mit Gleichberechtigung hat das überhaupt nichts zu tun, es geht um Gleichstellung – etwas vollkommen anderes. Passiert ihnen dieser Fehler unbemerkt oder tun… Weiterlesen »
Bin auf diese Seite gekommen um die Browsererweiterung für Chrome „Remove german gender language“ zu testen. Funktioniert. Kann ich jedem empfehlen!
„Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wird aktuell überarbeitet, da es neue Forschungsergebnisse gibt – unter anderem zum Genderstern. “
Hoffentlich bekommt Ihr dann ein ausgewogeneres Bild daer Situation hin.
Dass es an den Studien, die Ihr hier heranzieht, Kritik gibt, dürfte nicht verborgen geblieben sein.
Falls doch:
https://www.wissenschaftskommunikation.de/gendern-ist-das-latein-der-neuen-eliten-71125/
Ich empfehle die Vorlesung „bullshit resistenz“, Gendern, von Prof. Dr. Hübl. Ihr berichtet einseitig und sucht euch die Studien aus, die für Euch passen. Schade…. da regiert die Ideologie.
Berichten wir wirklich einseitig oder hast du einfach eine andere Sichtweise auf das Thema und verweist deswegen auf eine Vorlesung? Du findest ja ein dutzend Quellen unter dem Artikel. Als Follow-up empfehlen wir an dieser Stelle noch unsere Youtube-Beiträge zu dem Thema: Warum regt uns Gendern eigentlich so auf? |… Weiterlesen »
Nein, Ihr berichtet einseitig und ausgerechnet die schlechtesten Quellen werden zitiert (schön prominent). Dass diese Studien das generische Maskulinum zur Unkenntlichkeit verzerren, um „Irrittationen“ zu messen, fällt Euch nicht auf? Lest Euch diese Studien doch mal durch und überlegt, ob hier nicht doch oft Rollenstereotype geprüft wurden und ob die… Weiterlesen »