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Intercropping im Ackerbau
So nachhaltig sind Mischkulturen
Mischkulturen bringen viele Vorteile. Der Ökolandbau wendet diese Methode schon längst an, der konventionelle Ackerbau braucht noch Zeit.
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Mischkulturen in der Landwirtschaft
Ökologisch bewirtschaftet wurden 2018 gerade einmal 9,1 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche. Nach den Plänen der Bundesregierung sollen es 2030 immerhin 20 Prozent sein. Damit ist Deutschland nach wie vor ein Land des konventionellen Ackerbaus: Um möglichst viel zu ernten, bauen Landwirte dort meist nur eine Getreidesorte an und nutzen mineralische Düngemittel sowie chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel. Letztere töten nicht nur Pflanzenschädlinge, sondern auch Wildkräuter und Nutzinsekten. Wird zu viel Dünger aufgebracht, belastet dies zudem den Boden und schadet der Umwelt.
Ökolandbau denkt nachhaltig
Ökolandwirte versuchen, ihre Felder umweltschonend und nachhaltig zu bestellen. Dafür verzichten sie auf Pestizide und mineralischen Dünger. So vermeiden sie eine Überdüngung und ermöglichen es Wildkräutern und Insekten, sich im und am Feld anzusiedeln. Damit die Felder dennoch ausreichend Ertrag bringen, nutzen sie alternative Anbaumethoden.
Dazu gehören zum Beispiel:
- Pflanzen wie Lupinen reduzieren den Bedarf an Düngemitteln. Denn sie binden Stickstoff aus der Luft und lagern ihn in den Pflanzen ein. Als Gründünger untergepflügt, reichern sie den Boden mit Nährstoffen an. Bekannte Stickstofffixierer sind Hülsenfrüchtler (Leguminosen). Zu ihnen gehören neben Lupinen auch Bohnen, Erbsen und Soja (Körnerleguminosen) sowie verschiedene Kleearten und Luzerne.
- Während in der konventionellen Landwirtschaft oft viel freie Ackerfläche vorhanden ist – etwa zwischen den Reihen der Maispflanzen oder nach der Ernte –, setzen Ökolandwirte auf sogenannte Zwischenfrüchte und Untersaaten. Sie sorgen dafür, dass der Boden einen großen Teil des Jahres bedeckt ist. Das reduziert unerwünschte Wildkräuter – und somit den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln – und schützt gegen Bodenerosion durch Wand und Wasser.
- Sinnvolle Fruchtfolgen nutzen den Boden optimal aus, ohne ihn übermäßig zu belasten. Das bedeutet etwa, dass die Landwirte im einen Jahr eine sogenannte starkzehrende Kultur wie Mais anbauen und im nächsten einen sogenannten Schwachzehrer wie Bohnen oder Zwiebeln. So kann sich der Boden zwischendurch immer wieder erholen.
Manche Landwirte setzen auch darauf, unterschiedliche Nutzpflanzenarten und -sorten nicht nacheinander, sondern gleichzeitig anzubauen. Das nennt man Mischkultur.
Mischkulturen sparen Düngemittel
Chinesische und niederländische Forschende haben sich diese Mischkulturen in einer globalen Metastudie aus dem Jahr 2020 genauer angeschaut. Nachdem sie sich durch 500 Datensätze gewühlt hatten, kam etwas Erstaunliches heraus: Wenn Landwirte auf demselben Feld gleichzeitig verschiedene Kulturen anbauten, konnten sie ein Drittel Düngemittel sparen – im Vergleich zu Reinkulturen. Gleichzeitig stieg der Ertrag.
Mischkultur – oder im Englischen: Intercropping – kann vieles heißen: vom wilden Durchmischen zweier oder mehrerer Feldfrüchte bis zum streifenweisen Anbau, von gleichzeitiger Aussaat und Ernte bis zu zeitversetzter Bewirtschaftung. Mais wächst dann neben Bohnen oder Lupinen, Erbsen neben Gerste. Wichtig ist, dass die Pflanzen sich nicht gegenseitig Nährstoffe und Platz streitig machen.
Neu ist dieses Konzept nicht: In China hat es eine 1000 Jahre alte Tradition. Dort wird auch heute noch auf etwa drei Prozent der Ackerbaufläche mit Mischkulturen gearbeitet. Wie groß der Flächenanteil in Deutschland und Europa ist, ist nicht bekannt.
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Darum müssen wir drüber sprechen:
Mischkulturen haben Vorteile gegenüber Reinkulturen
1. Mischkulturen lockern und werten den Boden auf
Der gleichzeitige Anbau unterschiedlicher Ackerfrüchte hat erst einmal einen ganz praktischen Nutzen. Insbesondere Hülsenfrüchtler wie Erbsen, Bohnen und Lupinen lockern mit ihren Wurzeln den Boden und sorgen so für mehr Leben im Erdreich. Ein weiterer Vorteil: "Sie dringen auch in tiefere Bodenschichten vor und schaffen so bessere Bedingungen für Getreidewurzeln“, sagt Professor Ralf Uptmoor von der Universität Rostock. Seine Forschungsgebiete sind unter anderem Nährstoffeffizienz und Stresstoleranz bei verschiedenen Kulturpflanzenarten.
Hülsenfrüchtler sind Stickstoffsammler, die den Boden mit diesem lebenswichtigen Nährstoff anreichern. Durch symbiotische Beziehungen können sie zudem Phosphat und Mineralstoffe wie Kupfer und Zink verfügbar machen. "Zwei Kulturen, die unterschiedliche Ansprüche haben, können außerdem im Boden vorhandene Nährstoffe günstiger ausnutzen“, sagt Professor Wolfgang Kath-Petersen von der Technischen Hochschule Köln. Der Agrarwissenschaftler forscht am Institut für Bau- und Landmaschinentechnik zu Themen wie Ackerhygiene – etwa der Schädlingsbekämpfung auf Feldern mit ackerbaulichen Methoden – oder mechanische Unkrautbekämpfung. Ökobauern und -bäuerinnen müssen so weniger mineralischen Dünger einsetzen oder können sogar komplett darauf verzichten.
2. Mischkulturen reduzieren unerwünschte Wildkräuter
Auf einem Acker mit viel freier Fläche zwischen Kulturpflanzen wachsen schnell unerwünschte Beikräuter. In der konventionellen Landwirtschaft werden diese mit Pestiziden in Schach gehalten. Es geht aber auch anders: Untersaaten wie Klee zum Beispiel unterdrücken Wildkräuter. "Wenn das Getreide dann gedroschen wird, wächst der Klee weiter und kann später noch als Futterpflanze geerntet werden“, sagt Wolfgang Kath-Petersen. Und wo Mais und Ackerbohne in trauter Gemeinsamkeit wachsen, haben Wildkräuter weniger Chancen.
Wildkräuter komplett zu unterdrücken, ist nicht unbedingt im Sinne des Ökolandbaus. Denn Wildkräuter auf Ökofeldern locken ebenso wie Blühstreifen nicht nur Wildbienen und damit potenzielle Blütenbestäuber an, sondern auch Schwebfliegen. "Die Larven einiger Arten fressen Blattläuse und damit potenzielle Schädlinge“, sagt Uptmoor.
Durch Mischkulturen können Landwirte also den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln (Herbizide) reduzieren oder sogar komplett weglassen. Etwa 8,8 Kilogramm Pflanzenschutzmittel pro Hektar Anbaufläche setzen konventionelle Landwirte jährlich ein. Dazu gehören neben Herbiziden auch Pestizide (Schädlingsbekämpfung) oder Fungizide (pilzhemmende oder -abtötende Mittel), die vor allem die Gesundheit und Unversehrtheit der Kulturpflanze gewährleisten sollen.
3. Mischkulturen halten Feldfrüchte gesund
In Getreidereinkulturen können sich Krankheitserreger oder Schädlinge ungehindert ausbreiten. Denn die Pflanzen stehen sehr nah zusammen. Damit sie trotzdem gut wachsen und hohen Ertrag bringen, müssen Landwirte Nährstoffe über Mineraldünger einbringen und Wildkräuter sowie Pflanzenschädlinge mit Pflanzenschutzmitteln bekämpfen.
Wechseln sich aber breite Streifen unterschiedlicher Kulturpflanzen ab, haben Pilze und Käfer kein so leichtes Spiel. "Sie wirken gewissermaßen wie eine mechanische Barriere“, sagt Uptmoor. Kath-Petersen sieht einen weiteren Nutzen: "Pflanzen können sich auch gegenseitig durch pflanzenphysiologische Eigenarten schützen und zum Beispiel Schädlinge abschrecken.“ Im Gemüsegarten sind Mischkulturen und Pflanzfolgen gang und gäbe. Petersilie zwischen Möhren gepflanzt hält die Möhrenfliege ab. Ringelblumen vertreiben Fadenwürmer. "Solche Effekte nutzen wir auch im Ackerbau“, sagt Kath-Petersen.
4. Mischkulturen schützen vor Totalausfall
Die Sommer 2018 und 2019 waren zu heiß und zu trocken, der Klimawandel sorgte für Ertragsausfälle. Für 2020 sieht es nicht besser aus. Bauen Landwirte aber unterschiedliche Kulturpflanzen gleichzeitig an, kompensieren diese Totalausfälle. "Ich habe eine deutlich bessere Risikostreuung, wenn zum Beispiel im Frühjahr Niederschläge ausbleiben“, sagt Kath-Petersen. "Gründe dafür sind nicht nur unterschiedliche Wasser- und Nährstoffansprüche, sondern auch Effekte wie die gegenseitige Beschattung.“ Eine geschlossene Pflanzendecke sorgt dafür, dass nicht so viel Wasser verdunstet.
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Mischkulturen und konventioneller Ackerbau passen (noch) nicht zusammen
Mischkulturen müssen sorgfältig geplant werden
"Man muss darauf achten, dass beide Kulturen vom Aussaat- und Erntetermin zusammenpassen“, sagt Kath-Petersen. Saat und Ernte in wachsenden Beständen seien zwar möglich, aber sehr kompliziert. Deshalb ist es wichtig, dass eine gewünschte Kombination aus zum Beispiel Getreide und Hülsenfrüchtlern perfekt zusammenpasst. Bedacht werden müssen neben Abreifeterminen auch Faktoren wie Standort und Nährstoffbedarf. Beispiele für solche Kulturpaare sind beispielsweise Sommergerste mit Erbse oder Ackerbohne mit Hafer. Allerdings machen Mischkulturen das System Ackerbau auch deutlich komplizierter, sagt Uptmoor: "Mais wird auch deshalb viel angebaut, weil es eine einfache Kultur ist. Wenn ich Mais nun mit einer Leguminose, also einem Hülsenfrüchtler, kombiniere, dann mache ich aus einem sehr einfachen ein sehr kompliziertes Kulturverfahren mit möglicherweise nicht mal mehr Ertrag am Ende“.
Mischkulturen sind nicht kompatibel mit schwerem Gerät
"Wir arbeiten im konventionellen Ackerbau mit Maschinen, die eine Arbeitsbreite von bis zu 36 Metern haben“, sagt Uptmoor. Eine solche Produktion sei ausschließlich auf Effizienz ausgelegt. Systeme mit unterschiedlichen Kulturen in schmalen Streifen oder kleinen Parzellen würden die Produktion viel zu teuer machen, denn sie seien arbeitsintensiver. Ein Mähdrescher mit zwölf Metern Arbeitsbreite schafft die Getreideernte auf einem großen Feld deutlich schneller, als wenn ein Landwirt zahlreiche Reihen Getreide einzeln ernten muss.
Mischkulturen vertragen keine herkömmlichen Herbizide
Beim konventionellen Ackerbau setzen Landwirte Düngemittel und Pflanzenschutzmittel flächendeckend ein. Nur so können sie den gewünschten Ertrag auf einer entsprechenden Fläche erreichen. Allerdings werden viele Wildkräuter resistent gegenüber herkömmlichen Herbiziden, sodass regelmäßig neue Pflanzenschutzmittel entwickelt werden müssen. Gleichzeitig vertragen nicht alle Mischkulturpartner jedes Herbizid gleich gut.
Uptmoor spricht von Herbizidmanagement: "Lupinen oder Bohnen reagieren sehr empfindlich auf die meisten Standardgetreideherbizide.“ Es bleibt also nur der Verzicht – undenkbar in der konventionellen Landwirtschaft. Oder: Der Landwirt muss Pflanzenschutzmittel spätestens direkt nach der Aussaat aufbringen, solange die Kulturpflanze noch nicht gekeimt ist. "Mais wächst anfangs aber sehr langsam, sodass er in der Regel später erneut mit einem Herbizid behandelt wird“, sagt Uptmoor. Bleibt dies aus, überwachsen unter Umständen Wildkräuter die jungen Pflänzchen.
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Und jetzt?
So hat Intercropping auch im konventionellen Ackerbau eine Chance
Mit einem Blick auf proteinreiche Futtermittel erläutert Uptmoor außerdem: "Das meiste Soja für Tierfutter wird importiert und ist oft gentechnisch verändert.“ Europäisches Soja und andere Hülsenfrüchtler könnten hier mehr Unabhängigkeit bringen.
Ob Landwirte bald großflächig Getreide und Hülsenfrüchtler gemeinsam anbauen, macht Kath-Petersen von der technischen Entwicklung abhängig. Wenn man auf giftige Unkrautvernichter verzichten will, braucht man sowohl eine effiziente mechanische Unkrautbekämpfung als auch praxistaugliche, also kleine und wendige Ernteroboter. "Bei rollenden Werkzeugen, die dicht an den Kulturpflanzen arbeiten, besteht immer die Gefahr, dass sie die Wurzel oder die Pflanze beschädigen. Sensoren ermöglichen es, dass solche autonomen Systeme auch in einer Reihe Unkraut bekämpfen“, sagt der Agrarwissenschaftler. Das sei momentan die größte Herausforderung und eine Anwendung moderner Technologien in Deutschland noch nicht in Sicht.
Allerdings schlägt er alternative Mischkulturansätze vor. Stichwort: Spot farming. Dabei unterteilen Landwirte mehrere Hektar große Ackerflächen in viele kleine Teilflächen von 50 oder 100 Quadratmetern und kombinieren so unterschiedliche Kulturen miteinander. Solche Areale können auch mit größerem Gerät bearbeitet und einzelne Flächen gezielt abgeerntet werden, ohne das Feld links und rechts zu beeinträchtigen. Ein weiterer Vorteil dieser Methode ist, dass auf den Teilflächen optimal an die Bodengegebenheiten angepasste Feldfrüchte ihren Platz finden können.
"Aufgrund der natürlichen Bodenentstehung sind unsere Ackerböden heterogen“, sagt Kath-Petersen und ergänzt: "Beim Spot Farming lässt sich deutlich gerichteter düngen.“ Auch so könne die konventionelle Landwirtschaft wieder lernen, das Gleichgewicht von Boden und Kultur mehr zu berücksichtigen. Auf jeden Fall müssten die Ertragsanforderungen heruntergeschraubt werden, ist der Kölner Forscher überzeugt. "Der chemische Pflanzenschutz suggeriert dem Landwirt, dass es keine Probleme gibt, und gewährleistet gleichzeitig Ertragssicherheit.“ Das kann der ökologische Landbau nicht leisten. Aber muss er das überhaupt? Kath-Petersen: "Es stellt sich die Frage, ob wir so ein hohes Ertragsniveau benötigen. Allein weniger Fleisch zu essen, würde eine vernünftige und nachhaltige Landwirtschaft in Deutschland möglich machen.“
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Leider sind Mischkulturen so gut wie nicht Handelsfähig!
Wer kauft eine „Mischkultur“?