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Quarks Storys Folge 17 & 18
Stickstoff: Mangelware im Überfluss (Teil 1 & 2)
Die Erde hat ein Riesen-Problem: Die Menschheit überdüngt sie seit Jahrzehnten mit Stickstoff. Wir können das ändern. So schützen wir nicht nur die Biodiversität, das Klima und unsere Gesundheit, sondern verringern im besten Fall auch den Welthunger.
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Not macht erfinderisch. Das gilt nicht nur für Menschen, sondern auch in der Natur. Alle Lebewesen brauchen zum Überleben das Element Stickstoff. Es ist unter anderem ein wichtiger Baustein von Proteinen und von biologischem Erbgut. An Stickstoff dran zu kommen, war für alle Organismen über Milliarden von Jahren auf der Erde hinweg eine große Herausforderung, und sie haben sich einiges einfallen lassen, um ihren Bedarf zu decken. Denn verwertbarer Stickstoff war in der Regel eine Mangelware.
Glücksklee und heißer Scheiß
Auch Menschen haben sich Einiges einfallen lassen, um ihren Bedarf an Stickstoff zu decken: Bäuerinnen und Bauern nutzten beispielsweise den Mist ihrer Nutztiere, um ihre Felder mit Stickstoff zu versorgen und so mehr zu ernten. Sie bauten Pflanzen mit besonderen Fähigkeiten an, unter anderem Klee. Der hat einen besonderen Trick drauf, um an verwertbaren Stickstoff zu kommen. Der Bedarf an Stickstoff wuchs trotzdem weiter, so dass im 19. Jahrhundert extra Seevogelkacke aus Südamerika bis nach Europa verschifft wurde. Denn dieser „Guano“ hatte sich als hervorragender Dünger entpuppt. Um die Stickstoffquelle wurde deshalb sogar Krieg geführt.
Der große Gamechanger
Die große Wende kommt zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Zwei deutschen Chemikern gelingt es, den größten irdischen Stickstoff-Vorrat anzuzapfen, die Luft. Fritz Haber und Carl Bosch wandeln Luftstickstoff in eine chemische Form um, die sich als Rohstoff für Dünger aber auch für Sprengstoff nutzen lässt. Erstmals müssen Menschen nicht nach nutzbaren Formen von Stickstoff suchen, sondern können so viel produzieren davon wie sie wollen. Das Haber-Bosch-Verfahren erweist sich als Gamechanger für den Planeten. Mit seiner Hilfe bringt die Menschheit immer mehr sogenannten reaktiven Stickstoff in Umlauf. Heute wird geschätzt rund die Hälfte der Weltbevölkerung mithilfe von Stickstoff-Dünger ernährt, der über das Haber-Bosch-Verfahren gewonnen wurde. Dabei landet viel reaktiver Stickstoff wie zum Beispiel Nitrat oder Ammoniak als Überschuss in der Umwelt und überdüngt weite Teile der Erde.
Die Folgen der Stickstoff-Überdüngung
Die Überdosis Stickstoff hat dramatischen Folgen. In Deutschland führt sie unter anderem in etlichen Regionen zu überhöhten Nitratwerten im Grundwasser. In vielen Küstengewässern der Weltmeere bilden sich durch die sogenannte Eutrophierung Todeszonen ohne Sauerstoff im Wasser. Außerdem verringert sie in Europa, aber auch anderswo, die Artenvielfalt und fördert unterm Strich die Erderwärmung. Neben der Landwirtschaft tragen auch die Industrie und Stickoxide aus dem Verkehr zur Überdosis bei. Die Stickstoff-Überdüngung der Erde ist nach Ansicht von Fachleuten aktuell sogar weiter fortgeschritten als der menschgemachte Klimawandel.
Planet mit Überdosis
Die Menschheit bewegt sich in Sachen Stickstoff außerhalb der sogenannten planetaren Belastungsgrenze. Nach diesem Konzept, das zuerst 2009 entwickelt wurde, überstrapaziert die Menschheit die Erde durch Stickstoff-Überdüngung. Das haben auch die Vereinten Nationen erkannt und im Herbst 2019 die „Colombo Declaration“ verabschiedet. Das Hauptziel der Erklärung: Bis zum Jahr 2030 soll die Menge an überschüssigem reaktiven Stickstoff, die in die Umwelt gelangt, im Vergleich zu heute halbiert werden. Die gute Nachricht: Es gibt viele konkrete Lösungsansätze für einen effizienteren Umgang mit der einstigen Mangelware.
Die Macher:
Autorin und Regisseurin: Anne Preger
Moderation: Sebastian Sonntag
Dramaturgie und Sprachregie: Sven Preger
Technik: Timo Ackermann
Redaktion: Jan Friese
Dank
Wir danken Grammy-Preisträger Ricky Kej für die Erlaubnis, seinen „Nitrogen“-Song zu nutzen und unter anderem Henriette Beye (Universität Kiel), Donald Canfield (University of Southern Denmark), Gregory Cushman (University of Kansas), Nadine Eickenscheidt (Landesumweltamt LANUV NRW), James Galloway (University of Virginia), Markus Geupel (Umweltbundesamt), Thorkild Kjærgaard, Frank Konersmann (Universität Bielefeld), Albrecht Ropers (Fritz-Haber-Institut), Deri Sheppard, Ingmar Staude (Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung), Eva Stüeken (University of St Andrews), Mark Sutton (UK Centre for Ecology & Hydrology), Margit Szöllösi-Janze (Ludwig-Maximilians-Universität München), Josef Tumbrinck (Bundesumweltministerium), Stefan Wolff (Deutsches Museum).
Quellenangaben zum Artikel:
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Artikel Überschrift:
In den niederlande ist zu viel Stikstoff mittlerweile ein politisches Problem. Die Depositionen in empfinlichen Naturgebieten sind zu hoch, Bauaktivitaeten werden gebremst.
Vor allem Bauernaktivitaeten liegen im Focus. Wie das weiter ght ist unklar.