Artikel Kopfzeile:
Klimawandel
Ist das 1,5-Grad-Ziel noch realistisch?
Wenn es um das 1,5-Grad-Ziel geht, heißt es oft: Das klappt sowieso nicht, der Klimawandel ist schon zu weit fortgeschritten. Was ist dran und wie sehen die Folgen aus?
Sprungmarken des Artikels:
Artikel Abschnitt: Wie weit sind wir von 1,5 Grad Erwärmung entfernt?
Wie weit sind wir von 1,5 Grad Erwärmung entfernt?
iframe embed
Artikel Abschnitt:
Dass 1,5 Grad nun überschritten wurden, heißt nicht automatisch, dass das Ziel gescheitert ist. Denn das bezieht sich normalerweise auf längerfristige Messungen und Mittelwerte von zwanzig oder dreißig Jahren. So war es in der Periode 2011–2020 um 1,09 Grad Celsius wärmer als zwischen 1850 und 1900, schreibt der Weltklimarat IPCC.
Hitzerekord von 2024 mit Sondereffekt
Der Hitzerekord von 2024 könnte allerdings auch mit einem Sondereffekt zusammenhängen. Es gibt Hinweise, dass die Erwärmung 2025 wieder unter die Grenze von 1,5 Grad sinken könnte. 2024 wurde nämlich von dem Wetterphänomen El Niño beeinflusst, das für zusätzliche Hitze sorgt. Das Phänomen ist im Frühsommer 2024 allerdings zu Ende gegangen.
Weitere Angaben zum Artikel:
El Niño hat für zusätzliche Hitze gesorgt
Im Sommer 2023 hat laut Weltwetterorganisation WMO eine El-Niño-Phase begonnen, die für zusätzliche Aufheizung gesorgt hat. Diese Phase hat bis Mai 2024 angedauert. Aber auch danach waren die Temperaturen global weiter deutlich über dem Durchschnitt. El Niño hatte also nur einen kleinen zusätzlichen Effekt auf die Temperaturen.
Mehr über El Niño kannst du hier nachlesen.
Artikel Abschnitt:
Wann das 1,5-Grad-Ziel verfehlt wird
Das bedeutet: Es gibt wohl nicht den einen Moment, in dem sich alle einig sind, dass das 1,5-Grad-Ziel verfehlt wurde. Sondern eher mehrere Momente, in denen unterschiedliche Organisationen verkünden, dass es nun endgültig gerissen wurde.
1,5-Grad-Ziel ein politisches Ziel
Das klingt verwirrend – liegt aber einfach daran, dass das 1,5-Grad-Ziel von Anfang an ein politisches Ziel war. Es hat geholfen, um die dringliche Botschaft "Wir müssen Emissionen radikal reduzieren" auf eine messbare, greifbare Zahl herunterzubrechen. Das kann es auch jetzt noch, allerdings warnen Klimaforschende davor, sich zu sehr in theoretischen Diskussionen zu verlieren und zu lange zu grübeln, an welchem Punkt genau das Ziel verfehlt wurde.
Artikel Abschnitt: Warum gibt es das 1,5-Grad-Ziel überhaupt?
Warum gibt es das 1,5-Grad-Ziel überhaupt?
- die globale Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen (im Vergleich zur vorindustriellen Zeit, der Durchschnittstemperatur von 1850 bis 1900)
- wenn möglich, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen (wieder im Vergleich zur vorindustriellen Zeit).
Grenzen der Politik mit wissenschaftlicher Basis
Diese Grenzen sind zwar von der Politik bestimmt worden, haben aber eine wissenschaftliche Basis. Die Klimaforschung, die der Weltklimarat IPCC in regelmäßigen Berichten zusammenträgt, zeigt deutlich: Ab einer Erwärmung von über 1,5 Grad nehmen die Klimarisiken rasant zu. Das gilt ebenfalls für eine Erwärmung über 2 Grad.
So könnten beispielsweise ganze Regionen der Erde nicht mehr bewohnbar sein, weil die Hitze dort wochen- oder sogar monatelang tödlich wäre. Auch die Ernte von wichtigen Ernährungspflanzen würde weltweit dann immer schwieriger werden, was zu Hungersnöten führen kann.
iframe embed
Artikel Abschnitt: Wie realistisch ist es, dass wir 1,5 Grad doch noch einhalten?
Wie realistisch ist es, dass wir 1,5 Grad doch noch einhalten?
Der Klimaforscher Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie sagte dem Science Media Center dazu: „Das 1,5-Grad-Ziel ist praktisch bereits heute Geschichte. Wer noch immer propagiert, die Welt könne unter 1,5 Grad Erwärmung bleiben, gibt sich Illusionen hin. Wir müssen der Wirklichkeit ins Auge blicken und uns auf diese steigende Erwärmung einstellen.“
Klimaschutz aufzugeben ist keine Alternative
Konkret heißt das: Zwar ist das 1,5-Grad-Ziel jetzt noch nicht offiziell gescheitert. Aber selbst höchste Anstrengungen reichen nicht aus, um es doch noch zu erreichen. Die Alternative ist aber nicht, Klimaschutzbemühungen aufzugeben. Das Pariser Abkommen sieht vor, die Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen – besser 1,5 Grad. Aber auch wenn die 1,5 Grad praktisch unerreichbar sind, ist eine unter zwei Grad wärmere Welt immer noch sicherer als eine, die 2,5 oder 3 Grad wärmer ist.
Einen winzigen Hoffnungsschimmer gibt es immerhin: Zwar sind die Emissionen auch 2024 nochmal leicht gestiegen. Mittlerweile steigen sie aber deutlich langsamer und nähern sich einer Stagnation an. Ein Grund: Erneuerbare Energien werden aktuell schnell ausgebaut, sodass fossile Energien weniger benötigt werden. Damit die Emissionen künftig sinken, müssen fossile Energien aber auch wirklich zurückgefahren werden – ohne eine solche Reduzierung bringt der Ausbau der erneuerbaren Energien wenig für die Emissionen.
iframe embed
Artikel Abschnitt:
Klimaziele scheitern eher an sozialen Fallstricken
Wenn die Ziele aus dem Pariser Abkommen scheitern, dann liegt das nicht an ihrer grundsätzlichen technischen Machbarkeit, sondern auch an sozialen Fallstricken. Das untersucht der regelmäßig erscheinende Hamburg Climate Futures Outlook – ein sozialwissenschaftlicher Bericht, der nicht die Machbarkeit von 1,5 Grad untersucht, sondern ihre Plausibilität.
Soziale Dynamiken stellen Klimaschutz infrage
"Wir sehen, dass mit Blick auf aktuelle politische, soziale und ökonomische Dynamiken das 1,5-Grad-Ziel einfach nicht plausibel ist, weil zu viele soziale Treiber dem Ziel entgegenwirken", sagt Jan Wilkens, Politikwissenschaftler und Mitherausgeber des Berichts. "Es gibt zwar wichtige Fortschritte, zum Beispiel im Ausbau erneuerbarer Energien. Allerdings befinden wir uns trotzdem nicht auf dem richtigen Pfad in Richtung der Pariser Klimaziele.“
In dem Bericht wurden zehn soziale Treiber untersucht, die für oder gegen Klimaschutz arbeiten – unter anderem die Klimapolitik der Vereinten Nationen, Unternehmensstrategien, Konsumverhalten und Klimaproteste. Einige dieser Treiber wirken zwar grundsätzlich in Richtung Emissionsreduzierung, allerdings nicht stark genug.
Andere, insbesondere das Konsumverhalten, wirken sogar entgegen der Emissionsreduzierung. "Außerdem gibt es soziale Dynamiken, dass die Notwendigkeit von Klimaschutz wieder stärker infrage gestellt wird. Oder zumindest die Geschwindigkeit von Klimaschutz infrage gestellt wird", sagt Wilkens. Das schade zusätzlich dem Ziel, Emissionen schnell zu reduzieren.
Artikel Abschnitt:
Klimaziele der Staaten reichen nicht aus
Das bestätigt auch der Emissions Gap Report des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Demnach reichen die Ziele, die die einzelnen Staaten für den Klimaschutz gesetzt haben, nicht aus, um die Emissionen so weit zu begrenzen, wie es für eine Erwärmung deutlich unter zwei Grad nötig wäre.
Zwar ist Klimaforschung immer mit einer gewissen Unsicherheit verbunden – man kann aber eben schon ausrechnen, wie viele Emissionen man maximal noch ausstoßen darf, damit die Ziele aus dem Pariser Abkommen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit noch eingehalten werden können. Dieser errechnet Wert ist das verbleibende CO2-Budget. Und dieser Wert wird eben überschritten, wenn die Staaten ihre Maßnahmen nicht deutlich nachbessern.
Ein weiteres Problem dabei: Es reicht eben nicht nur, wenn sich Staaten Klimaschutzziele setzen, die theoretisch für eine Erwärmung unter 2 Grad ausreichen. Sie müssen diese Ziele auch einhalten, und das schätzt der UN-Report ähnlich pessimistisch ein. Demnach befindet sich kein einziger der G20-Mitgliedsstaaten aktuell auf einem Weg, mit dem sie die selbstgesetzten Emissionsreduktionsziele einhalten würden.
Artikel Abschnitt: Was passiert, wenn 1,5 Grad endgültig überschritten werden?
Was passiert, wenn 1,5 Grad endgültig überschritten werden?
Diese Klimarisiken nehmen auch in Zukunft weiter zu, und zwar stetig, nicht plötzlich. Aber: Je weiter die Temperatur steigt, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kipppunkt im Klimasystem überschritten wird. Dann könnte sich die Erwärmung schnell steigern.
iframe embed
Artikel Abschnitt:
Dass 1,5 Grad nun zum ersten Mal überschritten wurden, bedeutet nicht, dass alle Klimaschutzbemühungen umsonst sind. Das Ziel bleibt dasselbe: die globalen Emissionen so schnell zu reduzieren, wie es irgendwie möglich ist, um die Erwärmung möglichst bald zu begrenzen. Daran ändert eine Temperaturüberschreitung nichts.
Über den/die AutorIn:
Quellenangaben zum Artikel:
Social Sharing:
Artikel Überschrift:
Zunächst vielen Dank dafür das Quarks dieses zentrale und enorme wichtige Thema weiter hoch hält 👍 Aber trotzdem habe ich da einiges an Kritik, tw stimmen Aussagen so nicht: „Laut dem EU-Klimaüberwachungsdienst Copernicus war 2024 sogar 1,6 Grad wärmer als der vorindustrielle Zeitraum 1850-1900. Das liegt zum größten Teil an… Weiterlesen »