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Friedhof
Wachsleichen:
Wenn Tote nicht verwesen
Wenn Tote nicht verwesen
Ungewollte Mumifizierung: Manchmal sind über 25 Jahren nach der Beerdigung noch Überreste von Leichen übrig, zum Teil mit erkennbaren Gesichtszügen. Diese Wachsleichen sind ein Problem auf vielen deutschen Friedhöfen.
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Artikel Abschnitt: Gräber bestehen nicht ewig
Gräber bestehen nicht ewig
An der Universität Bonn fand am Dienstag (14.11.2017) eine Tagung zu Wachsleichen statt. Dort suchten Expert:innen für Ethik, Recht und Bodenkunde nach einer Lösung für Tote, die auch nach Jahrzehnten nicht verwest sind.
Artikel Abschnitt: Wachsleichenproblem ist nicht neu
Wachsleichenproblem ist nicht neu
Inzwischen hat sich das Problem laut dem Bonner Juraprofessor und Biorechtsexperten Tade Spranger noch verschärft: "Es gibt kaum noch einen Friedhof in Deutschland, der nicht zumindest mit Teilflächen davon betroffen ist".
Artikel Abschnitt: Umgang mit Wachsleichen nicht geregelt
Umgang mit Wachsleichen nicht geregelt
Manche Baggerfahrer:innen würden vor dem Zuschaufeln eines frischen Grabes mit der Schaufel den Sarg zertrümmern, um Mikroorganismen für die Verwesung den Zugang zu erleichtern. Beim Fund von Wachsleichen ließen manche Friedhöfe sie pietätvoll einäschern, während andere sie einfach entsorgten.
Artikel Abschnitt: Ungewollt mumifiziert
Ungewollt mumifiziert
Grund für das Verseifen ist mangelnder Sauerstoff. Nur durch Sauerstoffzufuhr können auch aerobe Bakterienarten Leichen zersetzen. Geschieht das nicht, werden die Körperfette zu einer wachsähnlichen Schutzschicht umgewandelt, auch Adipocire genannt. Bakterien und Enzyme können Adipocire nicht gut verdauen - die Zersetzung stockt.
Artikel Abschnitt: Hauptursache: Wasser
Hauptursache: Wasser
Hinzu kommt, dass viele Gräber übermäßig gegossen werden. Weil die Poren des Erdreichs dadurch ständig mit Wasser besetzt sind, gelangt kein Sauerstoff an die Leiche und sie kann nicht verwesen. Außerdem sind Lehmböden an sich luftundurchlässiger und begünstigen so das Konservieren der Leiche.
Daneben gibt es auch viele andere Faktoren, die das Verwesen hemmen:
- Kunstfaserkleidung des Toten: Bakterien können die Kunstfaser schlecht verdauen. Besser sind natürliche Fasern wie Baumwolle.
- Sargmaterial aus Kunststoff, Ton und Metall: Hier findet fast gar keine Zersetzung statt. Besser sind Harthölzer wie Mahagoni, Lärche oder Eiche.
- Antibiotika: Hier sind sich die Expert:innen uneins. Während einige davon sprechen, dass auch ein hoher Antibiotikakonsum der Toten zu Lebzeiten später die Verwesung hemmt, weisen andere darauf hin, dass dies noch gar nicht bewiesen sei.
Professor Fritz Sörgel vom Institut für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung in Nürnberg sagt gegenüber WDR.de: "Zwar gibt es einige Antibiotika, zum Beispiel Mittel mit Ciprofloxacin, die sich 20 Jahre oder länger im Körper halten. Gleichzeitig bilden Bakterien in dieser Zeit aber auch wieder Resistenzen gegen diese Antibiotika. Man kann also nicht davon ausgehen, dass Antibiotika einen nennenswerten Einfluss beim Entstehen von Wachsleichen haben."
Artikel Abschnitt: Mehr Zeit für Verwesung
Mehr Zeit für Verwesung
Es gibt aber auch aufwendigere Lösungen: An der Nordsee halten einige Gemeinden den Grundwasserspiegel auf ihren Friedhöfen mit Pumpen niedrig. Andernorts wurde der Friedhofsboden schon komplett ausgetauscht.
Besser für die Zersetzung von Leichen eignet sich zum Beispiel Kies- oder Sandboden statt luftundurchlässigen Lehmbodens. Expert:innen raten außerdem dazu, Stauden zu pflanzen. Sie wurzeln tief und müssen deshalb seltener gegossen werden.
Außerdem werden inzwischen immer häufiger Grabkammern angeboten, die in die Erde eingelassen werden. Dann kommt der Sarg nicht mit dem Boden in Berührung, sondern steht in einer Betonkammer. So ist der Sarg vor Wasser geschützt. Sauerstoff gelangt durch einen Aktivkohlefilter in die Kammer. Einmal eingebaut, sind die Betonkammern mehrfach benutzbar.
Artikel Abschnitt: Software gegen Wachsleichen
Software gegen Wachsleichen
"In das Programm speisen wir diverse Faktoren ein, unter anderem: Wie ist der Boden beschaffen? Mit wie viel Niederschlag ist zu rechnen? Inwiefern beeinflusst die Grababdeckung den Verwesungsprozess? Es geht also erst einmal um eine Menge Zahlen."
Am Ende prognostiziert die Software, wie lange Sauerstoff braucht, um zum Leichnam vorzudringen. In der Praxis hat sich laut Albrecht gezeigt, dass der Faktor Kleidung beim Verwesungsprozess eine bisher unterschätzte Rolle gespielt hat. Er rät, Verstorbene am besten nur in Naturfasern bestatten zu lassen.
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