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Selbstloses Helfen
Warum Altruismus sinnvoll ist
Einander zu helfen ist für das Funktionieren einer Gesellschaft unerlässlich. Aber warum sollten wir jemandem helfen, ohne eine Gegenleistung zu erwarten? Oder wenn es uns sogar schaden könnte?
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Inhalt
- Was ist Altruismus?
- Können nur Menschen altruistisch handeln?
- Ist altruistisches Verhalten wirklich selbstlos?
- Welche körperlichen und geistigen Vorteile bringt Altruismus?
- Wie lassen sich altruistische und nicht altruistische Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen erklären?
- Wann verhalten wir uns eher altruistisch?
- Lässt sich Altruismus trainieren?
- Altruisten ticken anders – gibt es Unterschiede im Gehirn?
- Was ist Altruismus?
- Können nur Menschen altruistisch handeln?
- Ist altruistisches Verhalten wirklich selbstlos?
- Welche körperlichen und geistigen Vorteile bringt Altruismus?
- Wie lassen sich altruistische und nicht altruistische Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen erklären?
- Wann verhalten wir uns eher altruistisch?
- Lässt sich Altruismus trainieren?
- Altruisten ticken anders – gibt es Unterschiede im Gehirn?
Artikel Abschnitt: Was ist Altruismus?
Was ist Altruismus?
Ist die Handlung freiwillig, weil ich selbst es möchte oder weil ich weiß, dass ich beobachtet werde und gut dastehen will? Wie groß ist mein Nachteil? Schließlich macht es einen Unterschied, ob ich meinen Zug verpasse, weil ich jemandem helfe, oder ob ich mich dabei selbst in Lebensgefahr begebe.
Und schließlich: In der Definition geht es nicht darum, ob meine Handlung letztendlich wirklich hilfreich war. Allein der Gedanke, helfen zu wollen, ist entscheidend, nicht das Ergebnis.
Artikel Abschnitt: Können nur Menschen altruistisch handeln?
Können nur Menschen altruistisch handeln?
Beispiele für Altruismus bei Tieren
Trotzdem gibt es auch Beispiele für altruistisches Verhalten bei Tieren, die mit dem menschlichen vergleichbar sind. Schimpansen etwa adoptieren verwaiste Jungtiere, obwohl das sehr kostspielig für sie ist. Schließlich verwenden sie somit viel Zeit und Energie darauf, ein Kind aufzuziehen, das nicht ihr eigenes Erbgut in sich trägt.
Nun sind Schimpansen dem Menschen in ihrem Verhalten allgemein noch recht nahe. Doch auch bei Ratten haben Forschende in einem Experiment empathisches Verhalten gezeigt: Die Tiere lernten, Käfigtüren zu öffnen, um eine gefangene Ratte zu befreien. Sie interessierten sich dabei nicht für leere Käfige, waren also wohl vom Mitgefühl für das andere Tier motiviert. Zudem ließen sie die Ratte auch dann aus ihrem Gefängnis, wenn sie ein Stück Schokolade in der Arena hatten, und teilten das Futter sogar.
Artikel Abschnitt: Ist altruistisches Verhalten wirklich selbstlos?
Ist altruistisches Verhalten wirklich selbstlos?
Helfen wir beispielsweise einem Familienmitglied, dient das in gewisser Weise der Evolution - schließlich helfen wir damit auch teilweise unseren eigenen Genen.
Bei Freunden und Bekannten mag es sein, dass wir sie unterstützen, um unsere Beliebtheit zu steigern. So bekommen wir also doch etwas zurück. Und selbst, wenn wir Unbekannten helfen oder Geld spenden, kann das von unserem Umfeld positiv aufgenommen werden und uns gut aussehen lassen.
In manchen Situationen befolgen wir auch einfach die Regeln. Die Gesellschaft erwartet von uns, dass wir bei einem Unfall helfen, selbst wenn wir dadurch zu spät zu einem Termin kommen. Hier kann auch die Angst vor einem Verstoß gegen die Norm eine Rolle spielen: Wir könnten vor Freunden nicht zugeben, dass wir einen Verletzten ignoriert haben, um das Fußballspiel nicht zu verpassen. Sonst würden sie uns möglicherweise mit Verachtung strafen.
Hilfsbereitschaft fühlt sich gut an
Umgekehrt fühlen wir uns selbst besser, wenn wir eine gute Tat vollbracht haben. Man nennt es “warm glow” – das warme Gefühl im Bauch, das uns altruistisches Verhalten beschert. Das hat auch mit Selbstwirksamkeit zu tun, erklärt Dr. Anne Böckler-Raettig, Professorin der Psychologie an der Leibniz-Universität Hannover. “Man spürt, dass man etwas bewirkt hat – das steigert den eigenen Selbstwert.”
Solche Überlegungen führen immer wieder zu einer Debatte: Ist ein Verhalten überhaupt noch altruistisch, wenn wir letztendlich doch selbst etwas davon haben? Diese Frage wird wohl nie abschließend geklärt werden. Aber sehen wir es mal aus den Augen derjenigen, die Hilfe bekommen. Ist es wirklich wichtig, warum wir geholfen haben? Ist es nicht umso besser, wenn wir selbst auch indirekt davon profitieren und altruistisches Verhalten somit sogar für Egoisten sinnvoll wird?
Artikel Abschnitt: Welche körperlichen und geistigen Vorteile bringt Altruismus?
Welche körperlichen und geistigen Vorteile bringt Altruismus?
Fit im Kopf
Beispielsweise lassen die geistigen Fähigkeiten bei altruistischeren Personen im Alter weniger nach als bei Menschen, die eher den eigenen Vorteil suchen. In manchen Studien schätzen die Teilnehmenden ihre Hilfsbereitschaft selbst ein. Es kann natürlich passieren, dass sie (absichtlich oder versehentlich) übertreiben – dann wäre es vielleicht sogar eher das positive Selbstbild, welches das Gehirn auf Trab hält. Eine Studie, die über 14 Jahre mehr als 13.000 Teilnehmer:innen im Blick behielt, nutzte ehrenamtliche Tätigkeit als eine Art Nachweis für prosoziales Handeln. Auch hier zeigte sich: Die geistige Fitness der Freiwilligen blieb besser erhalten als bei den Teilnehmenden, die sich nicht ehrenamtlich engagierten.
Vorteile für Körper und Geist
Sowohl psychisch als auch körperlich geht es uns besser, wenn wir anderen Menschen helfen. Spannenderweise ist altruistisches Verhalten für unsere psychische Gesundheit vor allem dann gut, wenn wir uns der positiven Auswirkungen bewusst sind. Also: Ihr seid hiermit informiert.
Eine gute Tat kann selbst Schmerzen lindern. Das gilt für akuten Schmerz, aber auch für chronische Leiden von Krebspatient:innen, wie eine chinesische Studie zeigt. Die Wissenschaftlerinnen schauten sich unter anderem an, was dabei im Gehirn passiert: Tatsächlich reagierten einige Gehirnregionen weniger auf die schmerzhaften Signale.
Wie sich unser Verhalten auf die Gesundheit auswirkt, hängt auch vom Alter ab. Offenbar überwiegen bei jungen Menschen eher die psychischen Vorteile und das allgemeine Wohlgefühl, während ältere Menschen eher körperlich gesünder bleiben.
Interessanterweise schadet es Altruisten sogar, wenn sie ihrer natürlichen Neigung zum Helfen nicht nachgehen können. Das legt eine Studie mit Studierenden während der Corona-Pandemie nahe. Darin zeigte sich, dass hilfsbereitere Menschen eher unter dem “Lockdown” litten und depressive Symptome oder Angststörungen bekamen.
Artikel Abschnitt: Wie lassen sich altruistische und nicht altruistische Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen erklären?
Wie lassen sich altruistische und nicht altruistische Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen erklären?
Dabei ist eine häufige Frage: Ist es sinnvoller, zu kooperieren oder den eigenen Vorteil zu suchen? Nehmen wir an, zwei Personen spielen ein Spiel. Jeder hat pro Runde eine Münze. Wirft eine die Münze in eine Maschine, bekommt die andere Person drei Münzen heraus – und umgekehrt. Jetzt haben beide die Wahl: Kooperieren (Münze einwerfen) oder schummeln (Münze behalten)? Behält eine Person ihre Münze, hat sie am Ende der Runde insgesamt vier Münzen, die andere Person geht leer aus.
Man begegnet sich immer zweimal im Leben ...
Auf den ersten Blick ist es sinnvoller, zu schummeln und den größten Gewinn einzustreichen. Aber was, wenn das Spiel eine weitere Runde läuft? Nun könnte die zweite Person ebenfalls keine Lust mehr haben, ihre Münze zu investieren. Es kommt also darauf an, ob man sich ein zweites Mal begegnet – was im Leben bekanntlich immer geschieht.
Die Spieltheorie analysiert unendlich viele Szenarien und Strategien. Neben den Personen, die immer kooperieren oder immer schummeln, gibt es auch solche, die alles nachmachen. Oder solche, die manchmal schummeln. Oder, oder, oder ... Schon kleine Variationen verändern, welche Strategie die beste ist: wie viele Runden gespielt werden, wie hoch der Einsatz ist und ob man weiß, wann das Spiel beendet wird. Spieltheorie ist zudem viel komplexer und berücksichtigt noch ganz andere Faktoren, wie etwa die Möglichkeit von Fehlern. Belassen wir es aber erst mal dabei.
Was uns das Gedankenexperiment bereits jetzt zeigt: Nicht nur die Persönlichkeit legt fest, ob wir altruistisch handeln. “Es wird oft unterschätzt, wie wichtig es ist, in welcher Situation wir uns befinden”, sagt Anne Böckler-Raettig. So helfe man eher, wenn man sich kompetent oder zuständig fühlt oder wenn es einen Blickkontakt mit dem Hilfsbedürftigen gibt. Auch in Notsituationen sind altruistische Taten häufiger zu beobachten. Das habe man etwa zu Beginn der Corona-Pandemie gesehen, sagt Dr. Steffen Sigmund, Soziologe am Max-Weber-Institut für Soziologie in Heidelberg. “Kurz- und mittelfristige Hilfe in der Not ist eine Sache. In der Normalität prosozial zu handeln, eine ganz andere.”
Artikel Abschnitt: Wann verhalten wir uns eher altruistisch?
Wann verhalten wir uns eher altruistisch?
Der Watching-Eye-Effekt
Der Blick ist eine wichtige Komponente, um die Aufmerksamkeit auf eine Situation zu lenken, in der Hilfe benötigt wird. Natürlich fühlen wir uns eher angesprochen, wenn uns jemand direkt ansieht. Es muss aber nicht einmal eine reale Person sein: Auch das Bild von Augen motiviert uns beispielsweise, Geld in einen Spendentopf zu werfen. In der Wissenschaft wird das als “Watching Eye Effect” bezeichnet.
2018 ging eine amerikanische Forschungsgruppe der Frage nach, ob es tatsächlich darum geht, dass man sich beobachtet fühlt. Oder reicht es vielleicht, dass man an die Gegenwart von Menschen erinnert wird? Die Forschenden hängten in einem Museum für Kinder Spendenaufrufe auf, die wochenweise entweder Augen, Nase, Mund oder einen Stuhl zeigten. Siehe da: Die Spendenkasse füllte sich besonders, wenn die Augen zu sehen waren.
Kenne das Opfer
Ein anderer äußerer Umstand motiviert uns ebenfalls eher zum Helfen: Wenn wir die Person kennen, die Hilfe benötigt. Das geht weit über Familie und Freunde hinaus. Denken wir an die Aufrufe, sich bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) für Knochenmarkspenden zu registrieren. Prinzipiell wissen wir natürlich, dass es viele Menschen gibt, die eine solche Spende dringend benötigen. Wenn aber eine Aktion gestartet wird, bei der die DKMS “eine Spenderin für die kleine Jana” sucht, sind viele Menschen eher bereit, die Zeit für eine Typisierung zu investieren.
“Kennen” bedeutet also nicht, persönlich mit der Person gesprochen zu haben. Aber es hilft, ein Bild vor Augen zu haben oder wenigstens den Namen zu wissen.
Tue Gutes und rede darüber
Selbst, wenn wir die Hilfsbedürftigen nicht immer kennen, erinnern wir uns sicher an eine Situation, in der uns jemand geholfen hat. Auch das kann unser eigenes Verhalten motivieren, sagt Anne Böckler-Raettig: “Helfen ist sehr ansteckend.” Erfahren wir also etwas Gutes, geben wir das gerne weiter. Und so könnte sich Altruismus ausbreiten. Dazu kommt, dass wir unsere Handlungen oft an anderen Menschen orientieren. Geht bei einer Veranstaltung ein Spendenbeutel rum, schielen wir vielleicht verstohlen nach links und rechts, um zu sehen, was die Umstehenden tun. Schließlich wollen wir nicht mit Kleingeld klimpern, wenn alle anderen Scheine hineinstecken – oder umgekehrt.
Wenn also etwa wohltätige Organisationen zur Schau stellen, welche guten Taten sie vollbringen, dann ist das keine Angeberei. Vielmehr hilft es, andere Menschen zum Mitmachen zu animieren. Natürlich können wir anonym spenden, wenn uns die Aufmerksamkeit unangenehm ist. Effektiver ist es sicher, wenn wir darüber sprechen, denn dann motivieren wir möglicherweise die Menschen in unserem Umfeld dazu, sich ebenfalls zu engagieren.
Artikel Abschnitt: Lässt sich Altruismus trainieren?
Lässt sich Altruismus trainieren?
Anne Böckler-Raettig untersuchte 2018 mit ihren Kollegen, ob ein Training zur Verbesserung von Mitgefühl oder geistigen Fähigkeiten das altruistische Verhalten stärken kann. Dazu ließen sie über 300 Teilnehmende 9 Monate lang ein Training absolvieren. Es gab drei verschiedene Trainingsarten, von denen nur eine den Altruismus verbesserte: das Training für Fürsorge und Mitgefühl.
Es stellt sich natürlich die Frage, wer so ein Training mitmachen würde. Wenn wir genug Motivation haben, unsere Hilfsbereitschaft zu stärken, haben wir es dann überhaupt nötig? Vermutlich würden genau die Menschen, die es dringend bräuchten, solch ein Training belächeln und ablehnen.
Früh anfangen
Wahrscheinlich ist es das Beste, wenn wir Kindern von Anfang an altruistisches Verhalten vorleben. Es hat sich gezeigt, dass bereits wenige Monate alte Kinder eher hilfsbereit handeln oder ein solches Verhalten erwarten. Von da an hängt ihre Entwicklung davon ab, was sie von ihrem Umfeld erfahren. Sie lernen sehr schnell, dass Empathie und prosoziales Verhalten wie das Trösten zusammenhängen.
Je mehr wir selbst uns altruistisch oder wenigstens hilfsbereit verhalten, desto eher werden unsere Kinder es ebenfalls tun. Dabei ist es auch wichtig, dass Institutionen wie Schulen prosoziales Verhalten belohnen oder zumindest anerkennen, betont Steffen Sigmund. “Auf dem Zeugnis stehen die Noten, aber die sozialen Aspekte finden kaum Beachtung – etwa, wenn man beim Sanitätsdienst mitmacht oder sich anderweitig engagiert.” Würden auch solche Aktivitäten gewürdigt, liefere das weitere Anreize, Hilfsbereitschaft ganz natürlich in den Alltag zu integrieren.
Artikel Abschnitt: Altruisten ticken anders – gibt es Unterschiede im Gehirn?
Altruisten ticken anders – gibt es Unterschiede im Gehirn?
Dazu untersuchten sie und ihre Kolleginnen besondere Altruisten, in diesem Fall Menschen, die eine ihrer Nieren an eine fremde Person gespendet hatten. Dabei zeigte sich, dass Altruisten eine größere Amygdala haben – eine Gehirnregion, die Emotionen reguliert. Die Amygdala reagierte außerdem stärker, wenn die Testpersonen Gesichter mit einem ängstlichen Ausdruck sahen.
Das Gegenteil davon hatte Marsh bereits bei Psychopathen entdeckt: Sie haben eine kleinere Amygdala mit geringerer Reaktion auf einen ängstlichen Gesichtsausdruck. Ob freilich der Unterschied im Gehirn das Verhalten bestimmt oder eher dadurch verursacht wurde, wissen wir nicht. Es ist jedenfalls keine Option, sich einfach darauf auszuruhen und zu sagen “Mein Gehirn ist bestimmt nicht für Selbstlosigkeit gemacht”. Denn das Gehirn ist ständig im Wandel, lernt neue Verhaltensweisen und vergisst andere.
„Auch hier zeigte sich: Die geistige Fitness der Freiwilligen blieb besser erhalten als bei den Teilnehmenden, die sich nicht ehrenamtlich engagierten.“ Das dies auf altruistisches Verhalten zurück zu führen ist halte ich zumindest für fraglich! Wahrscheinlich sind es doch eher die vermehrten sozialen Kontakte und die geistige Beanspruchung durch die… Weiterlesen »
Ehrenamtliche Arbeit kann ganz unterschiedlich aussehen und führt nicht zwangsweise zu vermehrten sozialen Kontakten. Aber du hast natürlich recht, dass das auch einen Einfluss auf die geistige Fitness haben kann!
Weeeeee
Ehrlich, ich habe in meinen 80jährigen Leben noch nie einen solchen Blödsinn über Altruismus gelesen und gehört wie in Ihrem Artikel
Wieso, was ist denn daran Blödsinn?
Meine Frage zu den zitierten letzten beiden Sätzen: Könnte Menschen zu nachdenklichen Fragen anregen, warum bisher noch nie in irgendeinem sinnvollen Leben sinnvoll war, sich einfach auf einem festen Glaubenssatz »auszuruhen und zu sagen „Mein Gehirn ist bestimmt nicht für Selbstlosigkeit gemacht“? Denn das Gehirn ist ständig im Wandel, lernt… Weiterlesen »