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Coronavirus
Heinsberg-Studie: Das lernen wir daraus – und das nicht
Sie wurden lange erwartet, jetzt sind sie endlich da: die Ergebnisse der Heinsberg-Studie. Und schon werden ihre Ergebnisse falsch interpretiert. Was man wirklich sagen kann.
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Viele Medien griffen sofort vor allem eine Aussage heraus: Aus der Studie könne man schließen, dass in Deutschland schon 1,8 Millionen Menschen mit dem Coronavirus infiziert sein könnten – zehnmal mehr also, als die offiziellen Zahlen zeigen. Nur: Aus den Heinsberger Ergebnissen lassen sich keine Rückschlüsse auf eine mögliche Dunkelziffer in ganz Deutschland ziehen. Wir schauen uns die Ergebnisse genauer an.
Artikel Abschnitt: 1. Wer getestet wurde
1. Wer getestet wurde
Artikel Abschnitt: 2. Die Dunkelziffer
2. Die Dunkelziffer
So wurde in der Studie nicht nur mittels PCR-Analysen getestet, ob die Probanden akut infiziert waren. Mit Antikörpernachweisen wurde auch getestet, wer alles schon Antikörper gegen das Virus gebildet hat – ein Zeichen dafür, dass man bereits eine Infektion mit dem Coronavirus durchgemacht hat. Damit wurden auch die Menschen gefunden, die während des Ausbruchs gar nicht auf das Virus getestet wurden.
Das Ergebnis: 15,5 Prozent aller Probanden waren demnach mit dem Coronavirus infiziert. Fünfmal mehr, als bisher durch die offiziellen Testergebnisse bekannt war.
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Was wir daraus lernen:
Sieben Menschen starben in Gangelt an Covid-19. Damit ergibt sich für den Ort eine Sterblichkeit von 0,37 Prozent unter allen Infizierten. Dieser Wert liegt über dem einer saisonalen Influenza (0,1 bis 0,2 Prozent) und unter der sogenannten Fallsterblichkeit – dem Wert, der etwa in den Berichten des Robert-Koch-Instituts angegeben wird, sich aber nur auf die gemeldeten Infektionen bezieht.
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Was diese Daten nicht sagen:
Die Antikörpertests sind bisher nicht zu 100 Prozent genau. Diese Tests erkennen damit einige Positive als auch einige Negative nicht korrekt. Forscherinnen und Forscher der RWTH Aachen etwa hatten mit denselben Tests andere Trefferquoten errechnet. Nach derzeitigem Stand reagieren die Elisa-Antikörpertests nicht auf die herkömmlichen Coronaviren.
Ebenso sagen die Daten aus Gangelt nichts darüber aus, wie hoch die Dunkelziffer in Deutschland ist. Denn die Daten lassen sich nicht einfach so übertragen, schreiben die Autorinnen und Autoren selbst – unter anderem deshalb, weil die Gemeinde ein Hotspot mit einem besonders starken Ausbruch durch eine Karnevalssitzung ist.
Trotzdem geben die Forschenden mittels Modellrechnungen einen Ausblick. Mit der hier ermittelten Sterblichkeit von 0,36 Prozent käme man über die bestätigten Covid-Toten in Deutschland auf mehr als 1,8 Millionen Infizierte. Die Dunkelziffer läge demnach um das 11-Fache höher, als bisher mit allen Labortests ermittelt wurde, und damit im Bereich bisheriger Schätzungen.
Allerdings hat die Rechnung mehrere Schwächen: Die Heinsberg-Studie umfasst nur sieben Todesfälle. Jeder Todesfall weniger oder mehr beeinflusst die Sterblichkeit stark. Diese Unsicherheit würde Statistikern zufolge eher zu einer wahrscheinlich großen Spanne an Infizierten führen. Das Robert-Koch-Institut etwa nimmt laut bisherigen Studien eine Dunkelziffer zwischen 1,7 und 3,3 Millionen Menschen an.
Artikel Abschnitt: 3. Die Infizierten ohne Symptome
3. Die Infizierten ohne Symptome
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Was wir daraus lernen:
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Was die Daten nicht sagen:
Es liegt keine aussagekräftige Altersverteilung der asymptomatischen Fälle vor. Auch gibt es keine Daten dazu, wie häufig Infizierte hospitalisiert oder beatmet wurden. Da in Deutschland derzeit vor allem Alters- und Pflegeheime betroffen sind, ergäbe sich hier vermutlich ein gesondertes Bild, was Infektionszahlen, Schweregrad der Krankheitsverläufe und Sterblichkeitsrisiko angeht.
Kinder waren in der Heinsberg-Studie unterrepräsentiert – es können also keine validen Schlüsse zum Infektionsrisiko oder zur Rolle von Kindern bei der Virusverbreitung gezogen werden. Andere Untersuchungen zeigen, dass Kinder, wenn sie infiziert sind, eine genauso hohe Viruslast haben wie Erwachsene. Sie scheinen sich allerdings seltener zu infizieren, Daten aus China zufolge haben Kinder ein dreifach geringeres Ansteckungsrisiko als Erwachsene.
Artikel Abschnitt: 4. Virusmenge und Schwere der Krankheit
4. Virusmenge und Schwere der Krankheit
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Was wir daraus lernen:
Ähnliche Ergebnisse und Berichte gibt es aus dem Ausland, wo sich Menschen trotz Hygienemaßnahmen über die Luft angesteckt haben – etwa beim Singen oder über die Klimaanlage.
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Was die Daten nicht sagen:
Artikel Abschnitt: 5. Ansteckung im Haushalt
5. Ansteckung im Haushalt
Wer alleine wohnt, hatte demnach in Gangelt ein generelles Infektionsrisiko von 15,5 Prozent. In einem Zweipersonenhaushalt lag das Ansteckungsrisiko bei 44 Prozent, in einem Vierpersonenhaushalt hingegen bei 18 Prozent. War ein Kind unter 18 Jahre infiziert, war die Ansteckungsrate in einem Dreipersonenhaushalt mit 66 Prozent höher, als wenn ein Erwachsener infiziert war (33 Prozent).
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Was wir daraus lernen:
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Was die Daten nicht sagen:
Den Bonner Forschenden um Streeck liegen noch viele weitere Daten aus ihrer Erhebung vor, etwa wie viele und welche der Menschen schon vor der Infektion an Risikofaktoren wie Atemwegsproblemen, Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes gelitten haben. Diese Daten sollen nun in weiteren Studien genauer untersucht werden. Auch für die Karnevalssitzung des Ortsteils soll es eine eigene Untersuchung geben, die das Infektionsgeschehen dort näher untersucht.
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Artikel Überschrift:
Je mehr Menschen in einem Haushalt wohnen, desto eher könne man sich aus dem Weg gehen, …..
4 Personen in einer 3 ZKB Wohnung können sich also besser verteilen als 2 Personen
??? Diese Aussage sollte man doch noch mal mit einem logischen Menschenverstand überdenken.
zu Streeck und der Heinsbergstudie, und deren, bzw. Seinen methodischen Fehlern: Die Studie wurde vor allem durch Streeck interpretatorisch überstrapaziert, so dass gerade von Ihm dazu reine Spekulationen verbreitet wurden, oder gar klare Fake News! mE hat Streeck dabei den Pfad stringenter Wissenschaft verlassen, auch und gerade in der Form… Weiterlesen »
Nur ein Hinweis, mit Fallsterblichkeit (Case Fatality Rate CFR) ist die Sterblichkeit bei Auftreten der Krankheit gemeint. In der Heinsbergstudie wurde aber die Sterblichkeit bezogen auf die Infektion (Infection Fatality Rate IFR) ermittelt. Da nicht jeder Infizierte krank wird, sind dies zwei verschiedene Zahlen. Die Aussage, dass die bei der… Weiterlesen »
Für eine wissenschaftliche Studie doch recht viele Spekulationen und Erklärungsversuche. Viele der Zahlen ließen sich jedoch auch ganz anders (und vielleicht sogar treffender) interpretieren. Beispiel: 4. Virusmenge und Schwere der Krankheit Für eingefleischte Karnevalisten ist die Session eine sehr ernsthafte und körperlich anstrengende Zeit. Zudem gibt es oft viel Alkohol… Weiterlesen »
Ich finde es schade, dass hier so lenkend gearbeitet wird… Obwohl viele Dinge korrekt sind, gibt es einige sehr unwissenschaftliche Interpretationen: Die Anzahl von 7 Todesfällen ist ein Beispiel: hätte wäre wenn ist statistisch bei einer Stichprobe von 900 Betrachtungen nun mal bei 7… Aber die Zahl ist eben so… Weiterlesen »