Endometriose: Wenn Frausein weh tut

Es ist wirklich erstaunlich: In Deutschland gibt es eine Krankheit, an der – geschätzt – über zehn Prozent aller Frauen erkranken. Sie gilt (nach Myomen) als die zweithäufigste gutartige Frauenkrankheit. Und trotzdem ist sie fast unbekannt. Bei den meisten Betroffenen dauert es Jahre, bevor sie einen Arzt finden, der den Grund für ihr Leiden erkennt. Wie kann das sein? 

Weil sie so schwierig zu diagnostizieren ist, wird Endometriose häufig übersehen. Sie verursacht eine enorme Bandbreite von Symptomen, die ebenso gut auf andere Erkrankungen hindeuten könnten. Deshalb bezeichnen Medizinerinnen und Mediziner Endometriose als “Chamäleon der Medizin“. Allerdings: Bis zu 20 Prozent aller fruchtbaren, beschwerdefreien Frauen tragen kleine Endometrioseherde in sich. Es kann also durchaus schwierig sein, herauszufinden, ob die Symptome einer Frau tatsächlich mit einer (geringgradigen) Endometriose zusammenhängen.

Die betroffenen Frauen leiden fast immer unter heftigen Monatsschmerzen, dazu können Schmerzen beim Sex kommen sowie Darmschmerzen oder Blut im Urin. Abgeschlagenheit und Depressionen zählen zu den Folgesymptomen.

Manche spüren aber die von der Endometriose verursachten Schmerzen nicht nur im Unterleib, denn sie strahlen aus – beispielsweise bis in Rücken oder Schulter. Bisweilen schaukeln sich unterschiedliche Schmerzursachen auch gegenseitig hoch und der Ausgangspunkt ist nicht mehr klar identifizierbar. Die betroffenen Frauen wenden sich dann nicht unbedingt an einen Frauenarzt, sondern an einen anderen Spezialisten – bei Rücken- oder Schulterschmerzen eben an einen Orthopäden. Wenn der keine Ursache finden kann, beginnen die Betroffenen meist eine Odyssee – bis schließlich irgendein ein Arzt Endometriose vermutet. Bei vielen Frauen dauert es Jahre, bevor die Ursache ihrer Schmerzen klar diagnostiziert wird.  

Dabei lassen sich die meisten Formen der Endometriose schon im Ultraschall erkennen. Es braucht also nicht immer, wie es oft heißt, eine Bauchspiegelung zur Diagnose, bei der durch eine “Schlüsselloch-OP“ in den Bauch geschaut werden kann. Nur: Ärzt:innen müssen für die Ultraschalluntersuchung geschult sein. Was man im Ultraschall nicht erkennen kann: kleine Bauchfellherde.

Ein zyklisches Leiden

Auch wenn sie so schwer zu erkennen ist – ein gutes Indiz für Endometriose gibt es doch: Wenn nämlich die quälenden Symptome zyklisch auftreten, das heißt immer vor und während der Periode. 

Der Monatszyklus im Körper einer gesunden Frau endet immer damit, dass sich die Gebärmutterschleimhaut löst und mit Blut durch die Scheide abfließt. Endometrioseherde verhalten sich genauso: Sie bluten zum Zyklusende. Dieses Blut allerdings kann über keine Körperöffnung ausgeschieden werden. Es bleibt im Körper und verursacht dort Entzündungen sowie Zysten (kleine Hohlräume). Weil sie mit dunklem, bräunlichen Blut gefüllt sind, werden diese Zysten auch Schokoladenzysten genannt.

Warum sich das Gebärmutterschleimhaut-ähnliche Gewebe im Körper verirrt, dazu bestehen mehrere Theorien. Die Forschung konnte die Ursache bislang nicht klar zuordnen. Früher gingen Mediziner davon aus, dass eine Verschleppung von Gebärmutterschleimhaut die Hauptrolle spielt. Eine neuere Theorie besagt, dass sich der Gebärmuttermuskel bei Endometriose krankhaft zusammenzieht, was Unfruchtbarkeit, vermehrten Abfluss von Menstruationsblut durch die Eileiter in die Bauchhöhle sowie Unfruchtbarkeit zur Folge haben kann. Wahrscheinlich ist, dass es mehrere Wege der Entstehung gibt.

Weil die Ursache von Endometriose unbekannt ist, ist sie bislang auch nicht heilbar – wohl aber behandelbar. Manchmal helfen Schmerzmittel, aber leider nicht immer. 

Ein weiterer Behandlungsansatz: die Hormontherapie. Hier gibt es unterschiedliche Varianten, darunter die Dauereinnahme bestimmter Sorten der Antibabypille, wodurch die Monatsblutung unterdrückt wird. Ohne Zyklus “trocknen” die Endometrioseherde aus, die Schmerzen können verschwinden. Auch die Hormonspirale und ein speziell zugelassenes Hormonpräparat können helfen. Aber Hormone helfen auch nicht allen Frauen oder kommen nicht für alle Lebenssituationen infrage.

Eine weitere Behandlungsmöglichkeit: die Bauchspiegelung. Dabei wird der Bauch an einer kleinen Stelle geöffnet und auf Endometrioseherde hin untersucht. Sie können bei dem Eingriff auch gleich verödet oder entfernt werden. Manchmal sind allerdings sehr ausgedehnte Operationen erforderlich, um Frauen von ihren Beschwerden zu erlösen. 

Danach geht es den Patientinnen meist deutlich besser. Einige Frauen bleiben fortan beschwerdefrei, bei anderen breiten sich nach einiger Zeit wieder neue Herde im Körper aus und die Schmerzen kehren zurück. Leider werden aber auch viele Frauen mit Endometriose mehrfach hintereinander operiert, ohne dass sich etwas für sie bessert.

Welche Methode der behandelnde Arzt vorschlägt, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, unter anderem vom Alter der Patientin. Sie können auch kombiniert werden. Wichtig: Die Patient:innen müssen langfristig begleitet werden.

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Eine Studie in Neuseeland deutet darauf hin, dass Aufklärung im Schulalter dabei hilft, die Zeitspanne zwischen ersten Symptomen und Diagnose zu verkürzen. In Menstrual Health and Endometriosis Education Programs (Programme zur Aufklärung über Menstruationsgesundheit und Endometriose) lernen Schülerinnen, welche Symptome ein Hinweis auf eine Endometriose-Erkrankung sein könnten. Solche Programme wären auch in Deutschland hilfreich, um die Erkrankung Tausender Frauen früher zu erkennen, zu behandeln – und ihr enormes Leiden zu verkürzen. 

Ganz nüchtern gesehen sollte die Gesellschaft daran allein aus volkswirtschaftlichen Gründen ein Interesse haben: Je weniger Fehltage Schülerinnen und Arbeitnehmerinnen wegen endometriosebedingter Beschwerden anhäufen, desto besser für die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft. Und: Je früher Endometriose als Ursache für einen unerfüllten Kinderwunsch identifiziert werden kann, desto besser für die demografische Entwicklung im Land. Aufklärung über eine der meistverbreiteten Frauenkrankheiten sollte also im Interesse aller sein. 

 

Autorin: Ariane Stolterfoht