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Geheimnisvolle Abgründe
Darum wissen wir
von der Tiefsee weniger
als vom Mond
von der Tiefsee weniger
als vom Mond
Gerade mal 5 Prozent der Tiefsee sollen erforscht sein. Wir waren doch sogar auf dem Mond, warum wissen wir so wenig über unseren eigenen Planeten?
Artikel Abschnitt: Was ist die Tiefsee überhaupt?
Was ist die Tiefsee überhaupt?
Tiefster Punkt der Tiefsee bei elf Kilometern
Ihren tiefsten Punkt erreicht die Tiefsee jedenfalls bei etwas über elf Kilometern Tiefe im pazifischen Challengertief im Marianengraben. Der Meeresgrund kann außerordentlich vielgestaltig sein. Neben Tiefseegräben gibt es hier weite Ebenen und eindrucksvolle Gebirgsketten, sogenannte Mittelozeanische Rücken. Obgleich scheinbar unwirtlich, beherbergt die Tiefsee als wüstenähnlicher Lebensraum eine ganze Reihe von Tierarten.
Oft vergleichen Wissenschaftler:innen die Tiefsee sogar mit Regenwäldern, weil hier eine vergleichbar hohe Artenvielfalt zu finden ist. Doch was vielleicht noch bemerkenswerter ist: Die Tiefsee ist das größte Ökosystem der Erde. Unsere Meere bedecken 71 Prozent der Erdoberfläche und hiervon haben bereits 50 Prozent eine Tiefe von drei Kilometern.
Zwei Drittel der Tiefseelebewesen unbekannt
Wissenschaftler:innen des Senckenberg Forschungsinstituts haben gemeinsam mit einem internationalen Team aus Forschenden zwei Milliarden DNA-Sequenzen von 15 Tiefsee-Expeditionen ausgewertet. In ihrer Studie zeigen sie, dass fast zwei Drittel der auf dem Meeresboden lebenden Organismen keiner bislang bekannten Gruppe zugeordnet werden können.
Auf dem Tiefseeboden herrscht ein reges Treiben: Eine Vielzahl verschiedener Organismen sorgt in Tiefen von bis zu 9.585 Metern dafür, absinkende, meist von Plankton stammende, organische und anorganische Stoffe zu recyceln oder zu binden. Das Leben auf den Tiefseeböden ist darum als Grundlage für wichtige Leistungen des Ökosystems zu sehen. Nahrungsnetze in den Ozeanen können so erst richtig funktionieren und atmosphärischer Kohlenstoff wird gebunden. Beides beeinflusst unser Weltklima entscheidend.
Artikel Abschnitt: Warum weiß man so wenig über die Tiefsee?
Warum weiß man so wenig über die Tiefsee?
Falsche Annahmen bremsen die Forschung
Der eigentliche Umfang der Artenvielfalt der Tiefsee wurde aber erst in den 1960er Jahren erkannt. Die ganz kleinen Tiere rutschten den Forschenden früher nämlich noch durch die grobmaschigen Netze und Fallen und wurden deshalb jahrzehntelang übersehen. Doch gerade diese Winzlinge sind häufig massenhaft in der Tiefsee vertreten und zeigen eine unglaubliche Artenvielfalt. Auch wenn einige Faktoren die Forschung noch immer erschweren, gibt es heutzutage viele hochmoderne Geräte und neue Methoden, die es ermöglichen, selbst kleinste Tiere zu sammeln.
Hohe Kosten und wenig Zeit zur Erkundung des größten Ökosystems der Erde
Die Abgeschiedenheit und die bemerkenswert große Fläche der Tiefsee sind weitere Gründe, warum wir heute immer noch sehr wenig über diesen Lebensraum wissen. Ausrüstung und Geräte zur Erforschung der Tiefsee müssen dem enormen Druck standhalten und sind daher sehr kostspielig. Auch die Expeditionen selbst verursachen hohe Kosten. Hierzu zählen beispielsweise die Betriebskosten der Schiffe, aber auch der Versand von wissenschaftlichen Gerätschaften von Deutschland nach Übersee. Die Schiffszeit, die Zeit, welche für eine Expedition zur Verfügung steht, ist ein knappes und begehrenswertes Gut.
Tatsächlich gibt es mehr forschungswillige Wissenschaftler:innen als Plätze auf den deutschen Forschungsschiffen. Trotzdem zählt Deutschlands Forschungsflotte mit den bekannten Forschungsschiffen "Sonne“ und "Polarstern“ zu den größten der Welt. Neben staatlich betriebenen Schiffen gibt es auch noch eine Reihe anderer Forschungsschiffe, die zu einzelnen Bundesstaaten oder Forschungsinstituten gehören. Insgesamt verfügt Deutschland über 29 Forschungsschiffe. Russland 31, Frankreich 25 und Spanien 16 Forschungsschiffe.
Ein weiteres Problem bei der Erforschung der Tiefsee ist die wissenschaftliche Beschreibung neuer Arten. Forschende kommen nämlich bei der Masse von neuen Arten nicht mehr mit der Beschreibung hinterher. Außerdem gibt zu wenige Spezialist:innen, die diese Arbeit überhaupt leisten können. Somit sind andere, neue Methoden und Technologien gefragt. Moderne Computervorhersagen und entwicklungsgeschichtliche Untersuchungen können hier im wahrsten Sinne des Wortes "Licht ins Dunkle bringen“.
Die Abgründe des Marianengrabens sind auch mit Tauchfahrzeugen fast unerreichbar
Weltweit gibt es nur sehr wenige Tauchfahrzeuge, die überhaupt bis in die tiefsten Winkel vordringen konnten. Der Schweizer Jacques Piccard und der Amerikaner Don Walsh waren 1960 die ersten, die mit ihrem Tauchboot „Trieste“ rund elf Kilometer tief in den Mariannengraben hinabtauchten. Danach folgte erstmal ein halbes Jahrhundert ohne Tauchgang, bis der kanadische Filmemacher James Cameron 2012 mit der "Deepsea Challenger“ ebenfalls den Marianengraben in elf Kilometern Tiefe aufsuchte.
Seit Dezember 2018 ist das US-amerikanische Tauchboot "Limiting Factor“ mit seinem Piloten Victor Vescovo im Einsatz. Es ist bereits im Puerto Rico Graben auf 8375 Meter getaucht, soll aber theoretisch eine Tiefe von elf Kilometern erreichen können. Der ferngesteuerte japanische Tauchroboter "Kaiko“ konnte ebenfalls bis auf elf Kilometer tauchen, ist aber inzwischen nicht mehr im Dienst. Sein Nachfolger, "Kaiko II“, erreicht immerhin noch sieben Kilometer Tiefe.
Autonome Tauchfahrzeuge kartieren den Meeresboden
Unbemannte Tauchroboter wie "Kaiko“ haben einen entscheidenden Vorteil: Sie können viel länger unter Wasser bleiben und sind vor allem eins: billiger! Denn Rettungs- und Lebenserhaltungssysteme sind bei ihnen nicht nötig. So kann das vom deutschen Meeresforschungsinstitut GEOMAR betriebene Unterwasserfahrzeug AUV ABYSS beispielsweise bis zu 22 Stunden am Stück tauchen. Das Besondere: Das AUV ist nicht über ein Kabel mit einem Schiff verbunden, sondern taucht nach dem Einprogrammieren seiner Mission selbstständig in Tiefen bis zu 6 Kilometer hinab. Es besitzt mehrere Echolote und kann den Meeresboden damit detailliert kartieren.
Echolote senden Schallsignale aus, die vom Boden zurückgeworfen werden. Die Zeit, die der Schall dafür braucht, wird dann in Längen umgerechnet, um die unterschiedlichen Tiefen auf Karten darzustellen. Satelliten sind zwar auch in der Lage, Karten des Meeresbodens abzubilden, doch sind diese Karten dann vergleichsweise ungenau. Während Satelliten nur kilometergroße Formationen erfassen können, messen Echolote von Schiffen nämlich auch kleine Strukturen die weniger als 100 Meter groß sind. Echolote von Tauchfahrzeugen können Strukturen sogar im Zentimeterbereich vermessen. Diese detaillierten Karten sind wichtig, weil sie zum Beispiel bei Tsunami-Vorhersagen hilfreich sein können oder aber auch bei der Suche nach abgestürzten Flugzeugen helfen.
Artikel Abschnitt: Ist die Tiefsee schützenswert?
Ist die Tiefsee schützenswert?
Nachhaltiger Schutz der Meere wichtig
Viele Jahre lang wurden unbehandelte Abwässer aus Industrie, Haushalten und Landwirtschaft direkt ins Meer geleitet. Auch Plastik reichert sich immer noch in den Tiefen unserer Ozeane an. Inzwischen gibt es zwar schon Umweltabkommen zum Schutz der Meere, wie etwa die "EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie“. Diese von der EU beschlossene Richtlinie zielt auf den Schutz der Arten und deren Lebensräume im Meer ab. Ein nachhaltiger Schutz der Meere ist aber letztendlich erst dann möglich, wenn alle Wissenslücken geschlossen wurden.
Autorin: Christina Schmidt
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Interessanter Artikel, aber ich finde die Frage ist nicht geklärt wieso wir weniger von der Tiefsee als vom Mond wissen. Sind die Kosten höher als bei Weltraumexpeditionen? Ist das Interesse vielleicht einfach nicht so groß? Ist der Druck das Problem?
Sehr interessant
Danke, das freut uns! ?