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Reaktanz
Wann Verbote wirken – und wann sie schaden
Klar ist: Je undurchsichtiger und willkürlicher Regeln wirken, desto mehr stoßen sie auf Protest. Wie müssen Verbote aussehen, dass wir uns dran halten?
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Artikel Abschnitt: Warum halten sich Menschen oft nicht an Regeln?
Warum halten sich Menschen oft nicht an Regeln?
Manchmal lösen aber auch eigentlich sinnvolle Regeln Reaktanz aus – und wir reagieren mit Ärger und Gereiztheit. Der Widerstand gegen von außen auferlegte Beschränkungen kann so weit gehen, dass Menschen sich nicht nur konträr verhalten, sondern auch ihre Einstellungen zum Thema extremer werden. Geht der Schuss derart nach hinten los, spricht man vom "Bumerangeffekt".
Artikel Abschnitt: Wer neigt zur Rebellion?
Wer neigt zur Rebellion?
Davon abgesehen ist eine Gruppe besonders berüchtigt dafür, gerne mal die Regeln zu brechen: Teenager. Jugendliche handeln oft sogar unvernünftiger als Kinder. Schuld daran ist vermutlich die ungleichmäßige Reifung der verschiedenen Teile unseres Denkorgans.
Dass Jugendliche oft Regeln brechen, liegt an der Hirnentwicklung
Das Belohnungssystem, das sich erst relativ spät entwickelt, reift während der Pubertät schneller als der präfrontale Kortex, der am abwägenden Denken beteiligt ist, Impulse im Zaum hält und besonnenes Entscheiden und Planen fördert. Dieses Ungleichgewicht führt zu mehr Risikobereitschaft. Vor allem in emotional aufgeladenen Situationen gewinnt das für Lustempfinden und Motivation zuständige Belohnungssystem leicht die Oberhand.
Dabei sind Jugendliche nicht per se unfähig, rationale Entscheidungen zu treffen. Fragebogenstudien lassen vermuten, dass sie viele Risiken ähnlich gut abschätzen wie Erwachsene. Der Verstand setzt vor allem dann aus, wenn Gleichaltrige anwesend sind. Das ergaben Experimente, bei denen die Teilnehmer in einem virtuellen Autorennen möglichst schnell und unfallfrei ans Ziel kommen sollten. Schauten Freunde zu, rasten Jugendliche viel eher über rote Ampeln und riskierten einen Crash. Soziale Anerkennung ist uns in dieser Phase wichtiger als braver Gehorsam.
Es gibt aber Wege, die Kooperationsbereitschaft zu fördern – ob in der Firma, wenn es um Gesetze geht, oder bei der Erziehung.
Artikel Abschnitt: Wann halten wir uns eher an Regeln?
Wann halten wir uns eher an Regeln?
Allein schon mit der richtigen Formulierung lässt sich ein gefühlter Freiraum schaffen. Also: statt Anweisungen lieber Vorschläge formulieren. So werden keine Vorschriften, sondern Fähigkeiten vermittelt, die jeder unter Beweis stellen kann. Zum Beispiel: "Wenn du die Kontaktbeschränkungen einhältst, kannst du dich und deine Mitmenschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen." Wichtig ist hier auch zu betonen, was durch die Befolgung der Maßnahmen gewonnen werden kann.
Regeln müssen verständlich und nachvollziehbar sein
Ein wichtiger Faktor ist das Empfinden von Gerechtigkeit. Fairness senkt Ärger und Unverständnis gegenüber freiheitsbeschränkenden Maßnahmen. "Die persönliche Bewertung, wie gerecht der Prozess bis zu einer Entscheidung oder einem Verbot war, ist sehr individuell", sagt die Psychologin Vicky König, die sich am Institut für Sozialpsychologie der Universität Salzburg mit den Mechanismen der Reaktanz beschäftigt.
Ob etwas gerecht ist oder nicht, bewertet der Mensch dabei anhand von drei Kriterien:
- informationale Gerechtigkeit: die Verständlichkeit und Fülle der zur Verfügung gestellten Informationen
- interpersonale Gerechtigkeit: wie respektvoll, verständnisvoll und wohlwollend man behandelt wurde
- prozedurale Gerechtigkeit: ob im Prozess ein Mitspracherecht besteht
Diese drei Arten der Gerechtigkeit wiegen wir bis zu einem gewissen Grad gegeneinander auf: Können wir bei einer Entscheidung nicht mitbestimmen, ist es daher umso wichtiger, dass der Gesetzgeber (oder die Chefin) Sinn und Zweck des Verbots gut kommuniziert. Dabei sollten klare Botschaften vermittelt werden. Starke Argumente gehören an den Anfang und ans Ende.
Regeln und Verbote werden auch besser akzeptiert, wenn sie an die aktuelle Situation angepasst werden. Ein regelmäßiges Update – etwa in der Corona-Pandemie – zeigt den Bürgern, dass die Bestimmungen mit Maß, Sinn und Verstand gewählt wurden. Aber: Ein willkürliches Hin und Her gefährdet die Akzeptanz. Und je undurchsichtiger und willkürlicher die Regeln wirken, desto mehr stoßen sie auf Protest.
Artikel Abschnitt: Kommt es auf die Formulierung an?
Kommt es auf die Formulierung an?
Zuerst blitzt auf, was wir NICHT tun sollen
Aufgrund der Art, wie wir Informationen verarbeiten, ist es für uns nämlich schwieriger, Verneinungen zu verstehen – unser Hirn ist auf „Ja“ programmiert. Wenn wir Sprache verstehen, funktioniert das über sogenannte mentale Repräsentationen – sozusagen Bilder, die vor unserem geistigen Auge entstehen. Wir verfügen aber über keine mentale Repräsentation von „Nichts“.
Daher verarbeiten wir Verneinungen in zwei Schritten: Zuerst wird das verneinte Konzept aktiviert, im zweiten Schritt wird es mental unterdrückt. Sollen wir beispielsweise „nicht in die Hand husten“, versteht unser Gehirn als erstes „in die Hand husten“ und entschlüsselt erst im zweiten Schritt die gegenteilige Bedeutung.
Paradoxerweise blitzt daher in unserem Kopf bei verneinten Verboten immer kurz genau das auf, was wir NICHT tun sollen. So kann der Impuls, sich entgegen der Anweisung zu verhalten, groß sein – und das Verbot geht nach hinten los. Wenn möglich, sollten wir Regeln also positiv formulieren. So sind sie mental leichter verdaulich und wir halten uns eher daran. In vielen Fällen kann man Verneinungen allerdings nicht umgehen, zum Beispiel bei „nicht rauchen“, denn dafür bräuchte man ein sinnvolles Gegenteil von rauchen.
Funktioniert besonders bei Kindern
Trotzdem kann es nützlich sein, unsere „nicht-Schwäche“ im Hinterkopf zu behalten, etwa wenn es um Kindererziehung geht. Die Psycholinguistin Carolin Dudschig von der Universität Tübingen zeigte 2021 gemeinsam mit ihrem Team, dass Kinder Probleme haben, Anweisungen zu verstehen, die ein „nicht“ beinhalten.
Die kleinen Probandinnen und Probanden brauchten bedeutend länger, um die richtige Taste zu drücken, wenn die Aufforderung „nicht links“ lautete, als wenn es „jetzt rechts“ hieß. Weil es Kindern schwer fällt, den ersten Impuls („links“) zu unterdrücken, sollte man seine Bitte lieber positiv formulieren – zum Beispiel „gehe langsam“ statt „nicht rennen“.
Artikel Abschnitt: Führt Angst zur Verhaltensänderung?
Führt Angst zur Verhaltensänderung?
Was die Forschung außerdem zeigt: Ohne Alternativen aufzuzeigen, bringt reine Panikmache nicht viel. Wer nicht weiß, wie er es schaffen soll, mit dem Rauchen aufzuhören, den halten auch Fotos von Teerlungen und Raucherbeinen in der Regel nicht ab. Negative Folgen sollten daher immer mit expliziten Empfehlungen gepaart werden. Das gilt auch für die Klimakrise: Eine Anleitung zu nachhaltigerem Verhalten ist entscheidend. Sonst kann es passieren, dass wir Gedanken an das bedrohliche Szenario vermeiden und die Augen vor der Gefahr verschließen.
Artikel Abschnitt: Hilft es, wenn andere sich an die Regeln halten?
Hilft es, wenn andere sich an die Regeln halten?
Einmal stand dort: "Viele vergangene Besucher haben versteinertes Holz aus dem Park entwendet und damit den natürlichen Zustand des versteinerten Waldes verändert". Ein andermal prangte Folgendes auf der Tafel: "Bitte entwenden Sie kein versteinertes Holz aus dem Park, um den natürlichen Zustand des versteinerten Waldes zu erhalten". Dazu platzierten die Versuchsleiter Stücke des beliebten Holzes an verschiedenen Stellen des Parks.
Wir neigen dazu, es wie die Mehrheit zu tun – auch wenn's schlecht ist
Das Ergebnis: Die erste Aufschrift führte dazu, dass die Besucher signifikant mehr davon mitgehen ließen. Die "injunktive Norm" (was wir tun sollen) war weniger mächtig als die "deskriptive Norm" (was andere de facto tun). Solche Formulierungen ermutigen also dazu, es der Mehrheit gleichzutun. Auch andere Studien, etwa zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz, bestätigen das.
Die deskriptive Norm sollte man deshalb nur dann nutzen, wenn die Mehrheit sich schon günstig verhält ("75 Prozent der Hotelgäste verwenden ihre Handtücher der Umwelt zuliebe mehrfach."). Dann wirkt die Aufforderung sogar besser als mit einer injunktiven Norm allein ("Verwenden Sie bitte der Umwelt zuliebe Ihre Handtücher mehrfach").
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Eine baldige Exit-Strategie ist sehr wichtig. Die Verbote und Einschränkungen sind keine Lösung, sie sind Teil des Problems! Das Virus ist global unterwegs und verschwindet nicht. Auch durch Impfung nicht.Es kommt wieder.Man muss mit dem Virus leben, so normal wie möglich. Aufgrund der einseitigen negativen Berichtserstattung über die Gefahren des… Weiterlesen »
Danke, für diesen vernünftigen Kommentar!
Diskriminierung wegen Maskenpflicht. Ich bin Asthmatiker und habe ich auch Attest vom Arzt. Man hat mich in TK-MAX nicht reingelassen, obwohl in meinem Attest steht, dass ich keine Munsnasebedeckung tragen kann. Ich habe deshalb die Polizei angerufen, aufgrund des Vertoßes gegen des Artikel 3 des Grundgesetzes (§ 3 GG) und… Weiterlesen »
@Thomas H. : „Stattdessen hat er meine Daten aufgenommen.“ Richtig, gut so, .. denn das wäre genau das, was ich von der Polizei erwarte, denn das höchstwahrscheinlich Ihr ganzes Gehabe („Asthmatiker“ etc.) nur vorgeschoben ist, zeigt nicht nur Ihr Verhalten hier im Forum (gleiche Texte hier über 7x an vers.,… Weiterlesen »
Deine Antwort ist nivieaulos, assozial, unverschämt und realitätsfremd. Du hast keine Ahnung, worüber du schreibst und was du schreibst. Das ist sehr traurig.
Nö, ist es nicht. Diese Attribute würde ich eher deiner Antwort zuordnen.
Zum Schlusssatz: ja, aber eigentlich nicht in irgendwelchen Kommentarspalten.
In Österreich, in Dänemark, in Schweden, in Finnland, in den Niederlanden, in Norwegen, in der Schweiz (außer VB/Züge) und in vielen anderen Ländern gibt es keine Maskenpflicht.Dort gibt es das gleiche Virus wie bei uns! Ich frage mich dann, was hat denn Maskenpflicht mit der Pandemie zutun? Sind wir die… Weiterlesen »
Nanu, welche Länder haben denn nun doch plötzlich eine Maskenpflicht?
Habe heute passend zum Thema hier folgenden Artikel im Berliner Tagesspiegel entdeckt: **„Ist halt asozial“ Ein Streifzug durchs Berliner Nachtleben nach der Sperrstunde** https://www.tagesspiegel.de/themen/reportage/ist-halt-asozial-ein-streifzug-durchs-berliner-nachtleben-nach-der-sperrstunde/25914912.html „ … Bar in der Charlottenburger Kantstraße. Freitagabend tragen Kellner dort ihre Masken auf Kinnhöhe, bedecken weder Nase noch Mund. Der Barkeeper hält es genauso. ..… Weiterlesen »
Deine Sichtweise ist falsch, Warum? Lese diesen Text und mache dich schlau: 1.Die Bundesregierung bezeichnet CoVid-19 als eine Gefahr für die Allgemeinheit, aufgrund von Daten hinsichtlich der Infizierten in Deutschland und Menschen die aufgrund der Infektionen gestorben sind. Diese Daten sind jedoch nicht nur in Deutschland, sondern in den meisten… Weiterlesen »
@Dirk bis auf Punkt 4, schreiben sie völligen Unsinn, also entweder Behauptungen die klar anti-faktisch, also leicht zu widerlegen sind, oder Dinge, die Sie in einen falschen Zusammenhalt stellen. Klar, bekommen Sie hier dafür Beifall, in einem tatsächlich wissenschaftlich basierten Diskurs ernten Sie dafür noch nicht mal ein abschätziges Lächeln,… Weiterlesen »
Du hast weder meinen Text richtig gelesen, noch dich mit meinen Argumenten beschäftigt. Dein dämliches und absurdes Kommentar mit Vorurteilen, Verleumdungen und Wahnvorstellungen nehme ich nicht ernst. Die Welt ist keine Scheibe und es gibt ncht nur Schwarz und Weiß. Du bist keine Wissenschaft. Wissenschaft ist ein Diskurs umd dynamisch… Weiterlesen »