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Lebensende
Darum greift die Patientenverfügung im Krankenhaus häufig nicht
Wer gesundheitlich nicht mehr in der Lage ist, Entscheidungen zu treffen, dem soll sie helfen: Die Patientenverfügung. Aber in der Praxis trifft ihre Anwendung immer wieder auf Schwierigkeiten.
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Inhalt
- Darum geht’s: Die Patientenverfügung soll helfen, den Willen des Patienten durchzusetzen
- Darum sollten wir drüber sprechen: Patientenverfügungen spielen trotzdem in der Praxis häufig keine Rolle
- Beispiel: So kannst du eine Patientenverfügung formulieren
- Aber: Die eigenen Wünsche am Lebensende oder bei einer schweren Erkrankung lassen sich schwer vorhersehen
- Und jetzt? Die sogenannte “gesundheitliche Vorausplanung“ könnte eine Lösung sein
- Darum geht’s: Die Patientenverfügung soll helfen, den Willen des Patienten durchzusetzen
- Darum sollten wir drüber sprechen: Patientenverfügungen spielen trotzdem in der Praxis häufig keine Rolle
- Beispiel: So kannst du eine Patientenverfügung formulieren
- Aber: Die eigenen Wünsche am Lebensende oder bei einer schweren Erkrankung lassen sich schwer vorhersehen
- Und jetzt? Die sogenannte “gesundheitliche Vorausplanung“ könnte eine Lösung sein
Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Die Patientenverfügung soll helfen, den Willen des Patienten durchzusetzen
Das gleiche Problem bei einem Fall aus Deutschland: Ein 82-jähriger Mann leidet an fortgeschrittener Demenz, kann sich weder bewegen noch mitteilen und hat immer wieder Lungen- und Blasenentzündungen. Er wird auf Initiative des Hausarztes durch eine Magensonde ernährt und so künstlich am Leben erhalten – gegen den Willen seines Sohnes. Nach dem Tod des Mannes im Jahr 2011 verklagt der Sohn den Arzt auf Schmerzensgeld und Schadenersatz. Doch der Bundesgerichtshof gibt dem Hausarzt Recht: "Der Patient hatte keine Patientenverfügung errichtet. Sein Wille hinsichtlich des Einsatzes lebenserhaltender Maßnahmen ließ sich auch nicht anderweitig feststellen."
Seit 2009 gilt das Patientenverfügungsgesetz
Diese Fälle zeigen eindrücklich, welche Konflikte am Lebensende ohne Patientenverfügung entstehen können. Der Vater des Klägers hätte vor seiner Erkrankung in einer Verfügung bestimmen können, ob er in einer solchen Situation künstlich ernährt werden möchte oder nicht. Denn die Funktion einer Patientenverfügung ist genau die: Man legt fest, ob man in bestimmte "Untersuchungen seines Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt" – und zwar im Vorhinein. So steht es im "Patientenverfügungsgesetz" (BGB § 1901a).
Keine medizinische Maßnahme ohne Einwilligung des Patienten
Es stammt aus dem Jahr 2009 und ist das Ergebnis einer jahrelangen Debatte im Bundestag. Im Zentrum steht die Idee der Patientenautonomie. Nur der Patientenwille ist bei der Entscheidung maßgeblich, ob medizinisch indizierte, also aus ärztlicher Sicht erforderliche Diagnosen, Operationen oder Therapien vorgenommen werden sollen. Dies gilt seit 2009 auch für die Situation der Einwilligungs- oder Entscheidungsunfähigkeit. Das heißt: keine Maßnahme ohne vorherige Einwilligung des Patienten. Selbst wenn sie aus ärztlicher oder pflegerischer Sicht notwendig, ja sogar lebensnotwendig ist. Doch wenn der Patient wie in den oben beschriebenen Fällen seinen Willen zuvor nicht dokumentiert hat und plötzlich einwilligungs- und entscheidungsunfähig ist, müssen andere versuchen, seinen "mutmaßlichen" Willen zu ergründen. Für die Angehörigen kann das zu einer extremen Belastung werden. Gerade wenn Ärzte dann ihrem Therapieprogramm folgen wollen.
Es ist ein weit verbreitetes Problem: Nach einer aktuellen Studie hat nur jeder zweite Intensivpatient einer Universitätsklinik eine Patientenverfügung oder eine Vorsorgevollmacht.
Artikel Abschnitt: Darum sollten wir drüber sprechen:
Darum sollten wir drüber sprechen:
Patientenverfügungen spielen in der Praxis trotzdem häufig keine Rolle
Häufige Fehler in der Patientenverfügung
In vielen Verfügungen finden sich Formulierungen wie: "Wenn ich mich in einer aussichtslosen gesundheitlichen Krise befinde, wünsche ich keine lebensverlängernden Maßnahmen." Oder: "Wenn ein Therapieerfolg nicht mehr zu erwarten ist, möchte ich, dass ein würdevolles Sterben zugelassen wird." Wenn solche Verfügungen nicht konkretisiert werden, sind sie wirkungslos. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in mehreren Urteilen festgestellt, die das "Patientenverfügungsgesetz" auslegen. Diese Formulierungen sind auch deshalb wenig hilfreich, da sie die Verfügung auf eine Situation beziehen, in der ein verantwortungsvoll handelnder Arzt eigentlich keine Handlungs- oder Entscheidungsalternativen hat. Weil er dann ohnehin nichts mehr zur Lebensverlängerung unternehmen darf. Auch wenn in der Praxis leider immer wieder "aussichtslose Fälle" weiterbehandelt werden. Denn Patientenverfügungen gelten grundsätzlich in jeder Lebensphase und in jedem Krankheitsstadium – nicht nur bei irreversibel tödlichem Verlauf, nicht nur in der Sterbephase.
So konkret wie möglich
Damit eine Patientenverfügung Wirksamkeit erlangen kann, ist es wichtig, dass sie zwei Merkmale aufweist:
- Die konkrete Behandlungsentscheidung: Die Verfügung muss konkret beschreiben, für welche genauen, noch nicht unmittelbar bevorstehenden ärztlichen Maßnahmen der Wille des Patienten gelten soll.
- Die konkrete Behandlungssituation: Die Festlegungen in der Verfügung müssen sich auf eine dann aktuelle Lebens- und Behandlungssituation beziehen.
Es kommt regelmäßig vor, dass Patientenverfügungen missachtet werden
Eine vollständig ausgefüllte Patientenverfügung ist jedoch leider kein Garant dafür, dass sie auch handlungsweisend wird. Pflegeunternehmen sind immer wieder bereit, gegen Patientenverfügungen zu verstoßen, wie aus einer bundesweiten Umfrage des Palliativmediziners Matthias Thöns hervorgeht. Von 155 Pflegediensten, die auf seine schriftliche Anfrage geantwortet hatten, erklärten sich 140 bereit, einen unheilbar kranken Patienten gegen den in seiner Patientenverfügung dokumentierten Willen mit künstlicher Beatmung am Leben zu erhalten. "Das spricht sehr für die Vermutung, dass weder Patientenwille noch Patientenwohl bei der Fortsetzung der Beatmung ausschlaggebend waren", kommentiert Matthias Thöns. Es seien nicht zuletzt wirtschaftliche Fehlanreize, die zu solchen "Angeboten" führten. Die außerklinische Intensivpflege in Heimen, Beatmungs-WGs (mehrere Patienten wohnen zusammen in einer Wohnung und werden dort dauerhaft beatmet) und zu Hause gilt als größter Wachstumsmarkt im Gesundheitswesen. Im Jahr 2003 wurden 500 Patienten, im Jahr 2015 schon 15.000 Patienten invasiv beatmet, bei jährlichen Kosten von 250.000 bis 360.000 Euro pro Patient.
Weitere Angaben zum Artikel:
Ein Beispiel
"Wenn ich infolge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses (zum Beispiel bei einer Demenzerkrankung) auch mit ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen, wünsche ich, dass keine künstliche Ernährung und keine künstliche Flüssigkeitszufuhr erfolgen. Es sei denn, dass eine künstliche Ernährung und/oder eine künstliche Flüssigkeitszufuhr bei palliativmedizinischer Indikation zur Beschwerdelinderung erfolgen."
Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Die eigenen Wünsche am Lebensende oder bei einer schweren Erkrankung lassen sich schwer vorhersehen
Was ist, wenn sich die eigenen Einstellungen und Wünsche ändern? Wenn das, was man für unzumutbar hält, irgendwann doch akzeptabel erscheint?
Argumente gegen eine Patientenverfügung
Der Psychologe Niels Birbaumer, ein Gegner der Patientenverfügung, sagte kürzlich: "Wie kann sich ein gesunder 50-Jähriger vorstellen, wie das Leben mit Locked-in oder Alzheimer ist? Vielleicht fühlt er sich dann noch wohl, kann das Formular aber nicht mehr ändern. 90 Prozent der Menschen mit der Diagnose Amyothrophe Lateralsklerose, die zum Locked-in führt, entscheiden sich für das selbstbestimmte Sterben. Dabei wissen wir, dass nach den wirklich schrecklichen Monaten, in denen sich die Krankheit stetig verschlimmert und an deren Ende die Lähmung liegt, eine Besserung des Gemüts eintritt. Das Gehirn stellt sich auf die neuen Umstände ein. Darauf zu warten, bitten wir unsere Patienten."
Kritiker von Birbaumers Forschung bezweifeln allerdings, dass man den Gemütszustand von "Completely-locked-in-Patienten" eindeutig feststellen kann.
"Keine juristisch bindende Handlungsanleitung"
Und Antje Vollmer, Mitglied der Grünen und seinerzeit Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, meinte im Rahmen der Debatte zum "Patientenverfügungsgesetz": "Eine Patientenverfügung kann Aufschluss über den irgendwann einmal in Zeiten seelischer Verlassenheit gefassten Willen eines Menschen geben. Sie kann aber keine juristisch bindende Handlungsanleitung für Mediziner oder Pflegepersonal sein. Das eigene Sterben und der Weg dorthin sind von niemandem von uns im Voraus zu berechnen."
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Die sogenannte „gesundheitliche Vorausplanung“ könnte eine Lösung sein
Wichtige Ergänzung: Die Vorsorgevollmacht
Damit der Wille des Patienten für den Fall seiner Entscheidungsunfähigkeit wirksam werden kann, ist zusätzlich zur Patientenverfügung eine Vorsorgevollmacht sehr zu empfehlen.
Durch sie erhält ein Familienangehöriger oder eine Person des Vertrauens das Recht, stellvertretend im Namen des Patienten zu handeln. Der "Bevollmächtigte" kann dann auch dafür sorgen, dass die Verfügung nicht falsch verstanden wird.
Was heute noch fehlt: Kompetente Beratungsangebote für diejenigen, die eine Patientenverfügung formulieren wollen. Solche Angebote könnten aber helfen, die Hemmschwelle zu senken und sich dem Thema zu widmen.
Ein Konzept aus den USA
Eine weitere Lösung: das Konzept "Behandlung im Voraus planen" (BVP). Es geht davon aus, dass der Wille eines Patienten durch Lebenserfahrung reifen und in Meinungsbildungsprozessen wachsen und sich verändern kann. Eigentlich ist BVP eine um einen Gesprächs- und Beratungsprozess erweiterte Patientenverfügung.
Entwickelt wurde das Konzept unter dem Namen "Advance Care Planning" in den 1990er Jahren in den USA.
Die Vorteile des Konzepts:
- Anders als bei den konventionell entstehenden Patientenverfügungen wird der vorausplanende Mensch in einem mehrteiligen Gesprächsprozess von einem qualifizierten BVP-Gesprächsbegleiter unterstützt und zur Entscheidung hinsichtlich seiner Wünsche für gesundheitliche Krisensituationen befähigt.
- Die Ergebnisse werden in einer übersichtlichen und aussagekräftigen Patientenverfügung und einem Notfallbogen (zum Beispiel für Rettungsdienste) festgehalten. Verfügung und Notfallbogen werden regelmäßig in weiteren Gesprächen überprüft und aktualisiert.
- Angehörige und Bevollmächtigte werden in die Planung einbezogen.
2015 hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Kosten für BVP für Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen über die gesetzliche Krankenkasse abgerechnet werden können. Das sind vor allem die Kosten für die qualifizierte Gesprächsbegleitung. Es fehlen allerdings noch Vergütungsvereinbarungen auf Landesebene. Deshalb kann BVP noch nicht flächendeckend angeboten werden.
Es gibt aber erste positive Erfahrungen damit in Deutschland. Jetzt hoffen die Initiatoren, dass sie bald bundesweit zeigen können, welche Vorteile ihr Konzept hat.
Autor: Georg Wieghaus
Quellenangaben zum Artikel:
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Artikel Überschrift:
Es fehlt eine umfassende Kritik der angebotenen Patientenverfügungen. Den wenigsten wird klar, das z. B. die Vorgaben des Justizministeriums ausschließlich in der Diagnosehoheit von Ärzten liegen und diese ein ethisch handelnder Arzt nicht brauchen würde, weil er in den Situationen einen Menschen nicht mehr vom Sterben abhalten würde. Es gibt… Weiterlesen »
Zitat: »Was heute noch fehlt: Kompetente Beratungsangebote für diejenigen, die eine Patientenverfügung formulieren wollen.«
So etwas gibt es u. a. durch den Humanistischen Verband Deutschlands, der sogar kostenlose Beratung anbietet und die individuell konkreten und rechtsverbindlichen Dokumente (einschließlich Vollmachten) dann erstellt.