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Mediennutzung
Wie lange dürfen Kinder vor einem Bildschirm sitzen?
Handy, Fernsehen, Tablet und Co. werden häufig verteufelt. Eltern sind unsicher, was sie ihren Kindern erlauben dürfen. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
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Inhalt
- Wie lange dürfen Kinder vor einem Bildschirm sitzen?
- Wie lange nutzen Kinder Medien tatsächlich?
- Kann zu viel Zeit vor dem Bildschirm krank machen?
- Welche positiven Einflüsse haben Fernsehen, Handy und Co?
- Warum widersprechen sich manche Studien scheinbar?
- Macht es einen Unterschied, welche Medien Kinder nutzen?
- Worauf können Eltern achten?
- Wie lange dürfen Kinder vor einem Bildschirm sitzen?
- Wie lange nutzen Kinder Medien tatsächlich?
- Kann zu viel Zeit vor dem Bildschirm krank machen?
- Welche positiven Einflüsse haben Fernsehen, Handy und Co?
- Warum widersprechen sich manche Studien scheinbar?
- Macht es einen Unterschied, welche Medien Kinder nutzen?
- Worauf können Eltern achten?
Artikel Abschnitt: Wie lange dürfen Kinder vor einem Bildschirm sitzen?
Wie lange dürfen Kinder vor einem Bildschirm sitzen?
Dennoch gibt es allgemeine Empfehlungen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) rät für die tägliche Mediennutzung für Kinder von null bis zehn Jahren Folgendes:
0–3 Jahre: am besten keine Bildschirmmedien, höchstens 30 Minuten Hörmedien, regelmäßiges Anschauen und Vorlesen von Büchern
3–6 Jahre: höchstens 30 Minuten vor dem Bildschirm, höchstens 45 Minuten Hörmedien, regelmäßiges Anschauen und Vorlesen von Büchern
6–10 Jahre: höchstens 45-60 Minuten Bildschirmmedien, höchstens 60 Minuten Hörmedien, regelmäßiges Vorlesen oder Lesen
Und für ältere Kinder und Jugendliche empfiehlt die BZgA auf der Informationsseite "ins-netz-gehen.info" folgende Richtwerte:
10–12 Jahre: eine Stunde pro Tag oder sieben Stunden pro Woche
13–14 Jahre: 1,5 Stunden pro Tag oder 10,5 Stunden pro Woche
15–16 Jahre: zwei bis 2,5 Stunden pro Tag oder 14–17,5 Stunden pro Woche
Gleichzeitig betont die BZgA aber auch, dass ihre Empfehlungen nur zur Orientierung dienen, dass Ausnahmen erlaubt sind und dass Familien am besten Regeln festlegen, nach denen sich alle im Normalfall richten.
Genaue Dauer nicht unbedingt ausschlaggebend
Sowieso sollten wir nicht zu viel Wert auf die Minutenzahlen legen, sagt die Kinder- und Jugendpsychotherapeutin Ariadne Sartorius. "Die Frage ist doch: Was macht das Kind anstatt der Bildschirmnutzung?" Es helfe nichts, einem Grundschulkind das Fernsehen zu verbieten und gleichzeitig zu verlangen, dass es ohne weitere Beschäftigung leise dasitzt, während die Eltern im Homeoffice arbeiten.
Gerade im Corona-Lockdown gab es für Kinder und Jugendliche oft wenig anderes zu tun, als die digitalen Medien zu nutzen – etwa auch, um so ihre sozialen Kontakte zu pflegen. "Wir müssen also immer sehen, was für die ganze Familie realistisch ist." Dass darunter die Familienzeit, die Freundschaften und Hobbys nicht leiden dürfen, ist für Ariadne Sartorius einer der wichtigsten Aspekte. Solange das gut funktioniert, seien ein paar Minuten mehr oder weniger vor dem Fernseher oder Computer nicht so schlimm.
Artikel Abschnitt: Wie lange nutzen Kinder Medien tatsächlich?
Wie lange nutzen Kinder Medien tatsächlich?
Das überschreitet deutlich die Empfehlung von maximal 60 Minuten der BZgA. Mit steigendem Alter nimmt vor allem die Internetnutzung stark zu, andere Medien wie Streaming und Mediatheken verändern sich weniger.
Insgesamt kommen 12 -bis 13-Jährige auf eine Bildschirmzeit von etwa 313 Minuten, also mehr als fünf Stunden. Das ist ziemlich lang, aber zumindest kann man argumentieren, dass die etwa 84 Minuten Internetzeit auch der Recherche für Hausaufgaben dienen können.
Dann stellt sich natürlich die Frage: Ist Zeit vor einem Bildschirm besser oder zumindest weniger schädlich, wenn sie lehrreich ist und der Schule dient? Das zu beantworten, ist ungemein schwierig und hängt von vielen Faktoren und Perspektiven ab. Mehr zu den Auswirkungen der Bildschirmzeit insgesamt besprechen wir hier.
Corona hat die Bildschirmzeit erhöht
Zusätzlich müssen wir bedenken, dass Schüler:innen seit Beginn der Corona-Pandemie häufig durch Homeschooling und Wechselunterricht gar keine andere Wahl hatten, als lange Zeit vor Bildschirmen zu sitzen.
Die Befragungen für die KIM-Studie 2020 fanden im September und Oktober 2020 statt. Zu dieser Zeit waren die Corona-Beschränkungen zwar weniger strikt als in den vorherigen Monaten, in den Schulen war zum Teil Präsenzunterricht möglich. Trotzdem sind die Antworten natürlich von Corona beeinflusst und es zeigt sich, dass deutlich mehr Kinder Zugang zu Computern und Laptops haben oder die Geräte selbst besitzen, als noch in der KIM-Studie 2018.
Auch beim Zugang zu Streamingdiensten und Fernsehgeräten mit Internetzugang gab es im Vergleich zu 2018 einen klaren Anstieg. Das muss nicht ausschließlich an der Pandemie liegen: Gerade bei Streamingdiensten sind in kurzer Zeit deutlich größere und vielfältigere Angebote entstanden.
Konkurrenz mit anderen Aktivitäten?
Wie Ariadne Sartorius in Frage 1 erklärt, kommt es bei der Beurteilung der Bildschirmzeit vor allem darauf an, wie Kinder und Jugendliche ihre gesamte Zeit einteilen und welchen anderen Aktivitäten sie nachgehen. Denn ein Aspekt wird in den Empfehlungen zur Bildschirmzeit häufig erwähnt: Kinder und Jugendliche könnten durch die Mediennutzung andere Dinge vernachlässigen, etwa die Bewegung oder den persönlichen Kontakt zu ihren Freund:innen.
In der KIM-Studie 2020 zeigte sich, dass fast alle Kinder zwischen sechs und 13 Jahren mehrmals in der Woche fernsehen. Etwa 70 Prozent geben sogar an, täglich oder fast jeden Tag Zeit vor dem Fernseher zu verbringen.
Liebste Freizeitaktivität: "Draußen spielen"
Die gute Nachricht: Freund:innen treffen, Hausaufgaben erledigen oder lernen und sowohl drinnen als auch draußen spielen sind ebenfalls für fast alle Kinder wichtig. Und bei der Frage, welches ihre liebsten Freizeitaktivitäten sind, nannten über die Hälfte der Mädchen und Jungen "Freund:innen treffen“, gefolgt von "draußen spielen“. Erst dann kamen digitale Medien zum Zug.
Neben diesen ermutigenden Ergebnissen zeigte auch eine Untersuchung von Kindern im Alter von neun bis elf Jahren, dass die Bildschirmzeit andere Aktivitäten nicht unbedingt verdrängt. Vielmehr kommt es auf sozioökonomische Faktoren an, ob sich die Kinder mit Freund:innen treffen oder (sportlichen) Freizeitaktivitäten nachgehen.
Dabei geht es etwa darum, ob die Eltern die Mitgliedschaft in Vereinen überhaupt bezahlen können. Oder ob sie viel und zu ungünstigen Zeiten arbeiten und die Kinder solange irgendwie beschäftigen müssen – und sich der Fernseher als einfachste Möglichkeit anbietet.
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Kann zu viel Zeit vor dem Bildschirm krank machen?
Aber das sind natürlich extreme Fälle. "Zu viel“ von irgendetwas ist immer schädlich. Komplizierter ist es, zu beurteilen, ob die durchschnittliche Bildschirmzeit von Kindern und Jugendlichen die Gesundheit gefährdet. Wie wirkt es sich auf sie aus, wenn sie statt einer Stunde täglich eher zwei bis drei Stunden mit digitalen (Bildschirm-)Medien verbringen? Wo endet die vertretbare Zeit und wird zum "zu viel"?
Antworten darauf zu bekommen, ist nicht einfach – warum, besprechen wir hier. Schauen wir uns trotzdem anhand von ein paar Beispielen an, wo die Bildschirmzeit mögliche negative Konsequenzen haben kann.
Die Augen
Viel auf Bildschirme oder das Smartphone zu starren, kann den Augen schaden. Besonders bei jungen Menschen können wir beobachten: Die Kurzsichtigkeit nimmt deutlich zu. Allerdings sind nicht nur die digitalen Medien Risikofaktoren, auch das Lesen in Büchern oder Zeitungen kann Kurzsichtigkeit begünstigen. Umgekehrt hilft es, wenn wir uns regelmäßig bei hellem Licht im Freien aufhalten und häufiger in die Ferne schauen. Das gilt für Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Mehr Informationen dazu gibt es hier.
Das Herz
Verschiedene Studien bringen eine erhöhte Bildschirmzeit bei Jugendlichen mit Herzerkrankungen in Verbindung. Häufig wird das damit erklärt, dass die Jugendlichen ihr Essverhalten schlechter kontrollieren können – etwa, weil das Signal "Ich bin satt" nicht mehr so gut funktioniert.
Allerdings haben auch diese Studien einige Einschränkungen. So werden Smartphones und Tablets oft nicht eingerechnet oder nur an den Wochentagen gemessen. Das kann natürlich das Gesamtbild verfälschen.
Eine andere langfristige Studie fand zudem keinen Zusammenhang zwischen der Bildschirmzeit und dem Blutdruck oder dem BMI (Body-Mass-Index oder Körpermasseindex).
Bei kleineren Kindern gibt es noch weniger Informationen. Eine kanadische Gruppe untersuchte Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren. Dieser Studie zufolge ist die Bildschirmzeit kein Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Sie fanden zwar eine leichte Erhöhung von "schlechtem“ Cholesterol (ein Teil des Cholesterols im Körper besteht aus Lipoproteinen mit hoher Dichte – HDL, high-density lipoprotein – und wird auch als "gutes" Cholesterol bezeichnet, im Gegensatz zu dem non-HDL Cholesterol, um das es hier geht). Die Verbindung mit der Bildschirmzeit war allerdings sehr gering. Die Autor:innen schließen daraus, dass es zwar gute Gründe gibt, die Bildschirmzeit zu begrenzen, dass die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen aber vermutlich nicht zu den stärksten Argumenten gehört.
Das Gehirn
Zwei Studien einer amerikanischen Forschungsgruppe deuten darauf hin, dass sich das Gehirn durch bildschirmbasierte Medien verändert, etwa in den Bereichen, die für Sprache und Lese- sowie Schreibfähigkeiten zuständig sind. Auch funktionelle Verbindungen werden unterschiedlich aktiv, wenn Kinder eine animierte Story auf einem Bildschirm ansehen, ein Buch dazu anschauen oder es nur vorgelesen bekommen.
Allerdings wurden in den Studien jeweils nur sehr wenige Kinder untersucht (47 in einer Studie und gerade einmal 27 in der anderen). Dazu kommt, dass die zweite Studie nur Momentaufnahmen während der Tätigkeit zeigt – ob das langfristig etwas mit dem Gehirn macht, lässt sich daraus nicht schließen.
Insgesamt ist unklar, wie sich die möglichen Veränderungen im Gehirn auf die Gesundheit und die normale Entwicklung auswirken. Selbst, wenn sich unterschiedliche Verknüpfungen bilden, muss das nicht zwingend schlecht sein.
Die Psyche
Hier gibt es sehr unterschiedliche Meinungen, auch unter Forschenden. Die amerikanische Psychologin Dr. Jean M. Twenge fand in ihren Untersuchungen heraus, dass Zeit in der digitalen Welt mit Depressionen im Jugendalter in Verbindung steht.
Gemeinsam mit einem Kollegen errechnete sie außerdem, dass eine Bildschirmzeit von vier Stunden pro Tag – eine Dauer, die sie in der Studie als moderat einstuft – für ein allgemein schlechteres psychologisches Befinden sorgt, verglichen mit einer Stunde pro Tag.
Amy Orben und Andrew K. Przybylski, beide aus der experimentellen Psychologie an der University of Oxford (UK), kommen hingegen zu dem Schluss, dass sich die Nutzung digitaler Medien kaum auf die Psyche von Kindern und Jugendlichen auswirkt. Warum sich diese Einschätzungen so unterscheiden, besprechen wir ausführlicher hier.
Orben und Przybylski argumentieren jedenfalls, dass die Bildschirmzeit eine sehr geringe Rolle spielt, wenn wir andere Faktoren auch betrachten: Das soziale Umfeld, die finanziellen Möglichkeiten und die Genetik haben auf das psychische Wohlbefinden einen weit größeren Einfluss.
Dazu kommt, dass sich diese Faktoren gegenseitig bedingen. Denn Kinder in ärmeren Verhältnissen verbringen häufiger und mehr Zeit vor dem Bildschirm. Das mag etwa daran liegen, dass die Eltern mehrere Jobs haben und sich daher weniger um die Kinder kümmern können.
Leben Kinder überdies in einem eher lieblosen oder gar gewalttätigen Umfeld, prägt sie das einerseits mehr als jede Bildschirmzeit, andererseits bieten digitale Medien womöglich Zuflucht vor dem Alltag. Solche Faktoren lassen sich schwer in Studien einbeziehen und können gleichzeitig das Bild stark verzerren.
Problematisch ist, wenn der Alltag leidet
Ariadne Sartorius geht als Psychotherapeutin die Frage nach der Schädlichkeit praktisch an. "Es gibt unabhängig von der Zeit, welche die Kinder vor dem Bildschirm verbringen, einige Zeichen, dass es zu viel wird: Wenn der Alltag leidet, wenn Absprachen nicht eingehalten werden und es häufig durch die Mediennutzung zu Konflikten in der Familie kommt oder wenn das Kind andere Dinge vernachlässigt." Treten solche Anzeichen auf, kann es für die Gesundheit der Kinder gefährlich werden.
Artikel Abschnitt: Welche positiven Einflüsse haben Fernsehen, Handy und Co.?
Welche positiven Einflüsse haben Fernsehen, Handy und Co.?
In seinem Text geht er darauf ein, warum die digitale Welt so anziehend wirkt – etwa die Suche nach menschlicher Verbundenheit, der Hunger nach Abenteuern und das Streben nach Wissen. Er plädiert dafür, weniger zu verteufeln. Vielmehr sollten wir uns darauf konzentrieren, die positiven Aspekte zu fördern und die negativen möglichst kleinzuhalten. Denn: Ja, es gibt positive Aspekte, und nein, wir werden die Digitalisierung nicht aufhalten – und sollten es auch gar nicht.
Auch gedankenlos Fernsehen kann sinnvoll sein
Wie schon in Frage 3 erwähnt: Alles ist schädlich, wenn wir es übertreiben. Aber nutzen wir die Medien sinnvoll, können sie uns durchaus viel Mehrwert bringen. Dabei soll angemerkt sein, dass "sinnvoll" nicht unbedingt heißt, am Computer für die Hausaufgaben zu recherchieren oder Gehirntraining zu absolvieren. Auch das gedankenlose Fernsehen kann sinnvoll sein, wenn es uns in dem entsprechenden Moment guttut und entspannt.
Das Gehirn trainieren und Freund:innen virtuell treffen
Außerdem hat sich in Studien gezeigt, dass Action-Videospiele die neuropsychologische Leistung verbessern können. Dabei kommt es laut den Forschenden wahrscheinlich auch darauf an, welche Spiele gespielt werden. Ob etwa gewalttätige Spiele die Aggression verstärken, wird noch debattiert. Aber es gibt kooperative Spiele mit mehreren Spieler:innen, die gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten. Das kann die sozialen Fähigkeiten stärken und strategisches Denken anregen.
Beim Lernen kann die Bildschirmtechnologie helfen, weil die Kinder schneller an mehr Informationen kommen. Zudem ermöglicht es ihnen, Kontakt mit weiter entfernten Familienmitgliedern oder Freund;innen zu halten, der sonst vielleicht abreißen oder zumindest sehr eingeschränkt wäre. Und: Wenn Familien oder Freund:innen die Zeit vor dem Fernseher oder mit Videospielen als gemeinsame Freizeitaktivität nutzen, kann es sogar das Gemeinschaftsgefühl stärken.
Fit für das Alter
Andere positive Effekte zeigen Studien vor allem bei älteren Menschen. So werden die kognitiven Fähigkeiten wie das Gedächtnis und das räumliche Vorstellungsvermögen trainiert, ebenso wie das generelle Problemlösen, visuelle Aufmerksamkeit und die Reaktionszeit.
Solche Erkenntnisse gibt es größtenteils in Untersuchungen, in denen die Teilnehmenden etwa Computerspiele als Intervention spielen sollten, oder das Suchen im Internet lernten. Bei Kindern wäre es wohl schwierig, derartige Studien durchzuführen – die meisten sind bereits gut vertraut mit dem Internet und sollen ja eher weniger als mehr Zeit vor den Bildschirmen verbringen.
Auch gibt es die entsprechenden digitalen Medien noch gar nicht lange genug, zumindest in diesem Umfang, um langfristige Auswirkungen der Bildschirmzeit im Kindesalter auf die kognitiven Fähigkeiten im Erwachsenenalter sinnvoll zu untersuchen.
Wir können aber sicher davon ausgehen, dass Kinder, die mit digitalen Medien groß werden, andere Fähigkeiten ausbauen, als solche, die ihre Kindheit größtenteils in der Natur und mit Freund:innen auf der Straße verbracht haben. Ob das nun gut oder schlecht ist – mit dieser Frage sollten wir uns, wie es Jay N. Giedd vorschlägt, vielleicht gar nicht zu lange aufhalten, denn es ist einfach die Realität, in der wir leben.
Artikel Abschnitt: Warum widersprechen sich manche Studien scheinbar?
Warum widersprechen sich manche Studien scheinbar?
Die Gruppengröße
Untersuchungen, bei denen Kinder ärztlich untersucht oder ihre Gehirnaktivitäten gemessen werden, sind aufwendig. Deshalb müssen Forschende in solchen Fällen oft mit relativ wenigen Testpersonen auskommen. Aber 20 oder selbst 100 Kinder können nicht den Querschnitt einer ganzen Bevölkerung mit ihren Variationen darstellen.
Andere Studien schauen auf Datensätze von mehreren Tausend Kindern – dann gibt es aber wiederum keine eigentlichen Untersuchungen und kontrollierten Versuche. Die Informationen kommen stattdessen aus Befragungen der Kinder selbst oder ihrer Betreuungspersonen. Was uns zum nächsten Punkt bringt.
Befragungen als Schwachpunkt
Wer gefragt wird, kann lügen oder sich einfach falsch erinnern. Es ist gar nicht so leicht, gut zu schätzen, wie viel Zeit wir oder unsere Kinder mit einer Tätigkeit verbringen. Gerade Mediennutzung passiert gerne unbewusst – wir werfen eben schnell mal einen Blick auf das Handy, müssen kurz eine Nachricht schreiben, noch mal ein Bild anklicken, dauert ja nicht lange.
Eltern möchten unter Umständen auch nicht zugeben, dass sie die Kinder doch gerne mal "vor dem Fernseher parken", denn das gilt natürlich als schlechte Kindererziehung. Selbst anonyme Befragungen sind keine sonderlich verlässliche Methode, oft aber die einzige Möglichkeit.
Die Gruppeneinteilungen
Wollen wir uns etwa anschauen, welche Auswirkungen eine mittlere oder hohe Bildschirmzeit im Vergleich zu einer geringen oder gar keiner hat? Dann stehen wir vor dem Problem zu entscheiden, welche Zeit wir welcher Kategorie zuordnen.
Gering wäre vermutlich, dass wir uns an die Empfehlungen halten – die der Weltgesundheitsorganisation, die der national zuständigen Behörde oder die der Kinderärzt:innen im jeweiligen Land? Was als "mittel" oder "hoch" gilt, ist in den Studien ebenfalls unterschiedlich.
Und wie hoch ist die Aussagekraft, wenn eine Studie Kinder ohne Bildschirmzeit mit solchen vergleicht, die täglich mindestens vier Stunden vor digitalen Medien sitzen? Immerhin gibt es in der Realität kaum noch Kinder, die keine Medien nutzen.
Vergleichen wir andererseits eine und drei Stunden, kann es schon schwierig sein, die Kinder deutlich genug voneinander zu trennen – zumal die Einschätzung der Bildschirmzeit in der Regel wieder auf Befragungen zurückgeht.
Statistik ist nicht schwarz-weiß
In einem Meinungsartikel aus 2020 befasst sich die amerikanische Psychologin Dr. Jean M. Twenge damit, weshalb sie mit ihrem Team zu anderen Schlüssen kommt als Dr. Amy Orben und Andrew Przybylski aus Großbritannien – die mit den gleichen Datensätzen arbeiteten wie Twenge selbst.
Sie schreibt ausführlich darüber, warum welche Art von Statistik sinnvoll ist, oder auch nicht. Sie kommt selbstverständlich zu dem Schluss, dass ihre eigene Auswertung besser ist, aber darum geht es hier gar nicht. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Forschende unterschiedliche Methoden für gut befinden und andere anzweifeln können, ohne dass eine Partei offensichtlich im Recht sein muss.
Bei Twenge, Orben und Przybylski sieht die Situation so aus: Jean Twenge zeigt mit ihren wissenschaftlichen Methoden einleuchtend, warum die Zunahme von Depressionen bei Jugendlichen mit dem technischen Umfeld zusammenhängen könnte. Genauso nachvollziehbar und logisch erklärt Amy Orben hingegen, dass die digitale Welt das psychische Wohlbefinden kaum beeinflusst und es andere, viel stärkere Faktoren wie die sozioökonomische Situation gibt.
Wer von beiden hat nun recht? Für Laien ist so etwas schwierig einzuschätzen, vor allem dann, wenn sich auch die Forschung nicht ganz einig ist. Oft gibt es eben nicht die eine Wahrheit.
Viele Unsicherheiten
Insgesamt kommt Amy Orben zu dem Schluss, dass viele Studien zu dem Thema keine gute Qualität aufweisen. Sie sieht etwa ein Problem darin, dass selten zwischen den verschiedenen Arten der digitalen Technologie unterschieden wird. Zudem werden ihrer Meinung nach sehr kleine Effekte als relevant gelesen. Und: Gerade in Untersuchungen, in denen es um psychologische Aspekte geht, lässt sich selten ein konkreter Zusammenhang nachweisen.
Außerdem ist die Richtung des Einflusses unklar: Sind Kinder oder Jugendliche etwa sozial isoliert, weil sie so viel Zeit im Internet verbringen, oder verbringen sie viel Zeit im Internet, weil sie sich in der realen Welt sozial isoliert fühlen und Probleme haben, Kontakte zu knüpfen?
Dazu kommt noch die Interaktion verschiedener Faktoren, die wir schon in Frage 3 erwähnen. Etwa dass Kinder in ärmeren Verhältnissen im Durchschnitt mehr Zeit vor dem Fernseher verbringen, das Einkommen der Eltern aber auch einen deutlichen Einfluss auf die psychische Gesundheit der gesamten Familie haben kann.
Artikel Abschnitt: Macht es einen Unterschied, welche Medien Kinder nutzen?
Macht es einen Unterschied, welche Medien Kinder nutzen?
Interessanterweise verbringen Kinder zwischen sechs und 13 Jahren noch immer die meiste ihrer Bildschirmzeit mit dem "klassischen Fernsehprogramm". Youtube, Netflix und Co. bekommen in dieser Altersspanne deutlich weniger Beachtung, obwohl Youtube bei den älteren Kindern klar zunimmt.
Im Internet stoßen Kinder leicht auf unpassende Inhalte
Je nach Medium und Art der Inhalte gibt es verschiedene Fallstricke. Während wir beim Fernsehen "nur“ darauf achten müssen, kindgerechte Programme zu finden, ist der Umgang mit dem Internet schon komplizierter. Die Kinder stoßen leichter auf unangemessene Inhalte, die ihnen selbst unangenehm sind, etwa erotische oder pornografische Darstellungen. Laut der KIM-Studie haben etwa sieben Prozent der Kinder, die sich im Internet bewegen, schon unangenehme Bekanntschaften gemacht.
Bei der Kommunikation über digitale Medien – Facebook und Instagram, oder auch direkter über WhatsApp, Signal und andere Nachrichten-Apps – besteht zudem die Gefahr des Mobbings, das anonym oder zumindest über eine gewisse Distanz durch die technischen Hilfsmittel schneller passiert als bei einer echten Begegnung. Zudem können sich Angriffe auf die eigene Person weiter und schneller verbreiten.
Insgesamt kommt es also auf die richtige Nutzung an: Wie gut kennen sich die Kinder im Internet aus und können sich schützen? Legen sie das Handy weg, um reale Gespräche zu führen, oder lassen sie sich ständig von Nachrichten auf dem Smartphone ablenken? Wählen sie altersgerechte Fernsehprogramme aus? Das bringt uns zur nächsten Frage.
Artikel Abschnitt: Worauf können Eltern achten?
Worauf können Eltern achten?
Ein Fernsehnachmittag an Regentagen sei eine gute Gelegenheit für solche Ausnahmen, heißt es dort. Kinder- und Jugendmediziner:innen weisen außerdem darauf hin, dass es auch das Gemeinschaftsgefühl der Familie stärken kann, wenn sie gemeinsam Filme ansieht oder Videospiele spielt.
Absprachen zur Mediennutzung sind wichtig
Welche Situationen sich für Ausnahmen anbieten und wann sich die Eltern lieber strikt auf die Regeln berufen sollten, ist in jeder Familie unterschiedlich. Aber tatsächlich gibt es in vielen Familien genaue Absprachen darüber, wie lange die Kinder welche Medien nutzen dürfen.
So gaben im Rahmen der KIM-Studie 2020 etwa drei Viertel der Eltern an, dass sie Absprachen darüber haben, wie lange die Kinder fernsehen dürfen. Für die Internetnutzung hingegen gibt es nur in etwa der Hälfte der befragten Familien feste Regeln.
Und was ist, wenn das Kind bereits viel zu lange vor Bildschirmen sitzt? Kinder- und Jugendmediziner:innen empfehlen, die Zeit wöchentlich um 30 Minuten pro Tag zu reduzieren, bis die Kinder die empfohlene Zeit nicht mehr überschreiten.
Darüber hinaus sollten Eltern darauf achten, dass Kinder mindestens eine Stunde vor dem Schlafen nicht mehr auf Bildschirme schauen – was wohl für viele Familien leichter gesagt als getan ist.
Offene Kommunikation
Kommunikation ist wichtig, erklärt Chefarzt Dr. Wenzel Nürnberger auf der Website des Asklepios-Klinikums Uckermark: Wenn Eltern mit ihren Kindern offen (und altersgerecht) über die Vor- und Nachteile von digitalen Medien sprechen, können diese die Regeln besser nachvollziehen und finden möglicherweise selbst einen gesunden Umgang damit. Das bedeutet auch, die Wichtigkeit anderer Aktivitäten – vor allem an der frischen Luft – zu verdeutlichen und diese Freizeitbeschäftigungen zu fördern.
Am eigenen Verhalten arbeiten
Wenn wir Kindern beibringen möchten, verantwortungsbewusst mit Medien umzugehen, sollten wir auch auf unser eigenes Verhalten schauen. Studien legen nahe, dass die Bildschirmgewohnheiten der Eltern eng mit der Bildschirmzeit der Kinder zusammenhängen.
Das ist nachvollziehbar: Wie kann ein Kind verstehen, dass es das Smartphone möglichst selten zur Hand nehmen soll, wenn die Eltern kaum eine Sekunde ohne ihr eigenes Gerät verbringen? Was natürlich nicht bedeutet, dass Eltern im Beisein der Kinder auf digitale Medien verzichten sollten – auch hier geht es vielmehr um den verantwortungsvollen Umgang, den wir unseren Kindern abverlangen.
Nicht als Druckmittel einsetzen
Das Fernsehen, das Tablet oder die Handy-Nutzung werden außerdem häufig als Belohnung oder Strafe eingesetzt. Es ist nun einmal etwas, das viele Kinder gerne tun und womit sich Verhalten zumindest oberflächlich recht gut kontrollieren lässt. So hilfreich es auch kurzfristig sein mag: Lieber sein lassen, zeigt eine kanadische Studie von 2018. Denn dadurch sitzen die Kinder tatsächlich länger vor Bildschirmen und es ist schwieriger, ein gesundes Verhältnis zu den Medien aufzubauen.
Gemeinsam statt auf sich gestellt
Hilfreich ist es hingegen, wenn die Eltern die Geräte und Medien mit ihren Kindern gemeinsam nutzen, besonders bis etwa zum achten Lebensjahr – das empfiehlt die sogenannte Bitkom-Studie 2019 ("Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt"). So können sie sichergehen, dass die Kinder altersgerechte Inhalte verwenden, und sie beim Einstieg in die digitale Welt unterstützen.
Später geht es laut Bitkom-Studie dann zusätzlich darum, über mögliche Gefahren zu sprechen und geeignete Schutzmaßnahmen einzurichten. Etwa ab zwölf Jahren sollten Eltern ihre Kinder auch über Privatsphäre und Datenschutz aufklären, ihnen vermitteln, was legal und was verboten ist, und Dinge wie Gewalt, Pornografie und Mobbing im Internet besprechen.
Eigenes Handy mit Vor- und Nachteilen
Eine weitere schwierige Frage, der Eltern irgendwann gegenüberstehen: Ab wann darf das Kind ein eigenes Handy haben? Ein Handy kann das Kind stets bei sich tragen. Ein Vorteil, wenn es auf dem Schulweg notfalls erreichbar ist oder selbst eine Möglichkeit hat, die Eltern zu erreichen. Aber auch ein Nachteil, weil das Handy einfach immer greifbar ist und die Kinder möglicherweise gar nicht merken, wie viel Zeit sie damit verbringen und welche Gefahren damit verbunden sind.
Die "#EchtJetzt“-Initiative gegen echte Unfälle im digitalen Leben macht beispielsweise darauf aufmerksam, wie gefährlich die Nutzung von Smartphones im Straßenverkehr oder selbst auf dem Spielplatz sein kann. Dabei geht es nicht nur um die Kinder. Auch wenn Betreuungspersonen durch ihr Smartphone abgelenkt sind, können schließlich brenzlige Situationen entstehen.
Smartphones erst ab zwölf Jahren
Trotz der möglichen Probleme besitzen mittlerweile etwa die Hälfte der Kinder zwischen sechs und 13 Jahren ein Handy oder Smartphone. Die "!Schau Hin"-Initiative des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, der ARD, des ZDF und der AOK empfiehlt das erste Handy ab etwa neun Jahren.
Davor könne man ein "Notfallhandy“ für den Schulweg nutzen. Smartphones sollten Kinder hingegen erst ab etwa zwölf Jahren bekommen, wenn sie sich mit den Gefahren des Internets und dem allgemeinen Medienumgang ausreichend auskennen.
Wenn Kinder ein Smartphone bekommen, sollten Eltern auf kindgerechte Tarife achten und die Kosten mit ihrem Kind besprechen. Es sollte außerdem so eingestellt sein, dass die Kinder nur auf altersgerechte Inhalte zugreifen können und die persönlichen Daten geschützt sind. Und: Die Kinder sollten auch mit dem eigenen Smartphone die Bildschirmzeiten nicht überschreiten und sich an gewisse Benimmregeln halten, etwa das Ausschalten des Handys im Unterricht.
Weitere Angaben zum Artikel:
Checkliste für Eltern (von Ariadne Sartorius):
- Kann mein Kind sich an Absprachen bezüglich der Bildschirmnutzung halten?
- Essen die Kinder während der Mediennutzung oder nehmen Süßgetränke zu sich?
- Kann ich Verhaltensänderungen bei meinem Kind beobachten?
- Weiß das Kind tatsächlich, wie es sich im Internet bewegen kann, wie Privatsphäre funktioniert, welche Regeln es dort gibt und welche Kosten entstehen können?
- Kommt es zu Problemen bei Onlinekontakten, kann sich das Kind dann den Eltern anvertrauen?
- Trifft es sich weiterhin mit Freund:innen, schläft gut und isst normal?
- Wird es aggressiv, wenn es nicht vor den Bildschirm kann?
Artikel Abschnitt:
Dort wird bei den Vorsorgeuntersuchungen ohnehin über die Bildschirmnutzung und Entwicklungsauffälligkeiten gesprochen. Sollte es notwendig sein, können sich Familien außerdem an Kinder- und Jugendpsychotherapeut;innen wenden.
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Es wundert mich, dass weder im Artikel noch in den Quellen die Studien von Professor Pfeiffer zu Bildschirmnutzung und Schulerfolg erwähnt werden. Auch der Neurowissenschaftler und Psychiater Professor Spitzer findet keine Erwähnung. Könnte der Grund dafür sein, dass Medien und von ihnen bezahlte Journalisten und Medienwissenschaftler kein Interesse daran haben,… Weiterlesen »
Die Aussagen von Pfeiffer und Spitzer wurden in der Vergangenheit heftig kritisiert, oftmals fehlten hier wichtige bzw. aktuelle Grundlagen.
Vielen Dank für Ihr interessantes Artikel. Ich finde allerdings, dass der wichtigsten Funktion des Bildschirms leide rgar nicht in dem Artikel berücksichtigt ist, die LernApps. Viele Hausaufgaben werden heute üebr Lernapps von der Schule aufgegeben, genauso wie Kommunikationsmöglichkieten mit den Lehrer ebenfalls über Teams. ALlein, um die von der Schule… Weiterlesen »
Wenn die Bildschirmzeit effektiv für Lernen verwendet wird, ist das in unseren Augen erstmal weniger schlimm, als wenn sie nur „berieselt“ werden! Viele Grüße!
Ich war Uni-IT-Mitarbeiter. Ca 20 Jahre lang wurden meine E-Daten immer wieder modifiziert, geloescht, gelesen, Zugang zu Programmen blockiert.
Wenn ich mich beschwerte, hiess es: „da kann man nichts machen“. Am Ende wurde ich gekuendigt.