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Coronavirus
Wie Superspreader die Pandemie beeinflussen
SARS-CoV-2 ist sehr ansteckend. Aber: Nicht jeder Infizierte steckt sehr viele Menschen an. Entscheidend sind so genannte Superspreader.
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Inhalt
- Was sind Superspreader?
- Wie viele Menschen steckt ein Infizierter an?
- Was besagt der Dispersionsfaktor?
- Wie hoch ist der Dispersionsfaktor beim neuartigen Coronavirus?
- Welche Faktoren beeinflussen, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt?
- In welchen Situationen werden besonders viele Menschen angesteckt?
- Was können wir aus den Superspreadern für kommende Epidemien und Pandemien lernen?
- Was sind Superspreader?
- Wie viele Menschen steckt ein Infizierter an?
- Was besagt der Dispersionsfaktor?
- Wie hoch ist der Dispersionsfaktor beim neuartigen Coronavirus?
- Welche Faktoren beeinflussen, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt?
- In welchen Situationen werden besonders viele Menschen angesteckt?
- Was können wir aus den Superspreadern für kommende Epidemien und Pandemien lernen?
Artikel Abschnitt: Was sind Superspreader?
Was sind Superspreader?
"Das Konzept der ‘Superspreader‘ ist schwer wissenschaftlich zu greifen oder gar zu quantifizieren“, sagt der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Meist handele es sich eben um "eine Kombination aus Personen, die eine besonders effektive Ausscheidung haben, sowie Konstellationen, in denen besonders viele Menschen exponiert sind.“
Superspreading-Ereignisse seien "zeitlich und räumlich begrenzt, bei ihnen gehen viele Infektionen auf eine oder sehr wenige Personen zurück“, sagt der Infektionsepidemiologe Jürgen May vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.
Keine eindeutige Definition
Ob beispielsweise auch viele Infektionen in Altenheimen, Krankenhäusern, Schlachthöfen und Gemeinschaftsunterkünften zu diesen Ereignissen gezählt werden, ist nicht ganz eindeutig. "Meist denkt man bei Superspreading-Events eher an plötzliche, explosive Ansteckungen“, sagt Udo Buchholz, Epidemiologe am Robert-Koch-Institut (RKI). Auch Jürgen May bezeichnet diese Häufungen von Ansteckungen nicht als "Superspreading-Events im eigentlichen Sinne“. In den oben genannten Einrichtungen gehe es eher um eine Art Pingpong, meint Buchholz: Oft sei es schwer zu sagen, wer genau wen angesteckt hat.
Artikel Abschnitt: Wie viele Menschen steckt ein Infizierter an?
Wie viele Menschen steckt ein Infizierter an?
R ist nur Durchschnittswert
Allerdings ist R nur ein Durchschnittswert. Denn die meisten Menschen, betont James Lloyd-Smith von der University of California in Los Angeles im Science-Magazine, würden trotz Infektion niemanden anstecken. Dafür stecken einige wenige Menschen vergleichsweise viele andere an. Eine Studie besagt sogar, dass die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken, bei Mitgliedern, die in einem Haushalt leben, nur bei 15 Prozent liegt. Woran das liegt, können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bisher nicht genau sagen. Ein Grund könnte sein, dass Infizierte nur wenige Tage besonders ansteckend sind. Aber auch eine unerkannte Hintergrund-Immunität könnte damit zu tun haben, vermutet Virologe Christian Drosten in dem NDR-Podcast "Corona Update“. Dazu gibt es aber bislang kaum Daten.
Auch wenn R weiterhin eine wichtige Zahl zur Einordnung der Verbreitung einer Infektionskrankheit ist, auch andere Parameter sind wichtig.
Artikel Abschnitt: Was besagt der Dispersionsfaktor?
Was besagt der Dispersionsfaktor?
Rolle von Superspreading-Events wird beschrieben
Grundsätzlich gilt: Je kleiner k ist, desto mehr Infektionen lassen sich auf eine oder wenige Personen zurückführen. Das bedeutet: Die Rolle von Superspreading-Events ist umso größer. Bei der saisonalen Grippe liegt der k-Wert bei ca. 1, Superspreader-Ereignisse spielen keine große Rolle.
Bei der SARS-Epidemie 2002/2003 hingegen spielte Superspreading eine besonders große Rolle, wie eine Untersuchung aus dem Jahr 2005 von James Lloyd-Smith zeigt. Der k-Wert lag, entsprechend seinen Berechnungen, bei etwa 0,16. Bei dem Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus MERS, das sich seit 2012 verbreitet, liegt der Wert bei 0,25. Für die Spanische Grippe kommt Lloyd-Smith auf einen Wert von 1 – Superspreading und Superspreading-Events spielten damals entsprechend keine Rolle.
Artikel Abschnitt: Wie hoch ist der Dispersionsfaktor beim neuartigen Coronavirus?
Wie hoch ist der Dispersionsfaktor beim neuartigen Coronavirus?
Wissenschaftliche Daten zu Faktor k nicht eindeutig
Bisher gibt es keine eindeutigen wissenschaftlichen Daten zum Faktor k. Während Buchholz von einem eher höheren Dispersionsfaktor beim neuartigen Coronavirus ausgeht, kommen in einer aktuellen Studie Akira Endo, Adam Kucharski und Sebastian Funk von der London School of Hygiene and Tropical Diseases in einem Preprint – also einer bisher nicht dem Peer-Review unterzogenen Vorveröffentlichung – zu dem Ergebnis, dass k sogar nur bei 0,1 liegen könnte. 10 Prozent der Infizierten könnten für 80 Prozent der Ansteckungen verantwortlich sein, schreiben sie. In einer weiteren Preprint-Veröffentlichung haben Gabriel Leung und Kollegen berechnet, dass k bei SARS-CoV-2 bei 0,45 liege.
Andere Wissenschaftler – auch der Virologe Christian Drosten von der Charité – gehen davon aus, dass nur 20 Prozent der Infizierten für 80 Prozent der Ansteckungen verantwortlich sind. Das bedeutet also: Die meisten Infizierten stecken wahrscheinlich nur wenige bis keinen an, aber wenige Infizierte stecken sehr viele Menschen an. Daraus folgt auch: Durch das tägliche Verhalten haben wir einen starken Einfluss darauf, wie sehr sich das Virus verbreitet.
Artikel Abschnitt: Welche Faktoren beeinflussen, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt?
Welche Faktoren beeinflussen, wie viele Menschen ein Infizierter ansteckt?
Manche Infizierte haben sogar keine oder kaum Symptome. Sie merken also vielleicht gar nicht, dass sie sich angesteckt haben und ansteckend sind. Wäre dies nicht der Fall, wäre die Situation deutlich einfacher: Denn wenn alle Menschen mit Symptomen zu Hause bleiben würden, könnte sich das Virus nicht weiterverbreiten.
Faktoren, die die Ausbreitung der Infektion beeinflussen
Es gibt aber einige Faktoren, die die Ausbreitung der Infektion beeinflussen – und möglicherweise zu Superspreading-Events führen:
- Menschen sprechen unterschiedlich, und wenn sie sprechen, emittieren sie unterschiedlich viele Aerosole in die Umgebung. Zahlreiche Studien deuten inzwischen darauf hin, dass auch diese sehr kleinen Teilchen eine Rolle bei der Übertragung des SARS-CoV-2-Virus spielen. In einer Studie haben die amerikanischen Wissenschaftler Sima Asadi und William Ristenpart herausgefunden, dass die Zahl der Aerosole von individuellen Gegebenheiten abhängt – welche genau das sind, vor allem mit Blick auf Physiologie und immunologische Faktoren, ist noch nicht klar. Die Aerosol-Menge hängt aber nicht davon ab, welche Sprache man spricht.
William Ristenpart und Kollegen stellten die Hypothese auf, dass "Sprach-Superemittenden“ zum Superspreading ansteckender Krankheiten beitragen könnten. - Ist etwa jemand allergisch und reagiert gerade auf bestimmte Pollen, können gehäufte Niesanfälle ebenfalls zu einer Superspreader-Rolle beitragen.
- Studien haben zudem ergeben, dass bei lautem Sprechen und beim Singen besonders viele Aerosole ausgestoßen werden. "Es gibt aber große Variabilität zwischen den Menschen, und die Mengen an Aerosolen, die sie ausstoßen, sind auch nicht immer gleich“, betont Infektionsepidemiologe Udo Buchholz.
- Auch die Situation kann eine entscheidende Rolle spielen: Wenn in einem Gottesdienst gesungen wird, man in einer Bar oder Diskothek sehr laut sprechen muss, dann begünstigt dies mögliches Superspreading. Daten von Gottesdiensten und Familienfeiern in den USA, von Barbesuchen aus Südkorea und nicht zuletzt von Restaurantbesuchen und einem Baptistentreffen in Deutschland bestätigen diese Annahme.
- Ein weiterer wichtiger Faktor ist der Zeitpunkt der Infektion. Grob kann man sagen, dass Menschen zwei Tage vor und zwei Tage nach Auftreten der ersten Symptome vermutlich am stärksten ansteckend sind. In welchem Stadium der Infektion sich Patientinnen und Patienten befinden, lässt sich aber in der Regel VOR Auftreten von Symptomen nicht sagen.
Artikel Abschnitt: In welchen Situationen werden besonders viele Menschen angesteckt?
In welchen Situationen werden besonders viele Menschen angesteckt?
Inzwischen gibt es aber immer mehr Hinweise darauf, dass die Viren nicht nur in den Tröpfchen, sondern auch in den deutlich kleineren Aerosolen enthalten sein können. Während die – schwereren – Tröpfchen vergleichsweise schnell zu Boden sinken, können Aerosole länger in der Luft bleiben und sich besser verteilen.
Aerosole spielen höchstwahrscheinlich eine Rolle
Wenn viele Menschen auf engem Raum zusammen sind, erleichtert dies die Ansteckung. Außerdem steigt in geschlossenen Räumen die Gefahr der Ansteckung. Das hängt vermutlich auch mit der Übertragung durch die oben genannten Aerosole zusammen. Immer mehr Studien legen auch eine Übertragung von SARS-CoV-2 über Aersole nahe: Sie finden Infektionsketten, die nicht über eine Tröpfchen- oder Schmierinfektion erklärt werden können. Zudem konnten in Aerosolen Viruspartikel gemessen werden. Es ist noch offen, wie infektiös diese Partikel sind. Daher halten es Experten für richtig, dass vor allem Großveranstaltungen in Zeiten der Corona-Pandemie abgesagt werden. "Auf große Ansammlungen wie in Fußballstadien und bei Konzerten sollten wir leider noch eine Weile verzichten“, meint Jürgen May vom Bernhard-Nocht-Institut.
Auch bei der Entwicklung der Corona-Pandemie in Deutschland spielten Superspreader und Superspreader-Events eine große Rolle. So gab es bereits im Januar 2020 einen kleinen Ausbruch, aber erst Superspreading-Events wie Après-Ski in Ischgl und Karnevalsfeiern wie in Heinsberg führten zum exponentiellen Wachstum der Infektionskurve und dazu, dass sich das Virus flächendeckend verbreiten konnte.
Draußen treffen ist besser als drinnen
Generell gilt: Draußen ist es in der Regel unproblematischer als drinnen – wenn der Abstand eingehalten wird. Und: je mehr Menschen, desto problematischer. "Mit jeder Person, die zu einer Menschenansammlung hinzukommt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Superspreading-Event entstehen kann“, betont May. Zusätzlich zu Hygiene und Händewaschen spielt auch regelmäßiges und gutes Lüften eine wichtige Rolle.
Die gute Nachricht:
Wenn Superspreader eine entscheidende Rolle bei der Ausbreitung des Virus spielen, kann man das Virus leichter eindämmen, wenn man Menschenansammlungen – vor allem in geschlossenen Räumen – verhindert. Und sich bei den Corona-Maßnahmen darauf konzentriert.
Artikel Abschnitt: Was können wir aus den Superspreadern für kommende Epidemien und Pandemien lernen?
Was können wir aus den Superspreadern für kommende Epidemien und Pandemien lernen?
Autorin: Annika Franck
Quellenangaben zum Artikel:
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Artikel Überschrift:
Im letzten Absatz findet sich ein inhaltlicher Fehler: „Zunächst muss man wissen, wie sich ein Virus verbreitet, erklärt Jürgen May. Dies sei bei SARS, HIV und Cholera sehr unterschiedlich.“ Dazu ist anzumerken, dass die Cholera nicht durch ein Virus, sondern ein Bakterium, Vibrio cholerae, verursacht wird, wie hier missverständlich vermittelt… Weiterlesen »
Danke für den Hinweis, wir prüfen das.
Leicht humoröser Schreibfehler:
„Der Regelfell derzeit ist weiterhin die Tröpfcheninfektion.“
Wenn man das alles schon über das Virus weiss, kann ich einfach nicht verstehen, warum man zulässt, dass der Schulbetrieb an Grundschulen wieder in voller Klassenstärke aufgenommen wird.
Dispersionswert / Aerosole / Beispiel Tabak-Rauch / Superspreading. – Dispersionswert. Ein Dispersionswert existiert auch im Berufsleben. Dort ergibt sich oft eine Verteilung von 20/80, die beim Arbeiten berücksichtigt werden kann. Z.B. Verkäufe : 20 Prozent der Kunden erbringen 80 Prozent des Umsatzes, die restlichen 80 Prozent der Kunden nur 20… Weiterlesen »
Danke für Ihre Erläuterungen zum Dispersionsfaktor k. Grundsätzlich kann ich nachvollziehen, dass sein Wert Bedeutung für einen möglichen eher linearen oder exponentiellen Verlauf einer Epidemie hat. Gerne hätte ich dazu ein mathematisches Modell. Fragen: >Passt hier das Urnenmodell? Beispiel: 10 Kugeln in einer Urne, bei k=0,1 wäre 1 Kugel rot,… Weiterlesen »