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Tripper, Chlamydien, Syphilis
Warum wir über Geschlechtskrankheiten sprechen müssen
Die Grippewelle ist jedes Jahr ein Riesenthema, Geschlechtskrankheiten sind es nicht. Dabei übersteigt die jährliche Zahl der beim Sex übertragenen Infektionen die der gemeldeten Grippefälle bei Weitem.
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Inhalt
- Darum geht’s: Geschlechtskrankheiten sind immer noch weitverbreitet
- Darum müssen wir drüber sprechen: Viele Infektionen verlaufen symptomlos, können unbehandelt aber ernsthafte Folgen haben
- Aber: Tabuisierung und Stigmatisierung verstärken das Problem
- Und jetzt? Wer sicher sein will, muss sich testen!
- Darum geht’s: Geschlechtskrankheiten sind immer noch weitverbreitet
- Darum müssen wir drüber sprechen: Viele Infektionen verlaufen symptomlos, können unbehandelt aber ernsthafte Folgen haben
- Aber: Tabuisierung und Stigmatisierung verstärken das Problem
- Und jetzt? Wer sicher sein will, muss sich testen!
Artikel Abschnitt: Darum geht’s:
Darum geht’s:
Geschlechtskrankheiten sind immer noch weitverbreitet
Auch von Feigwarzen und Genitalherpes, beides häufige Infektionen, hatten die meisten noch nie gehört. Andere in der Europäischen Union häufige Geschlechtskrankheiten sind Gonorrhoe (auch Tripper genannt), Syphilis, Hepatitis B und die Humanen Papillomviren (HPV), deren gefährlichste Vertreter diverse Krebskrankheiten auslösen können.
Nicht alle Geschlechtskrankheiten werden offiziell erfasst
Bei einigen dieser Geschlechtskrankheiten wissen wir, dass sie sich in Deutschland in den letzten zehn Jahren wieder stärker verbreitet haben – Syphilis und Hepatitis B zum Beispiel. Auch zu HIV gibt es genaue Zahlen, denn alle diese Krankheiten sind in Deutschland meldepflichtig. Bei Hepatitis wird sogar bereits beim Verdacht auf eine Erkrankung der Name und die Adresse der Betroffenen an das Gesundheitsamt gemeldet.
Andere Geschlechtskrankheiten werden in Deutschland dagegen kaum erfasst, etwa Chlamydien und Gonorrhoe. Obwohl sie EU-weit das Ranking der Geschlechtskrankheiten anführen, sind Infektionen mit diesen Erregern bei uns nur in Sachsen meldepflichtig. Um zu erfahren, wie stark sie verbreitet sind, müssen wir uns auf die Zahlen des European Center for Disease Prevention and Control (ECDC) verlassen, einer europäischen Behörde zur Kontrolle von Infektionskrankheiten, bei der die Meldungen aus ganz Europa zusammengetragen werden. Denn anders als in Deutschland sehen die meisten anderen EU-Staaten durchaus den Nutzen einer Meldepflicht für Chlamydien und Gonorrhoe.
Geschlechtskrankheiten sind wieder auf dem Vormarsch
Demnach sind die Fallzahlen für Gonorrhoe von circa 34.000 im Jahr 2004 auf über 100.000 im Jahr 2018 angestiegen. Die Notification Rate, also die Zahl der Meldungen pro 100.000 EU-Einwohner:innen, ist im gleichen Zeitraum von 12 auf 26 gewachsen. Die Meldedaten aus Sachsen zeigen ein ähnliches Bild. Wurden im Jahr 2001 lediglich 1,8 Gonokokken-Infektionen pro 100.000 Einwohner:innen gemeldet, so hat sich die Zahl im Jahr 2019 bereits auf 19,9 Infektionen pro 100.000 Einwohner:innen verzehnfacht. Für eine Chlamydien-Infektion lag die Notification Rate 2018 sogar bei 146 pro 100.000 Einwohner:innen.
Als noch häufiger gelten Genitalherpes und Humane Papillomviren (HPV). Hierzu gibt es auch auf EU-Ebene keine Zahlen. Es wird aber davon ausgegangen, dass 90 Prozent der Bevölkerung mit Herpesviren infiziert sind und dass jeder sexuell aktive Mensch wenigstens einmal im Leben mit HPV in Kontakt kommt. In den meisten Fällen kommt unser Immunsystem mit diesen Erregern gut alleine zurecht. Einige Stämme der HP-Viren können jedoch zu Genitalwarzen oder Krebs führen – und nicht nur zur Gebärmutterhalskrebs. Die Viren verursachen auch Kehlkopf- und Analkrebs. Männer sind dabei genauso betroffen wie Frauen. Durch eine einfache medikamentöse Behandlung sind diese Krankheiten nicht in den Griff zu bekommen. Deshalb ist es wichtig, dass alle Jugendlichen vor dem ersten Sex gegen HPV geimpft sind.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Viele Infektionen verlaufen symptomlos, können unbehandelt aber ernsthafte Folgen haben
Dazu kommt, dass Chlamydien und Gonorrhoe eine hohe Übertragungsrate haben. Ist eine Person infiziert und hat ungeschützt Sex, dann gibt sie die Erreger bei acht von zehn Kontakten weiter. Neben Unfruchtbarkeit erhöhen die Infektionen auch das Risiko, sich mit HIV anzustecken oder an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken. Gerade in der Anfangsphase sind die bakteriellen Erreger, die hinter Chlamydien und Gonorrhoe stecken, aber leicht zu behandeln, und zwar mit Antibiotika.
Weitere Angaben zum Artikel:
Checkliste: Diese Symptome deuten auf eine Geschlechtskrankheit hin
- Schmerzen oder Brennen beim Urinieren und beim Sex
- ungewöhnlicher Ausfluss aus Vagina, Penis oder After
- Hautausschlag oder Veränderungen wie Warzen, Bläschen oder Geschwüre
- unangenehmer Geruch im Genitalbereich
Wichtig: Wer diese oder ähnliche Symptome bemerkt, sollte das weitere Vorgehen mit einer Ärztin oder einem Arzt des Vertrauens besprechen.
Artikel Abschnitt:
Auch in festen Beziehungen kann man sich anstecken. 2017 gaben in einer repräsentativen Studie des Ärzteblattes 13 Prozent der Befragten an, während einer Partnerschaft mindestens einmal ungeschützten Sex mit anderen gehabt zu haben. 74 Prozent dieser “Fremdgänger:innen” ließen sich danach nicht auf Geschlechtskrankheiten untersuchen und nur zwei Prozent gaben an, in ihrer Beziehung immer Kondome zu nutzen.
Selbst bei geschütztem Sex mit Kondom kann man sich anstecken
Denn Chlamydien und Gonorrhoe werden, genauso wie viele andere Geschlechtskrankheiten, durch Hautkontakt übertragen – und ein Kondom bedeckt eben nicht 100 Prozent der Kontaktfläche beim Sex. Trotzdem sind Kondome die beste Schutzmöglichkeit, die wir haben. Ohne Wissen über den eigenen Gesundheitszustand sollten sie also auch bei Anal- und Oralsex konsequent genutzt werden!
Wie schädlich die Pille ist, haben wir hier erklärt.
Ob die Spirale eine gute Alternative zur Pille ist, haben wir hier aufgeschrieben.
Artikel Abschnitt: Übersicht: die wichtigsten Geschlechtskrankheiten
Übersicht: die wichtigsten Geschlechtskrankheiten
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Artikel Abschnitt: Aber:
Aber:
Tabuisierung und Stigmatisierung verstärken das Problem
“Die Frage ist aber, ob sie auch richtig benutzt werden. Gerade in heterosexuellen Kreisen werden Kondome hauptsächlich genutzt, um Schwangerschaften zu vermeiden und darum beim Oral- und Analsex oft weggelassen”, meint Norbert Brockmeyer. Die steigende Beliebtheit dieser Sexualpraktiken bei Heterosexuellen könnte also zur Verbreitung von Geschlechtskrankheiten beitragen. Dazu passt auch, dass am Zentrum für Sexuelle Gesundheit am Katholischen Klinikum Bochum nur ein Drittel der positiven Tests auf den Genitalbereich fallen: “Zwei Drittel der positiven Ergebnisse stammen von Abstrichen aus dem Anal- und Mundbereich”, sagt Norbert Brockmeyer.
Eine andere Hypothese für den Zuwachs an sexuellen Infektionen ist, dass durch Onlinedating die durchschnittliche Zahl an Sexualpartner:innen gestiegen ist. Klingt logisch, schließlich lassen sich mit Dating-Apps mögliche Sexpartner:innen wesentlich schneller und effektiver finden. Belastbare Daten für Deutschland gibt es dazu aber keine.
Weil viele der Krankheitsfälle – gerade bei Syphilis, Hepatitis B und Gonorrhoe – vor allem Männer betreffen, die Sex mit Männern haben, sehen manche Expert:innen auch eine Verbindung zu den besseren Behandlungsmöglichkeiten von HIV. Durch die Einnahme bestimmter Medikamente wird eine Übertragung der HI-Viren beim Sex praktisch unmöglich. Andere Krankheiten kann man sich aber leider trotzdem noch holen. Den Schutz vor diesen Krankheiten darf man deshalb nicht vernachlässigen.
Menschen, die eine Geschlechtskrankheit haben, werden oft pauschal verurteilt – das muss aufhören!
Geschlechtskrankheiten sind bei uns wieder stärker verbreitet – dafür gibt es wahrscheinlich nicht den einen Grund. Stattdessen geht der Anstieg wahrscheinlich auf eine Kombination verschiedener Ursachen zurück. Eines ist aber sicher: Die Tabuisierung und Stigmatisierung von Menschen mit Geschlechtskrankheiten vergrößern das Problem.
Eine Studie aus dem Frühling 2020 hat gezeigt, dass Medizinstudierende Patient:innen mit sexuellen Infektionen pauschal als dümmer und unvorsichtiger beurteilen. Vor allem wenn die Betroffenen bi- oder homosexuell sind. Für die Studie bekamen die Studierenden die Fallakten von fiktiven Personen, die unter einer Halsentzündung litten. Als Erreger wurden entweder ein Grippevirus oder Gonokokken angegeben, die durch Oralsex die Schleimhaut im Mund-Rachen-Bereich befallen können.
Eine nicht repräsentative Studie aus Irland hat zudem gezeigt, dass auch Studierende Geschlechtskrankheiten als Stigma betrachten und Menschen, die erkrankt sind, als selbstverantwortlich und unmoralisch ansehen.
“Wir müssen mehr über Sex und Geschlechtskrankheiten sprechen, zum Beispiel auch im Aufklärungsunterricht in den Schulen”, findet Norbert Brockmeyer vom Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin am Katholischen Klinikum Bochum. “Studien aus den USA haben klar gezeigt, dass Aufklärung nicht zur Sexualisierung von Kindern beiträgt, sondern dass Jugendliche danach umsichtiger mit ihrer Sexualität umgehen und weniger Geschlechtskrankheiten haben.”
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Wer sicher sein will, muss sich testen!
In Deutschland ist die Testkultur allerding noch verbesserungswürdig. Frauen können sich, bis sie 25 Jahre alt sind, einmal im Jahr kostenlos auf Chlamydien testen lassen. Wer nicht in diese Kategorie fällt oder sich vorsorglich auf andere Krankheiten untersuchen lassen möchte, muss selbst zahlen. Dazu kommt, dass vor allem junge Männer keine ausgewiesenen Ansprechpartner:innen für sexuell übertragbare Krankheiten haben. Junge Frauen gehen in der Regel wenigstens einmal im Jahr zur Routineuntersuchung zur Frauenärztin oder zum Frauenarzt und können sich dort informieren. “Junge Männer fallen im Teenageralter oft aus der ärztlichen Versorgung raus. Wenn sie keine Beschwerden haben, gehen sie vielleicht jahrelang nicht zum Arzt”, meint Norbert Brockmeyer.
Andere Länder sind fortschrittlicher als Deutschland
In Großbritannien und in verschiedenen skandinavischen Ländern werden Geschlechtskrankheiten standardmäßig getestet und erfasst. Dort liegen die Fallzahlen deutliche höher als im europäischen Mittel. In Dänemark zum Beispiel hatten im Jahr 2018 von 100.000 Menschen 578 eine Chlamydien-Infektion. Das liegt nicht daran, dass die Menschen dort mehr ungeschützten Sex haben, sondern daran, dass dort durch die routinemäßigen, kostenlosen Tests auf sexuell übertragbare Infektionen (sexually transmitted infections, STIs) die Dunkelziffer wesentlich niedriger ist.
Weitere Angaben zum Artikel:
Wie kann ich mich auf sexuell übertragbare Infektionen (STIs) testen lassen?
- Kostenlose und anonyme Tests auf HIV (und teilweise auch andere STIs) gibt es in jedem Gesundheitsamt
- HIV-Schnelltests der AIDS-Hilfe
- Kostenloses jährliches Chlamydien-Screening für Frauen bis 25 Jahre beim Frauenarzt oder der Frauenärztin
- Blutspenden als Testmöglichkeit für HIV, Hepatitis und Syphilis
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Quellenangaben zum Artikel:
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Artikel Überschrift:
Wieso ist der Artikel so belehrend geschrieben?
Meinst du die Überschrift? Oder welchen Teil im Artikel findest du belehrend? Das ist einfach unser Stil, unsere Artikel sind immer nach diesem Schema aufgebaut. Wir wollen damit nicht belehren, aber finden es eben wichtig, dass über das Thema gesprochen wird.
Nicht nur die Überschrift, sondern im ganzen Text durchziehen sich persönliche Ansprache durch „wir“, „du“, und Anmaßung, was wichtig ist und was „wir“ ehrlicherweise glauben („ja, das ist dumm, aber seien wir ehrlich, es kommt vor“). Wo habt ihr eigentlich gelernt, seriöse und sachliche Texte zu verfassen? Diese Belehrung hat… Weiterlesen »