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Quarks Daily Spezial
ARRRGH!!! – Deine Wut nutzen ohne auszurasten
Wütend zu werden ist ganz natürlich, gesellschaftlich aber total verpönt. Egal, ob auf der Arbeit, in der Wohngemeinschaft, der Partnerschaft – statt Wut zu zeigen, sollen überall Gespräche und konstruktive Lösungen direkt greifen. Aber ist das eigentlich gut?
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Wut is everywhere
Wir alle sind wütend. Und der Frust nimmt zu – weltweit: Eine Studie des amerikanischen Pew Research Center hat Anfang 2024 mehr als 13.000 Bürgerinnen und Bürger in zwölf Staaten befragt, wie sie zum demokratischen Zustand ihres Landes stehen. Ergebnis: in neun von zwölf Staaten war die Zufriedenheit im Vergleich zu 2021 gesunken, in Deutschland sogar um elf Prozent. Nirgendwo war die Zufriedenheit gewachsen. Und auch die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat in einem Report von 2021 berichtet: "Wir leben in einer globalen Ära der Unzufriedenheit".
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Emotion mit negativem Image
Schon sprachlich kommt die Wut oft negativ daher: Wir schnauben vor Wut, wir rasten aus, fahren aus der Haut, könnten vor Wut platzen, sind blind vor Wut. Der römische Philosoph Seneca hat die Wut sogar als "kurze Geisteskrankheit" beschrieben. Auch heute noch wird Wut damit assoziiert, dass man sich nicht im Griff, keine Kontrolle mehr über sich hat. Wut ist sozial nicht erwünscht, stattdessen soll man lieber stillhalten, sie runterschlucken, nicht zeigen.
Dabei wird Wut oft mit Aggression und Gewalt verwechselt. Wut ist die Emotion, Aggression und Gewalt, das Zuschlagen dagegen ist die Handlung, die daraus folgen kann. Die Emotion Wut ist aber erstmal neutral zu bewerten. Denn Wut kann auch durchaus hilfreich sein: Sie hat – wie alle Emotionen – eine bestimmte Aufgabe, eine Funktion. Wut aktiviert uns, sie kann enorme Kräfte freisetzen. Wut setzt Grenzen, sie ist für das Gegenüber ein klares Stoppsignal: Bis hierhin und nicht weiter! Damit schützt uns die Wut vor einer potentiellen Bedrohung und setzt die eigenen Ziele durch.
Ob man Wut unterdrücken oder lieber rauslassen sollte, hat sich Ralph Caspers in einer Folge Dimension Ralph auch gefragt:
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Wut ist eine "primäre" Emotion
Im Gehirn sitzt die Wut im so genannten limbischen System, einem der evolutionär gesehen ältesten Teile unseres Gehirns. Deshalb spricht man bei Wut auch von einer „primären“ Emotion. Wir werden damit geboren, sie ist kulturübergreifend vorhanden, und bleibt am längsten bestehen, selbst wenn unser Hirn an einer Krankheit leidet oder verletzt wird. Wut ist eine sehr aktivierende, vitale Emotion – im Gegensatz zum Beispiel zur Trauer oder Angst.
Da Wut in unserer Gesellschaft nicht (mehr) erwünscht ist, steuert das Gehirn gegen: der präfrontale Kortex direkt hinter unserer Stirn ist unsere Vernunftzentrale. Er wirkt wie eine Bremse auf unser Verhalten und verhindert, dass wir unser Gegenüber aus Wut tatsächlich angreifen. Wie limbisches System und präfrontaler Kortex verknüpft sind, und welche sozialen Vorbilder man hatte, ist entscheidend dafür, wie gut man seine Emotionen regulieren kann.
Stressreaktion des Körpers
Wut ist immer eine Stressreaktion des Körpers auf eine bedrohliche Situation. Wenn wir wütend sind, gehen wir in den Fight Modus, in den Kampf. Dazu aktiviert unser Körper alle Kräfte und macht sich bereit: von außen kann man sehen, wie das Gesicht rot anläuft, die Nasenflügel sich aufblasen, und man anfängt zu schwitzen. Der Blutdruck steigt, der Körper schüttet die Stresshormone Adrenalin und Cortisol aus, die Atmung wird schneller. Unser Körper sorgt so für jede Menge Energie im Körper, und macht sich bereit für den Kampf.
Ist man erstmal drin im Wutausbruch, dann läuft das innere Programm ab: die Wut steuert den Handlungsimpuls, dieser wird durchgeführt (ich schreie den anderen an), die Hormone übernehmen, die Gedanken engen sich ein, man will sich verteidigen, den anderen angreifen. Wenn das Programm dann erfolgreich abgespult wurde, ebbt es auch wieder ab, die Stresshormone werden abgebaut, der Wutausbruch ist vorbei – und man muss sich davon erholen.
Wenn Wut allerdings zu oft vorkommt, dann können Wutausbrüche ein Risikofaktor für Bluthochdruck und Herzerkrankungen sein. Eine Studie an der Medical School in Harvard hat gezeigt, dass das Risiko für einen Herzinfarkt in den zwei Stunden nach einem intensiven Wutanfall um fast das Dreifache anstieg. Manchmal sind Wutausbrüche auch ein Symptom bei bestimmten psychischen Störungen wie Psychosen, dem Borderline-Syndrom oder der antisozialen Persönlichkeitsstörung.
Was man gegen Wut tun kann
Damit wir vor Wut nicht krank werden, ist es gut, den Stresspegel zu senken. Das kann durch Sport oder regelmäßig Entspannungsverfahren erreicht werden. Es hilft übrigens nichts, die Wut einfach rauszulassen und auf den Katharsis-Effekt zu hoffen, das hat ein bekanntes Experiment des US-Psychologen Brad Bushman gezeigt. 300 College-Studenten sollten einen Aufsatz zum Thema Abtreibung schreiben, und ein (fiktiver) Versuchspartner gab dann eine handschriftliche Rückmeldung über den Text. Diese war aber immer gleich - nämlich: "Das ist eines der schlechtesten Essays, die ich je gelesen habe!"
Dies diente dazu, die Teilnehmenden so richtig in Rage zu versetzen. Danach durfte ein Teil der Versuchspersonen auf einen Boxsack einprügeln, auf dem sogar ein Foto vom Bewerter klebte. Und die anderen mussten einfach nur dasitzen und abwarten – ohne sich abzureagieren. Das Ergebnis: Wer seinen Zorn über den Boxsack zu therapieren versuchte, war danach messbar wütender und aggressiver, als die Teilnehmenden aus der Kontrollgruppe, die ihre Zeit einfach nur abgesessen hatten.
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Selbstwahrnehmung üben
Da man die Wut also weder rauslassen noch immerzu unterdrücken sollte, kann es helfen, die eigene Selbstwahrnehmung so zu schulen, dass man es zumindest merkt, wenn man wütend wird. Wut baut sich normalerweise innerlich Stück für Stück auf, und wenn man es schafft, das zu merken, aus sich selbst ein Stück weit rauszuzoomen und möglichst neutral festzustellen: ich werde hier gerade wirklich wütend, dann kann man vielleicht noch deeskalierend reagieren, und z.B. rausgehen, durchatmen, sich ablenken, in eine Chili beißen – bevor der Vulkan explodiert.
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