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Quarks Daily Spezial
Suchtverhalten - wenn Sport zur Droge wird
Sport ist gut für die Gesundheit. Wissen wir alle. Sport kann aber auch zur Sucht werden und einen Menschen kaputtmachen. Dann wird alles andere dem Sport untergeordnet, auch die eigene Gesundheit. Wo verläuft die Grenze zwischen gesundem Training und Abhängigkeit? Wie entsteht eine Verhaltenssucht? Und wie kommt man da wieder raus?
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Was ist eine Verhaltenssucht?
Die Sportsucht gehört zu den Verhaltenssüchten wie Spielsucht, Sexsucht oder Kaufsucht. Bei einer Verhaltenssucht spricht man auch von "substanzungebundener Abhängigkeit“. Man ist nicht von einer Substanz abhängig, wie Alkohol oder Drogen, sondern vom eigenen Verhalten. Dabei kippt das Verhalten in ein Übermaß, das zu psychischen und körperlichen Problemen führt. Der Sport beispielsweise wird immer intensiver und zwanghafter betrieben. Der Job, Freunde und Partner werden zunehmend vernachlässigt.
Wenn man sie mit der Abhängigkeit von Substanzen vergleicht, kommen Verhaltenssüchte relativ selten vor: In der Suchthilfestatistik von 2019 waren fast 50 Prozent alkoholabhängig - gegenüber 5 Prozent Spielsüchtigen, die die größte Gruppe bei den Verhaltenssüchten bilden.
Wenn das eigene Verhalten ungesund wird
Bei der Sportsucht ist es wie mit allen anderen Süchten: Der oder die Süchtige durchläuft den typischen Zyklus: Drogennutzung – Abstinenz – Verlangen – Rückfall. Sie brauchen regelmäßig ihre "Dosis“, um ruhig und zufrieden zu bleiben. Um das Suchterlebnis zu bekommen, muss die Dosis stetig erhöht werden, sonst drohen Entzugserscheinungen. Man spricht dann von einer "Toleranzentwicklung“.
Link zur Quarks Sucht-Themen-Seite: https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/alles-zum-thema-sucht/
Bei Verhaltenssüchten wird das eigene Verhalten in dem Moment zum Problem, wenn es auffällig, unangemessen und in schädlichem Ausmaß betrieben wird. Die Sucht beeinträchtigt die Betroffenen dann in drei Dingen sehr stark: in der sozialen, der psychischen und der körperlichen Entwicklung.
Bei der Sportsucht vernachlässigt der oder die Betroffene das soziale Umfeld. Sie ziehen den Sport allem vor (soziale Entwicklungsstörung). Sie trainieren nicht mehr selbstbestimmt, weil die Bewegung guttut, sondern aus einem inneren Zwang heraus. Die Betroffenen glauben, ihr Leben nicht mehr anders kontrollieren zu können als mit Sport (psychische Entwicklungsstörung).
Darum trainieren Sportsüchtige auch weiter, wenn sie krank oder verletzt sind. Warnsignale des Körpers werden ignoriert (körperliche Entwicklungsstörung). Der innere Zwang ist größer, es kommt zum Kontrollverlust. Der oder die Süchtige kann nicht aufhören, selbst wenn sie es wollen. Sie sind abhängig von ihrem Verhalten.
Die drei Typen der Sportsucht
Bei der Sportsucht unterscheidet man drei Suchttypen: den "Ausdauertyp“, den "Ästhetiktyp“ und den "Erlebnis- oder Adventuretyp“. Der "Ausdauertyp“ möchte einen möglichst hohen Kalorienverbrauch bewirken, beim "Ästhetiktyp“ geht es um das Erreichen eines bestimmten Körperideals, zum Beispiel durch Bodybuilding oder Fitnesstraining. Der "Adventuretyp“ sucht den immer ultimativeren Kick - zum Beispiel beim Basejumping oder Freeclimbing.
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Sportsucht als Teil einer anderen Störung
Die Sportsucht unterscheidet sich von anderen Verhaltenssüchten, weil sie in den allermeisten Fällen noch mit einer anderen Krankheit gekoppelt auftritt: Man spricht dann von einer "sekundären Sportsucht“.
Das können drei Störungen sein: eine Zwangsstörung, eine Körperbildstörung oder – die häufigste Variante - eine Essstörung. Bei einer Essstörung, zum Beispiel Magersucht oder Bulimie, ist der Sport eine Maßnahme, das eigene Gewicht zu regulieren. Es wird geschätzt, dass jeder zweite Essgestörte exzessives Sporttreiben nutzt, um "wieder gut zu machen“, was gegessen wurde und den Körper unter Kontrolle zu behalten.
Sportsucht ist schwer zu diagnostizieren
Sportsucht wird von manchen Wissenschaftler:innen als einzige "positive“ Sucht bezeichnet, weil Sport so positiv besetzt ist. Darum ist die Krankheitseinsicht bei den Betroffenen auch besonders schwer: Denn wenn man viel Sport macht, bekommt man fast nur Anerkennung dafür.
Bisher ist Sportsucht auch nicht als eigenständiges Krankheitsbild in den gängigen Klassifikationssystemen wie dem ICD-10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) verankert. Das bedeutet: Sportsucht ist bisher keine international anerkannte psychische Störung. Auch gibt es keinen Standardleitfaden für eine Therapie.
Der Selbsttest
Besteht der Verdacht einer Sportsucht oder einer anderen Verhaltenssucht, sollte man sich selbst fragen: Werde ich unruhig, wenn ich meinem Verhalten nicht nachkomme? Vernachlässige ich Freunde und Familie, um meinen Sport auszuüben? Kreisen meine Gedanken ständig um das eine Thema? Mache ich weiter, obwohl ich vielleicht krank oder verletzt bin?
Was kann helfen?
Den Betroffenen fällt es oft schwer, den Suchtkreislauf selbst zu durchbrechen. Deshalb sollte man sich unbedingt professionelle Hilfe suchen: bei Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen oder Sportpsycholog:innen. Es gibt auch Suchttelefone, bei denen man anonym Hilfe bekommen kann.
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