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Corona und Psyche
Das macht soziale
Isolation mit uns
Isolation mit uns
Seit über einem Jahr halten wir Abstand und verzichten auf Kontakte. Das kann Folgen haben – noch Monate und Jahre später.
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Inhalt
- Darum geht’s: Wir alle haben seit einem Jahr kaum Kontakte
- Darum müssen wir drüber sprechen: Soziale Isolation kann weitreichende Folgen für die psychische Gesundheit haben
- Aber: Noch ist nicht absehbar, wie sich die Isolation langfristig auswirkt
- Und jetzt? So könnten wir besser mit Isolation klarkommen
- Darum geht’s: Wir alle haben seit einem Jahr kaum Kontakte
- Darum müssen wir drüber sprechen: Soziale Isolation kann weitreichende Folgen für die psychische Gesundheit haben
- Aber: Noch ist nicht absehbar, wie sich die Isolation langfristig auswirkt
- Und jetzt? So könnten wir besser mit Isolation klarkommen
Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Wir alle haben seit einem Jahr kaum Kontakte
Nur: Eigentlich sind Menschen auf soziale Kontakte angewiesen, in Krisenzeiten noch mehr als sonst. "Wir brauchen die soziale Welt als Informationsquelle", sagt Prof. Jan Häusser, der als Sozialpsychologe an der Universität Gießen forscht. "In Situationen, in denen wir nicht genau wissen, was passiert, orientieren wir uns an anderen. Wie verhalten sie sich, wie sehen sie die Lage? Das können wir gerade nicht im selben Ausmaß wie normalerweise tun."
Durch eine Kontaktbeschränkung verlieren wir diese Informationsquelle, zumindest zu einem Teil. Und soziale Isolation kann darüber hinaus konkrete Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben – nicht nur ganz akut währenddessen, sondern auch Monate später. Allerdings ist es schwierig, diese Folgen in Zahlen zu fassen und zum jetzigen Zeitpunkt das ganze Ausmaß zu bemessen.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Soziale Isolation kann weitreichende Folgen für die psychische Gesundheit haben
Entsprechend gibt es auch wenige wissenschaftliche Untersuchungen darüber, welche Folgen die derzeitigen Beschränkungen haben. In einer Überblicksarbeit haben Forschende zusammengefasst, welche Studien es zu psychologischen Folgen von Quarantäne gibt. Dafür haben sie 24 Arbeiten ausgewertet. In den Studien betrug die Quarantäne in der Regel zwei bis drei Wochen. Untersucht wurden unterschiedliche Gruppen: Krankenhausangestellte, Bürger:innen, Studierende und Schüler:innen. Die Erfahrungen beruhen unter anderem auf Untersuchungen während der SARS-Epidemie 2003 und der Ebola-Epidemie.
1. Akute Phase: Während der Isolation
Die Forschenden betonen, dass Betroffene Quarantänemaßnahmen in der Regel als Stress-Situation erleben. In einer Studie, die in der Überblicksarbeit genannt wird, treten etwa bei jedem Fünften negative Gefühle wie Angst, Nervosität und Traurigkeit auf. Auch Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Erschöpfung, Wut und Stress werden in verschiedenen Untersuchungen beobachtet.
In einigen Studien wurden ausschließlich Menschen untersucht, die im Gesundheitssystem arbeiten und wegen Kontakt mit infizierten Patient:innen in Quarantäne gehen mussten. Bei manchen von ihnen wurde eine akute Belastungsreaktion beobachtet, außerdem Erschöpfung, Konzentrationsschwäche und Ängste. Viele der Menschen in Quarantäne haben außerdem Angst, sich selbst mit dem Virus angesteckt zu haben – oder aber eine Gefahr für andere zu sein.
Auch Langeweile und Frustration während der Quarantäne sind ein häufiges Problem. Dies wird vor allem darauf zurückgeführt, dass Alltagsroutinen fehlen, genau wie sozialer Kontakt zu anderen Menschen. Verschlimmert werden diese Gefühle dadurch, dass die Menschen in Quarantäne keinen alltäglichen Beschäftigungen nachgehen dürfen, wie dem Einkauf von Alltagsbedarf.
In einer 2020 erschienenen Studie beobachteten Forschende zudem, wie schnell wir regelrecht nach sozialen Kontakten hungern. Sie isolierten dafür Menschen für zehn Stunden komplett – ohne soziale Interaktionen oder andere soziale Stimuli zuzulassen. Das hieß: kein Kontakt zu anderen, aber auch keine sozialen Medien, keine E-Mails und keine fiktionale Unterhaltung. Nach zehn Stunden sahen die Forschenden neuronale Reaktionen im Mittelhirn, die denen von hungrigen Personen ähnelten. Sie schlossen daraus: Nach einer Isolation hungern wir ähnlich stark nach Kontakten wie nach Nahrung bei körperlichem Hunger.
2. Wenige Wochen nach der Isolation
In einer Studie aus dem Jahr 2007 wurden Menschen einige Wochen nach dem Ende einer Quarantäne befragt, die wegen eines SARS-Ausbruchs in Kanada notwendig wurde. Die Quarantäne hatte das Verhalten vieler Befragter verändert.
- 54 Prozent mieden Menschen, die niesten oder husteten.
- ein Viertel vermied es, sich auf überfüllten Plätzen aufzuhalten
- 21 Prozent mieden sämtliche öffentliche Plätze
3. Einige Monate danach
Wer schon einmal unter einer psychischen Erkrankung gelitten hat, kann die Auswirkungen einer Quarantäne auch Monate später noch spüren, vor allem in Form von Angstzuständen oder Wut. Auch wer während einer Quarantäne keine Grundversorgung erfuhr – also keinen ausreichenden Zugriff auf Lebensmittel, Wasser oder etwa Kleidung hatte – kann Monate später noch Frustration und Ängste empfinden. Dasselbe trifft auch auf Menschen zu, die durch die Quarantäne finanzielle Nachteile erleiden mussten.
4. Drei Jahre danach
Die Forschenden beobachteten bei Angestellten im Gesundheitswesen, dass eine Quarantäne ein Prädiktor dafür war, ob sie drei Jahre später an posttraumatischem Stress erkrankt waren. Das bedeutet: Wer in Quarantäne war, erkrankte später häufiger. Auch Suchterkrankungen traten drei Jahre später häufiger auf, vor allem Alkoholmissbrauch wurde als Problem beobachtet.
Wie sind die Ergebnisse einzuordnen?
Auch wenn es nicht viele belastbare Daten zu psychischen Auswirkungen solcher Krisen gibt – eine so lange soziale Abstinenz gab es einfach in der Form noch nicht –, halten Psycholog:innen die Ergebnisse der Übersichtsarbeit für plausibel. Die Ursachen für mögliche Probleme sind vielschichtig. Klar ist: Sogenannte äußere Stressoren spielen eine wichtige Rolle für unsere psychische Gesundheit. "Singles fühlen sich möglicherweise einsam. Andere Menschen werden möglicherweise aggressiv", sagt der Psychologe John Rauthmann von der Universität Bielefeld.
Bei solchen Menschen und denjenigen, die zu Depressionen neigen, könnte sich die Wahrscheinlichkeit eines depressiven Schubs erhöhen, betont Psychologe und Psychotherapeut Jürgen Margraf, Professor an der Ruhr-Universität Bochum. Die derzeitigen Beschränkungen, die er eher als "räumliche Distanz" bezeichnet, könnten den passiven Rückzug einiger Menschen verstärken. Und dieser Rückzug sei beispielsweise typisch für eine depressive Phase.
Existenzangst kann ebenfalls eine Rolle spielen
Und auch die Existenzangst, die viele Menschen spüren, kann Folgen haben. "Das ist ein enormer Stressor und kann negative Gefühle verstärken", sagt der Psychologe Ralph Hertwig vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. In Deutschland warnen Verbände vor mehr häuslicher Gewalt in einer Extremsituation, wie sie derzeit auch in Deutschland herrscht. So weist auch das Bundesgesundheitsministerium auf seinen Internetseiten auf entsprechende Hilfsangebote hin.
Artikel Abschnitt: Aber:
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Noch ist nicht absehbar, wie sich die Isolation langfristig auswirkt
Humorvolle und Kreative haben Vorteile
Grundsätzlich können Menschen Ausnahmesituationen schon aushalten, jeder geht ganz anders mit Krisen um. "Es gibt Faktoren, die in der Persönlichkeit liegen. Davon hängt ab, wie resilient ein Mensch in so einer Situation ist", sagt Psychologe John Rauthmann. Manche könnten sogar gestärkt aus einer Krisensituation hervorgehen.
Prinzipiell gelte: Humorvollen Menschen falle es leichter, Einschränkungen hinzunehmen, denn Humor ist ein guter Abwehrmechanismus. Auch kreative Menschen hätten eher die Tendenz, Dinge auf die Beine zu stellen, die sie immer schon mal machen wollten. Schüchterne und introvertierte Menschen empfänden die Situation als gar nicht so schlimm, sie seien sogar teilweise ganz froh, wenn sie einfach mal ohne schlechtes Gewissen zu Hause bleiben können.
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
So könnten wir besser mit Isolation klarkommen
"Wenn wir Stressoren als kalkulierbar einschätzen, können wir so einen Zustand recht lange aushalten", meint auch Psychologe Jürgen Margraf. Wenn Menschen das Gefühl haben, Dinge freiwillig zu tun und für einen guten Zweck, helfe das enorm. Daneben ist laut der Übersichtsstudie auch wichtig, Langeweile zu bekämpfen und soziale Kontakte so gut wie möglich digital zu pflegen. Die Forschenden betrachten die sozialen Medien als ein wichtiges Instrument, um den Anschluss an die Gesellschaft zu erhalten.
Rückkehr in eine Welt nach der Pandemie
Wenn die Corona-Pandemie irgendwann überstanden ist, wird der Weg zurück zudem eher schrittweise passieren. Es wird vermutlich keinen Tag X geben, an dem alles wieder für alle möglich sein wird. "Manche Maßnahmen bleiben vielleicht noch lange erhalten, etwa dass wir im Flugzeug die Maske tragen. Es wird eine langsame Rückkehr zu einer alten Normalität", sagt Jan Häusser. Das könnte uns aber wiederum dabei helfen, den Weg zurück auch leichter zu finden und nicht davon überfordert zu sein.
Strategien, die helfen können
Bei schwerwiegenderen psychischen Auswirkungen bis hin zu Erkrankungen sind ein Besuch beim Arzt oder einer Ärztin, der Kontakt zu einer psychotherapeutischen Praxis oder der Anruf bei einer Beratungshotline am sinnvollsten. Aber manche Stressoren wie beispielsweise eine fehlende Routine lassen sich auch schneller bekämpfen:
• jedem Tag eine Struktur geben
• Ziele definieren – und überlegen, wie diese erreicht werden können
• Bewegen!
• kreativ werden: eine Beschäftigung suchen, der man vielleicht immer schon mal nachgehen wollte
• nicht zu viele Nachrichten konsumieren; die Informationen auf fest gelegte Zeiten und seriöse Quellen beschränken
• soziale Medien können in dieser Situation helfen, den Kontakt zu Menschen zu halten oder wieder zu suchen
• die Aufmerksamkeit auf positive Aspekte lenken: mehr Qualitätszeit für bestimmte Dinge (Familie/Buch lesen/am Sixpack arbeiten …)
Welche Auswirkungen die Ausgangsbeschränkungen, die monatelange soziale Distanz und für einige auch die Quarantänemaßnahmen aber wirklich haben, werden wir vermutlich erst rückblickend herausfinden. Wenn die Krise einigermaßen überstanden ist und wenn die Forschung entsprechende Daten gesammelt und ausgewertet hat.
Über den/die AutorIn:
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