Warum "fat shaming“ krank machen kann

Kurzfristig kann es durchaus motivierend sein, sich etwa in den sozialen Medien von sportlichen Vorbildern inspirieren zu lassen und nach deren Healthy-Lifestyle-Rezepten ein Frühstück zuzubereiten.

Übergewichtigen Menschen hilft das aber definitiv nicht. Sie werden häufig schon in der Schule oder beim Schwimmunterricht gehänselt und es wird nicht einfacher für sie, wenn sie sich zum Berufseinstieg im Bewerbungsgespräch gegen schlankere Konkurrent:innen durchsetzen müssen. Und hier liegt der Grund für die häufig unterschätzten Folgen von "fat shaming“: Adipositas-Forschende haben beobachtet, dass ein großer Teil der Betroffenen mit den Jahren die allgemeine negative Einstellung gegenüber Übergewichtigen, die in unserer Gesellschaft vorherrscht, übernimmt – und damit auch gegenüber sich selbst. Diese Menschen entwickeln eine Abneigung gegen den eigenen Körper, setzen sich selbst unter Druck, beispielsweise mit unrealistischen Abnehmzielen, und stehen angesichts der alltäglichen Erinnerungen an ihr Gewicht unter ständigem Stress. In der Fachsprache nennt sich dieses Phänomen "Internalisierung“. Und wer internalisiert, hat es erst recht schwer, abzunehmen.

Besonders anschaulich zeigte das eine nicht repräsentative Untersuchung an der Yale University in den USA. Dort befragte man 177 Frauen mit Übergewicht oder Adipositas und erfasste unter anderem, wie viel Sport sie trieben, ob sie schon einmal Stigmatisierung erfahren hatten oder wie sehr sie mit ihrem Körper zufrieden waren. Es zeigte sich eine eindeutige Teilung: Teilnehmerinnen, die sich in ihrem Körper wohlfühlten, gaben an, dass sie nach einer Stigmatisierung eher motiviert waren, Sport zu treiben. Andere berichteten genau das Gegenteil: Sie wurden durch Demütigungen demotiviert. Entscheidend dafür war ihre Grundeinstellung gegenüber dem eigenen Übergewicht. Sie hatten das Stigma internalisiert.

Während der krankmachende Einfluss von "fat shaming“ recht gut belegt ist, wissen Forschende nicht genau, welche Faktoren darüber entscheiden, ob jemand internalisiert oder nicht. Nicht jede Person mit Übergewicht oder Adipositas hat auch eine negative Grundeinstellung dem eigenen Körper gegenüber. Und übergewichtige Menschen mit einem positiven Körpergefühl laufen weniger Gefahr, an Diabetes oder Depressionen zu erkranken. Laut Psychologin Luck-Sikorski gibt es zudem Hinweise auf einen kulturellen Einfluss: "Wir wissen, dass in Kulturen, in denen starkes Übergewicht eher gesellschaftlich akzeptiert wird, die Menschen weniger psychisch krank sind aufgrund ihrer Adipositas.“ Schwarze Frauen bewerteten beispielsweise in einer Untersuchung andere übergewichtige Frauen oft weniger negativ als weiße.