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FAQ
Grün reisen – ist das möglich?
Wer in Urlaub fährt, hat die Qual der Wahl beim Reisemittel. Die beliebtesten, Pkw und Flugzeug, sind leider auch am schlechtesten für die Umwelt. Fragen und Antworten zu klimabewusstem Verkehr.
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Inhalt
Artikel Abschnitt: Wie reisen wir?
Wie reisen wir?
Im Alltag dominiert das Auto
75 Prozent aller Personenkilometer werden mit dem Pkw zurückgelegt, 19 mit öffentlichen Verkehrsmitteln, je drei zu Fuß oder mit dem Fahrrad. Carsharing findet hauptsächlich in Großstädten statt – und hat im Vergleich zum Gesamtverkehrsaufkommen keinen nennenswerten Einfluss.
Was bedeutet das für die Umwelt? Deutschland ist eine Autofahrernation. Täglich werden hierzulande etwa 3,2 Milliarden Kilometer Verkehrsleistung zurückgelegt, davon 75 Prozent mit Autos. Allein dadurch gelangen 333.600 Tonnen Treibhausgase in die Luft – pro Tag. Als Treibhausgase gelten hier Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O). 2018 lag die Gesamtbelastung für Deutschland bei 866 Millionen Tonnen Treibhausgasen. Der Verkehr verursacht rund ein Fünftel davon. Das Ziel für 2050 ist laut Umweltbundesamt (UBA) weitgehende Treibhausgasneutralität – also null Tonnen Emissionen.
Artikel Abschnitt: Welche Emissionswerte spielen eine Rolle?
Welche Emissionswerte spielen eine Rolle?
Das UBA berücksichtigt in seinen Modellen Treibhausgase, Kohlenmonoxid, flüchtige Kohlenwasserstoffe (ohne Methan), Stickstoffoxide und Feinstaub.
Treibhausgase
Zu den Treibhausgasen zählen Kohlendioxid, Methan und Lachgas. Die Gase können über 100 Jahre in der Atmosphäre verweilen. Dort absorbieren sie Wärmestrahlung von der Erdoberfläche, die normalerweise in den Weltraum abgegeben würde. Die Gasschicht strahlt die Wärme jedoch wieder Richtung Erde zurück und sorgt so für eine Erwärmung der unteren Atmosphäre – den sogenannten Treibhauseffekt. Treibhausgase entstehen vor allem bei der Verbrennung fossiler Energieträger (zum Beispiel Kohle oder Erdgas) für Strom- und Wärmeerzeugung oder im Verkehr, durch Massentierhaltung, in Klärwerken und Mülldeponien oder bei chemischen Prozessen in der Industrie.
Kohlenmonoxid
Kohlenmonoxid bildet sich bei der unvollständigen Verbrennung von Brenn- und Treibstoffen. Hauptquelle ist der Verkehr mit Kraftfahrzeugen. Kohlenmonoxid gilt als Luftschadstoff und ist ein starkes Atemgift: Es beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme im Körper.
Flüchtige Kohlenwasserstoffe
Flüchtige Kohlenwasserstoffe sind gas- und dampfförmige Stoffe organischen Ursprungs in der Luft. Sie stammen etwa aus Abgasen, Farben, Lacken oder Reinigungsmitteln. Gemeinsam mit Kohlenmonoxid und Stickstoffoxiden führen sie zur Bildung von bodennahem Ozon, besser bekannt als Smog.
Stickstoffoxide
Stickstoffoxide entstehen hauptsächlich bei Verbrennungsprozessen, vor allem im Verkehr. Sie schädigen Pflanzen, tragen zur Versauerung von Böden bei und stellen ein Gesundheitsrisiko für Asthmatiker:innen dar.
Feinstaub
Als Feinstaub gelten winzige flüssige und feste Partikel, die in der Luft schweben. Je nach Größe können sie durch die Atmung in die Bronchien oder auch in das Lungengewebe und den Blutkreislauf gelangen. Die Folgen reichen von Schleimhautreizungen bis hin zu Herzproblemen. In Großstädten ist der Straßenverkehr die größte Feinstaubquelle. Ansonsten entsteht er auch in Kraft- und Fernheizwerken oder durch Öfen und Heizungen in Wohnhäusern.
Artikel Abschnitt: Wie sollten wir reisen?
Wie sollten wir reisen?
Das UBA hat die durchschnittlichen Emissionen einzelner Verkehrsmittel im Personenverkehr berechnet. Faktoren wie die Auslastung, das Alter oder die Größe der Gefährte wurden dabei mitberücksichtigt. Anhand der Durchschnittswerte lassen sich die Emissionen von Autos, Reisebussen, Flugzeugen, Zügen im Nah- oder Fernverkehr, Linienbussen und Stadtbahnen daher gut vergleichen.
Zug und Reisebus haben die geringsten Emissionswerte
In der Aufstellung des UBA sind alle Emissionswerte in Gramm pro Personenkilometer angegeben. Ein Zug im Fernverkehr etwa produziert 36 Gramm Treibhausgase pro Personenkilometer. Das bedeutet, bei einer Strecke von 100 Kilometern, die eine Person im ICE zurücklegt, entstehen 3,6 Kilogramm Treibhausgase. Was viel klingt, ist vergleichsweise noch wenig: Mit dem Auto wären es 13,9 Kilogramm pro Person auf 100 Kilometer, bei einer Flugreise sogar 20,1 Kilogramm. Reisebusse hingegen schneiden mit nur 3,2 Kilogramm Treibhausgasen sogar noch etwas besser ab als Fernzüge.
Bei den anderen Schadstoffen ergibt sich ein ähnliches Bild: Pkw und Flugzeuge stoßen am meisten Kohlenmonoxid, flüchtige Kohlenwasserstoffe, Stickstoffoxide und Feinstaub aus. Die Emissionswerte von Fernbus und -zug betragen jeweils nur einen Bruchteil davon.
Im Nahverkehr verliert das Auto ebenfalls gegen die Konkurrenz von Linienbussen, Regio- und Stadtbahnen. Auf einer kürzeren Strecke von zehn Kilometern stößt ein Pkw immer noch 1,4 Kilogramm Treibhausgase aus, ein Bus nur 0,75 Kilo, die Regiobahn 0,6 Kilo und Stadt- oder U-Bahnen etwa 0,64 Kilogramm. Eindeutige Gewinner:innen sind natürlich Fußgänger:innen und Radfahrende, ihre Emissionswerte liegen bei null.
Artikel Abschnitt: Ist das Flugzeug immer die schlechteste Alternative?
Ist das Flugzeug immer die schlechteste Alternative?
Das einzige Gute an Flugzeugen: Sie sind immer recht voll besetzt, haben also eine hohe Auslastung. Das UBA rechnet bei Fliegern mit einer durchschnittlichen Auslastung von 82 Prozent. Wäre sie geringer, fielen die Emissionswerte noch schlechter aus: Je weniger Menschen in der Maschine sitzen, desto höher ist der statistische Anteil an Schadstoffen, die auf eine Person entfallen.
Bei Flugzeugen spielt außerdem eine Rolle, dass sie ihre Abgase nicht auf der Erde, sondern in großen Höhen abgeben. Dort richten sie viel mehr Schaden an und verursachen einen stärkeren Treibhauseffekt. Auch die Bildung von Kondensstreifen oder Zirruswolken (Schleierwolken aus Eis) wirkt sich direkt auf die Erderwärmung aus. Das UBA schätzt, dass der Gesamteffekt eines Fluges auf das Klima deshalb eigentlich zweimal so hoch ist wie der Effekt des CO2-Austoßes des Flugzeuges allein.
Artikel Abschnitt: Volles Auto oder leere Bahn – was ist umweltfreundlicher?
Volles Auto oder leere Bahn – was ist umweltfreundlicher?
Wären die Fahrzeuge voll besetzt, also zu 100 Prozent ausgelastet, würden sich die Emissionswerte zum Teil deutlich verringern. Andersrum natürlich genauso: Säße nur ein Mensch im ICE von Köln nach Frankfurt, so wären die Pro-Kopf-Werte auf dieser Strecke viel höher als bei durchschnittlicher Auslastung. Auf einer Strecke von 100 Kilometern wäre das Auto sogar fast so klimafreundlich wie die Bahn – solange es mit fünf Personen voll besetzt ist: 3,8 Kilogramm CO2 entstünden pro Person im Pkw, der Verbrauch einer Person im ICE oder IC läge bei 3,6 Kilogramm.
Die Bahn fährt sowieso
Martin Lange zufolge, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Schadstoffminderung und Energieeinsparung im Verkehr am UBA, ergeben diese Gedankenspiele allerdings wenig Sinn. Erstens seien Fälle wie "voll besetztes Auto" oder "leerer Zug" bereits in die Berechnungen des UBA einbezogen. An den Durchschnittswerten würde sich also erst einmal nichts ändern. Zweitens stelle jeder zusätzliche Weg mit dem Pkw auf jeden Fall eine weitere Umweltbelastung dar. Denn die Bahn fahre sowieso.
Artikel Abschnitt: Ist die Deutsche Bahn wirklich so grün, wie sie vorgibt?
Ist die Deutsche Bahn wirklich so grün, wie sie vorgibt?
Man könnte das nun so verstehen, dass die DB ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien fährt. Tatsächlich ist der Anteil von grünem Strom am gesamten Bahnstrommix hoch: 2018 waren es 57 Prozent. Im Vergleich zum Strommix für Gesamtdeutschland ist die Bahn damit vorbildlich: In der öffentlichen Stromversorgung stammen nur etwa 47 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen. Trotzdem hat die grüne Weste der DB ein paar Schmutzflecken: Ein Drittel ihrer Energie kommt weiter aus fossilen Energieträgern wie Steinkohle, Braunkohle oder Erdgas. Auch neun Prozent Kernenergie sind dabei.
Die grüne Energie fließt ins Gesamt-DB-Netz
"100 Prozent Ökostrom im Fernverkehr" entstehen dadurch, dass der Konzern genau so viel Ökostrom in sein Netz bringt, wie er im Fernverkehr voraussichtlich benötigt. Die grüne Energie fließt dann aber nicht nur in die Oberleitungen von ICE, sondern ins gesamte DB-Netz. Er landet also auch bei anderen Zügen. Umgekehrt genauso: Es gibt keinen Mechanismus, der verhindert, dass Strom aus Kohle im Fernverkehr landet. Denn innerhalb eines Netzes kommt die Energie meist aus dem nächstgelegenen Kraftwerk. Das Ökoversprechen ist also eher prozentual zu verstehen – und gilt nur für die Züge im Fernverkehr, nicht für alle Züge.
Zu wenig elektrische Oberleitungen
Umweltschützer:innen kritisieren immer wieder, dass die Bahn hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibe. Zwar fährt laut DB mehr als 90 Prozent ihres Zugverkehrs elektrisch. Aber nur 60 Prozent des Schienennetzes in Deutschland hat elektrische Oberleitungen. Auf den restlichen Strecken werden dieselbetriebene Loks eingesetzt. Laut Bundesregierung sollen bis zum Jahr 2025 mindestens 70 Prozent des Schienennetzes über eine Oberleitung verfügen. Dem Interessenverband Allianz pro Schiene zufolge geschieht dieser Ausbau jedoch zu langsam. Denn das Potenzial ist prinzipiell groß: Wäre das gesamte Netz mit Strom betrieben, könnte die DB den Ökostromanteil theoretisch auf 100 Prozent steigern – nicht nur für die Reisenden im Fernverkehr, sondern für alle Züge.
Artikel Abschnitt: Wie lässt sich der Verkehr grüner gestalten?
Wie lässt sich der Verkehr grüner gestalten?
Batteriebetriebene Züge und elektrische Flugzeuge
Eine andere Alternative für Dieselloks wären batteriebetriebene Züge. Dazu testet die TU Berlin gemeinsam mit Bombardier derzeit einen Prototypen für Kurzstrecken. Auch an elektrischen Flugzeugen wird geforscht. Diese wären vor allem für Kurzstreckenflüge, etwa von London nach Amsterdam, interessant. Flieger, die mit gespeichertem Ökostrom statt Kerosin fliegen, würden die Umwelt deutlich entlasten.
E-Autos und Oberleitungs-Lkw
Nicht nur in der Luft, auch auf den Straßen soll es weniger Abgase geben. Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (Ifeu) erstellt derzeit eine Roadmap für die Einführung von Oberleitungs-Lkw, die dann ähnlich wie Züge mit Strom angetrieben werden. Anfang 2019 fuhren 83.200 E-Autos auf deutschen Straßen. Ein Jahr zuvor waren es noch 29.000 weniger. Weg von fossilen, hin zu erneuerbaren Kraftquellen: Die Energiewende ist das Kernelement eines treibhausgasneutralen Verkehrs.
Klimaneutral bis 2050
Zusätzlich müssten aber vor allem strukturelle Änderungen her. Im Rahmen des Forschungsprojekts Renewbility wurden im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Möglichkeiten aufgezeigt, um die Treibhausgasemissionen des Verkehrs zu verringern. Bis 2050 klimaneutral zu sein, war das erklärte Ziel. Die gute Nachricht: Es ist prinzipiell möglich. Die schlechte: Es wird unbequem. Feste Abgasgrenzwerte, höhere Kraftstoffpreise oder eine Pkw-Maut lösen bei Autofahrer:innen keine Freudentänze aus.
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Könnt ihr bitte in die link Angebote auch Mastodon aufnehmen? So muss ich immer umständlich die URL kopieren, um meine Follower zu informieren.
Und es wird Zeit für einen Quarks-Account im Fediverse bei inzwischen weltweit 15 Millionen Usern!
Gerne notieren wir uns deinen Wunsch und sprechen in der Redaktion darüber!
Was ist dann besser? Ich und meine Familie (4 Personen) fliegen von Frankfurt nach Berlin in einem nicht voll besetzten Flugzeug oder fahren zu viert mit dem PKW? Absolut gesehen fliegt das Flugzeug eh und es ist CO2 betrachtet besser, wenn ich fliege und nicht zusätzlich zum eh stattfindenden Flug… Weiterlesen »
Das stimmt zwar auf kurze Sicht, aber mit der Nachfrage bestimmt man in dem Fall auch das Angebot. Wenn weniger Leute fliegen, wird vielleicht nur noch ein Flug am Tag nötig, dann nur noch einer alle zwei Tage.
Nein, die Bahn fährt nicht sowieso. Die Anzahl der Fahrt-Angebote im Plan ist abhängig von der Nachfrage und die wird überwacht. Ich kann zwar nicht auf Wunsch fahren (wie beim Auto) aber wenn ich und andere viel fahren, bemerkt die Bahn, dass die Züge voller werden und fährt öfter. Warum… Weiterlesen »
BTW. ich hab kein Pkw, Fliegen ist für Vögel, und fahre Liegefahrad.
Hilft mir nit. Bus oder Bahn, was ist umweltverträchlicher?