Welche Folgen kann eine Rezession für die psychische Gesundheit haben?

Corona und die Folgen

Welche Folgen kann eine Rezession für die psychische Gesundheit haben?

Die Wirtschaft ist runtergefahren, das hat Folgen: Wir erleben eine schwere Rezession. Solche Krisen haben nicht nur finanzielle Auswirkungen.

13. Mai 2020 | 4. Februar 2021

Inhalt

Darum geht’s: Wirtschaftskrisen haben psychische Folgen
Darum müssen wir drüber sprechen: Dass es zur Rezession kommt, ist unbestritten
Aber: Es gibt auch kleine positive Effekte
Und jetzt? Prävention und psychische Gesundheit im Blick behalten

Darum geht’s: Wirtschaftskrisen haben psychische Folgen
Darum müssen wir drüber sprechen: Dass es zur Rezession kommt, ist unbestritten
Aber: Es gibt auch kleine positive Effekte
Und jetzt? Prävention und psychische Gesundheit im Blick behalten

Darum geht‘s:

Wirtschaftskrisen haben psychische Folgen

Dass Wirtschaftskrisen Folgen für die psychische Gesundheit haben können, ist recht gut belegt. Auch wenn nicht immer klare Kausalzusammenhänge nachweisbar sind. So sehen Soziologinnen und Soziologen einen Zusammenhang zwischen ökonomischen Konjunkturzyklen und der Suizidrate. In einer Rezession nehme die Zahl der sogenannten anomischen Suizide zu – das bezeichnet die Selbstmordrate infolge abrupter Veränderungen. "Dazu gibt es eine breite Literatur, die aber nicht immer eindeutig ist“, betont Soziologe Janosch Schobin. Der vermutete Hauptmechanismus: "Konjunkturelle Abschwünge erzeugen traditionell Arbeitslose (Männer), für die Arbeit der primäre Mechanismus der sozialen Integration ist“, erklärt Schobin.

Arbeitslosigkeit kann Folgen haben

Dieser Mechanismus sei zwar in "modernen“ Wirtschaftskrisen wie 2008/2009 schwächer geworden. "Aber als relativ gesichert gilt: Der Verlust der Arbeit ist nicht gut für die Psyche, die Gesundheit und das generelle Wohlbefinden.“

Neben solchen direkten gebe es auch indirekte Folgen, wie etwa erhöhte Kriminalitätsraten in einigen Bereichen. Auch Sucht, vor allem Alkoholmissbrauch, könne ein Problem werden, sagt der Psychologie-Professor John Rauthmann.

Vergleichbare Situationen in der Geschichte

Dass eine Rezession Folgen haben kann, lehrt auch ein Blick zurück in die Geschichte. In der großen Depression nach dem Börsencrash von 1929 traten "bei Menschen, die infolge der großen Rezession eine finanzielle, wohnungsbezogene oder berufliche Notlage erlitten, die Symptome von Depressionen, Angstzuständen und problematischem Drogenkonsum häufiger auf“, beschreibt Psychologe Jürgen Margraf von der Ruhr-Uni Bochum.

Darum müssen wir drüber sprechen:

Dass es zur Rezession kommt, ist unbestritten

Die EU-Kommission rechnet mit einer Rezession von “historischem Ausmaß“. Die Wirtschaft in der Eurozone könnte um 7,7 Prozent einbrechen, diese “Vollbremsung“ sei ein wirtschaftlicher Schock, wie es ihn seit der Großen Depression in den 1930er-Jahren nicht mehr gegeben habe. Auch die US-Wirtschaft bricht ein. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt dort sei so verheerend wie seit Beginn des Zweiten Weltkriegs nicht mehr, heißt es. Die US-Arbeitslosenquote stieg im April auf einen Rekordwert von 14,7 Prozent – von 3,5 Prozent im Februar, aber das war vor der Corona-Krise.

Die schweren wirtschaftlichen Folgen sind ein Grund, warum schon einige Lockerungen in Kraft getreten sind. Und es wird viel über weitere Lockerung der Maßnahmen gestritten, die das Coronavirus eindämmen sollen. Denn auch hier muss die Politik abwägen, was schwerere gesundheitliche Folgen hat: die Corona-Pandemie oder die wirtschaftliche Krise infolge der Maßnahmen.

Die Rezession droht auch unabhängig von den Maßnahmen

Unbestritten ist, dass es natürlich auch erhebliche Folgen für das Wirtschaftssystem hätte, wenn wir keine Maßnahmen zur Eindämmung des Virus vornehmen würden. Dann wären nämlich mehrere Millionen Menschen gleichzeitig infiziert und darunter würden sowohl das Gesundheitssystem als auch unser Wirtschaftssystem extrem leiden. Grundsätzlich sind sich die Expertinnen und Experten einig, dass die Corona-Krise so oder so zu erheblichen wirtschaftlichen Einbrüchen führen wird.

Allerdings: Nicht alle Menschen und alle Staaten werden gleich von den Folgen einer Rezession betroffen sein, betont John Rauthmann: "Generell werden sozioökonomisch schlechter gestellte Personen und Staaten mit weniger Gegenmaßnahmen und Handlungsmöglichkeiten härter getroffen.“ Daher hänge es vom Kontext ab, wie stark und auf wen sich eine Wirtschaftskrise auswirke.

Aber:

Es gibt auch kleine positive Effekte

Nach der Großen Rezession 2008/2009 hingegen gab es laut Margraf aber auch Kontroversen über die Auswirkungen. Denn es gebe durchaus auch "Belege für die Aussage, dass makroökonomische Abschwünge zumindest kurzfristig mit positiven gesundheitlichen Resultaten verbunden sind“. Die könnten zu beobachten sein, etwa weil bei Abschwüngen weniger Arbeitsunfälle passieren, weniger Menschen zum Beispiel stressbedingte Herzinfarkte erleiden und weniger Unfälle im Straßenverkehr passieren. Aber für diese jüngste Rezession gebe es zunehmend Hinweise auf eher negative Folgen und ernsthafte gesundheitliche Probleme.

Und jetzt?

Prävention und psychische Gesundheit im Blick behalten

Ein Beispiel, wie sich die Wirtschaftskrise 2008/2009 ausgewirkt hat, bietet eine Übersichtsarbeit, die Fallstudien aus Island, Spanien und Griechenland miteinander vergleicht. Darin habe sich gezeigt, dass sich die Krise "vor allem in Griechenland negativ auf einige Indikatoren zum Beispiel der psychischen Gesundheit ausgewirkt hat“, sagt Margraf. Generell habe die Forschung immer wieder gezeigt, dass sich Wirtschaftskrisen negativ auf die psychische Gesundheit der Bevölkerung auswirken können. Mit diesem Wissen können wir aktiv gegensteuern: "Das sollte die Politik in Schutzprogrammen, die auf die Förderung der Genesung abzielen, berücksichtigen“, fasst Margraf zusammen.

Autorin: Annika Franck

Falls du selbst über Suizid nachdenkst, versuch darüber mit anderen Menschen zu sprechen. Es gibt auch professionelle Hilfsangebote, bei denen du anonym bleiben kannst, zum Beispiel die Telefonseelsorge (www.telefonseelsorge.de). Die ist rund um die Uhr kostenlos erreichbar unter 0800 111 0 111 und 0800 111 0 222. Andere Hilfsangebote findest du auch hier.