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Hühnereier
Darum sterben immer noch Küken
Seit Anfang 2022 darf in Deutschland kein Küken mehr wegen seines Geschlechts getötet werden. Doch das Problem ist nicht aus der Welt, denn im Ausland geht das Kükentöten weiter.
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In Deutschland ist Kükentöten verboten – im Ausland nicht
Circa 40 Millionen männliche Küken wurden jährlich in Deutschland getötet. Seit dem 1. Januar 2022 ist das gesetzlich untersagt. Damit ist Deutschland weltweit das erste Land mit einem derartigen Kükentötungsverbot.
Kritische Bilanz nach dem Verbot
Zwei Jahre nach dem gesetzlichen Verbot zieht die Verbraucherschutzorganisation "Foodwatch" jedoch kritisch Bilanz. "Legehennen leiden weiterhin für billige Eier, und was mit den 'Bruderhähnen' passiert, ist oftmals unklar", sagt Annemarie Botzki von Foodwatch. Das Problem des Kükentötens sei nicht gelöst, sondern lediglich verlagert worden. "Der Verbleib der männlichen Küken, die aufgezogen werden, ist ungewiss – ihr Fleisch von minderwertiger Qualität wird vermutlich zu Heimtierfutter oder in ausländische Märkte geschifft."
Und der internationale Handel ermöglicht weitere Schlupflöcher. "Während das Töten männlicher Küken in Deutschland untersagt wurde, ist der Import nach Deutschland von Eiern und Hennen aus Betrieben, in denen das Kükentöten weiterhin praktiziert wird, nach wie vor erlaubt", sagt Dietmar Tepe, Geschäftsführer des Vereins für kontrollierte alternative Tierhaltungsformen e. V. (KAT).
Im Ausland geht das Kükentöten weiter
Es gebe in Deutschland nicht ausreichend Kapazitäten, um den Bedarf der Bevölkerung an Eiern und Junghennen zu decken. "Dies hat dazu geführt, dass das Problem in vielen Fällen ins Ausland verlagert wurde", so Tepe.
Vom Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft gibt es Kritik am Gesetz. Die Bundesregierung würde einen nationalen Alleingang machen, der Wettbewerbsnachteile für die deutsche Geflügelwirtschaft bringe. Ausländische Brütereien können weiterhin die männlichen Küken am ersten Lebenstag töten.
Auf Siegel und Kennzeichen achten
Legehennenbetriebe in Deutschland können weiterhin Junghennen beziehen, die in solchen ausländischen Brütereien geschlüpft sind. Häufig finden das Schlüpfen und die Aufzucht der Küken in anderen Betrieben statt als später die Haltung und das Eierlegen der erwachsenen Tiere. Am Ende können die Eier dieser Legehennen als deutsche Eier verkauft werden, folgert die Verbraucherschutzzentrale.
Deshalb bedeutet das Kükentöten-Gesetz nicht, dass grundsätzlich für deutsche Eier keine Küken mehr getötet werden. Wer diese Eier nicht kaufen möchte, muss auf die Kennzeichnung "ohne Kükentöten" oder das "KAT"-Siegel achten.
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Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Forschende haben Lösungen – und arbeiten an weiteren
Vier Methoden stellen wir hier vor:
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Die Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie
Bei der Spektroskopie des Hühnereis wird mit einem optischen Laser gearbeitet. Dieser kann 72 Stunden nach dem Legen das Geschlecht des Embryos im Ei ermitteln. Die Methode macht sich die unterschiedliche Größe der männlichen und weiblichen Geschlechtschromosomen bei Hühnern zunutze.
Bei der Methode muss zunächst mithilfe eines Lasers ein kleines Loch in die Kalkschale des Eies geschnitten werden. Dann wird mit einem weiteren Laser, der eine geringere Lichtintensität besitzt, die eigentliche Spektroskopie durchgeführt. Die Forschenden erkennen so, wie hoch der Anteil der Nukleinsäure bei dem Embryo ist oder wie die Proteine aussehen.
Nach der Analyse wird das Loch in der Schale mit einem Pflaster wieder verschlossen, wenn es sich um weibliche Küken handelt. Die männlichen Embryonen würden nicht mehr weiter bebrütet.
Die Kernspintomografie
An der TU München setzten Forschende auf die Kernspintomografie (MRT), wobei die Technik sowohl das Geschlecht als auch den Befruchtungsstatus bestimmt. Die Eierschale wird dabei nicht beschädigt. „Somit wird der Embryo nicht in der Entwicklung gestört und es entsteht keine potenzielle Eintrittspforte für Keime in das Ei, wie es bei anderen Methoden der Geschlechtsbestimmung der Fall ist“, sagen die Professoren Benjamin Schusser und Axel Haase.
Millionenfach sei diese Technik in der Humanmedizin erprobt worden. Sie habe dabei keine negativen Effekte auf den Organismus gehabt, so die beiden Forscher.
Die Endokrinologie-Methode
Ein weiteres Projekt ist das sogenannte endokrinologische Verfahren, das Wissenschaftler:innen der Universität Leipzig entwickelt haben. Bei der In-Ovo-Geschlechtsbestimmung stechen die Forschenden das Ei mit einer feinen Nadel an, nachdem es neun Tage lang angebrütet wurde. Die Nadel entnimmt Flüssigkeit, welche die Forschenden in einen Marker geben. Dieser zeigt ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest an, ob der Embryo weiblich oder männlich ist.
Der Embryo bleibt bei dem Verfahren laut der Entwickler:innen unversehrt. Das Einstichloch ist so klein, dass es nicht verschlossen werden muss. Das endokrinologische Verfahren wird bereits angewandt, weiterentwickelt und hat sich in Deutschland mittlerweile etabliert.
Die Genschere CRISPR/Cas
Bei dieser Methode erhalten Hennen mit der sogenannten Genschere CRISPR/Cas ein markierendes Gen, das allerdings nur auf die männlichen Eier übertragen wird. Werden diese Eier unter UV-Licht gehalten, beginnen sie zu leuchten und können aussortiert werden. Die weiblichen Eier werden ausgebrütet.
Unternehmen aus Israel und Australien arbeiten an dieser Methode. Die Entwicklung soll sich in einem fortgeschrittenen Stadium befinden. Innerhalb der Europäischen Union scheint dieses Verfahren aber ohnehin kein Lösungsansatz zu sein. Hier gelten die Eier als gentechnisch verändert und dürfen deshalb nicht verkauft werden.
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
In den ersten zwölf Tagen ist Töten noch erlaubt
Wer genau auf die Gesetzeslage guckt, wird noch ein erstaunliches Detail finden. Es ist in Deutschland zwar seit 2022 verboten, männliche Küken zu töten. Aber bis zu welchem Zeitpunkt dürfen die Embryonen aussortiert werden?
Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ist das Schmerzempfinden der Hühnerembryonen nach aktuellem Forschungsstand erst ab dem 13. Bebrütungstag nicht mehr ausgeschlossen. Deshalb ist es erlaubt, sie bis zum 12. Bruttag auszusortieren.
Das halten Tierschutz-Gruppen für ethisch problematisch. Sie argumentieren, dass die potenzielle Lebensfähigkeit der Tiere ignoriert werde, wenn die Embryonen getötet werden.
Foodwatch zeigt auf, dass vor allem das Grundproblem nicht gelöst werde. Dass Hühner in der modernen Agrarindustrie entweder für eine extreme Legeleistung oder eine extreme Mastleistung gezüchtet werden, ändert sich durch das Kükentöten-Verbot nicht. Die grundsätzlichen Probleme bleiben, da das System auf der massenhaften Nutzung und Tötung von Tieren basiert.
Weitere Angaben zum Artikel:
Eierkonsum steigt
In Deutschland wurden 2024 insgesamt 20,8 Milliarden Eier verbraucht. Dabei werden Eier mitgezählt, die in Eiprodukten wie etwa Nudeln verarbeitet sind. Rechnerisch kommt das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft für 2024 auf 249 Eier pro Person – also 10 mehr als im Jahr davor.
Der Eierverbrauch pro Person entspricht ungefähr der Anzahl an Eiern, die eine Henne im Jahr legt. Die sogenannte Legeleistung lag 2024 bei 295 Eiern je Henne. Weil immer mehr Eier verbraucht werden, wächst auch die Anzahl der Legehennen.
2024 gab es 51,4 Millionen Legehennen in Deutschland, 2012 noch 10 Millionen weniger. Sie erzeugen etwa 72 Prozent der Eier, die in Deutschland direkt in den Verkauf gehen. Zusätzlich werden Eier aus dem Ausland importiert. Eier mit Schale kommen meistens aus den Niederlanden.
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Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Weiterforschen, weiterforschen, weiterforschen
Wer darüber hinaus etwas gegen das Kükentöten unternehmen möchte, kann weniger Eier verzehren oder Eier aus der Bruderhahn-Initiative von sogenannten "Zweinutzungshühnern" kaufen.
Was du über das kurze Leben eines Hähnchens wissen musst.
Fleisch und Eier von einer Rasse
Diese Zweinutzungshühner stammen aus einer bestimmten Rasse, bei denen sowohl die Hähne als auch die Hennen genutzt werden. Die Hennen legen weniger und teilweise kleinere Eier als gewöhnliche Legehennen. Die Hähne wachsen langsamer und werden nicht so groß wie konventionelle Masthühner. Trotzdem können Betriebe sowohl die Eier als auch das Fleisch verkaufen.
Die Mast der männlichen Küken dauert fast 3,5 Mal länger als bei Hühnern aus Mastzüchtungen: bis zu 22 Wochen anstatt der normalerweise 42 Tage (bei einer Langmast). Um die männlichen Küken aus der Legehennenzucht trotzdem weiterleben zu lassen, kosten die gelegten Eier der Hennen etwas mehr. Experten wie Prof. Bernhard Hörning von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde halten die Mehrkosten mit 1–4 Cent pro Ei für überschaubar.
Mit dem Aufpreis wird das Futter der männlichen Küken finanziert und ihr Fleisch kann zu normalen Preise angeboten werden. Das Bruderhahn-Fleisch gibt es vor allem im Biomarkt. Es ist zäher als die klassische konventionelle Hähnchenbrust.
Von der Eier-Maschine zum Suppenhuhn
Auch die Hennen aus der Bruderhahn-Initiative finden noch Verwendung und werden als Suppenhühner verkauft. Bruderhahn-Eier gibt es mittlerweile in fast jedem Supermarkt, sogar aus konventioneller Landwirtschaft.
Die Zweinutzungshühner haben allerdings nur einen Marktanteil von unter einem Prozent. Mit der Umstellung auf eine kükentötenfreie Produktion stand zunächst die Aufzucht der Bruderhähne als Alternative im Fokus. "In den letzten Jahren hat sich jedoch gezeigt, dass die Verfahren zur Geschlechtsbestimmung im Ei zunehmend den Markt dominieren", sagt Dietmar Tepe von KAT.
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EU-weites Kükentöten-Verbot angestrebt
Da in anderen Ländern der EU sowie weltweit weiterhin das Töten männlicher Küken gängige Praxis ist, setzen sich Tierschutzorganisationen für ein Verbot in der gesamten EU ein. Bisher haben Frankreich, Österreich und Luxemburg nationale Beschränkungen.
Die EU-Kommission hat auf eine französisch-deutsche Initiative hin angekündigt, einen Vorschlag für eine EU-weite Beendigung des Kükentötens vorzulegen.
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Quellenangaben zum Artikel:
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