Artikel Kopfzeile:
Spanische Grippe, Pocken, Corona
So enden Pandemien
Alle sehnen das Ende der Corona-Pandemie herbei. Doch kann es das überhaupt geben? Verschwinden Viren irgendwann einfach? Ein Blick auf vergangene Pandemien und ihr Ende.
Sprungmarken des Artikels:
Artikel Abschnitt: Wie enden Pandemien überhaupt?
Wie enden Pandemien überhaupt?
Das medizinische Ende tritt ein, wenn die Zahl der Erkrankten stark zurück geht. Also entweder, wenn ein Großteil der Menschen die Infektion überstanden hat und (vorerst) immun gegen den Erreger ist oder es wirksame Impfstoffe und Medikamente gibt.
Das soziale Ende ist eine bewusste Entscheidung und findet vor allem in den Köpfen der Menschen statt. Es tritt ein, wenn die Angst vor der Krankheit abnimmt, die Menschen die Einschränkungen nicht mehr hinnehmen wollen – und lernen, mit der Krankheit zu leben.
Artikel Abschnitt: Wieso konnten die Pocken ausgerottet werden?
Wieso konnten die Pocken ausgerottet werden?
Historische Schriften deuten darauf hin, dass es die Pocken bereits vor mehr als 3 000 Jahren gegeben haben könnte. Wissenschaftler der Charité Berlin, der University of Cambridge und der University of Copenhagen haben in einer aktuellen Studie zum ersten Mal nachgewiesen, dass die Krankheit schon bei den Wikingern umging. Sie entdeckten das Variolavirus in bis zu 1 400 Jahre alten Gebeinen aus Wikinger-Grabstätten in Dänemark, Norwegen, Schweden, Russland und England.
Personen, die mit dem Virus infiziert waren, entwickelten Fieber, dann einen Ausschlag, der sich in mit Eiter gefüllte Flecken verwandelte, die verkrusteten, abfielen und Narben hinterließen.
Darum war eine Ausrottung möglich:
Das Virus hatte einige Schwachstellen.
- Das Pockenvirus wurde nur von Mensch zu Mensch übertragen
Es hatte keinen tierischen Wirt, in dem es überleben konnte.
„Es gibt Krankheitserreger, die zirkulieren sowohl im Menschen als auch in Wildtieren“, erklärt Barbara Mühlemann von der Charité Berlin, Mitautorin der Pocken-Studie. „Selbst wenn ein Erreger im Menschen ausgerottet wird, kann er dann aus dem natürlichen Reservoir wieder in die menschliche Population eingetragen werden.“ Influenza-Viren etwa gehören dazu. Das Variola-Virus aber, welches die Pocken auslöst, zirkulierte nur im Menschen. „Das, kombiniert mit einer wirksamen, einfach zu handhabenden Impfung, machte die Ausrottung möglich.“
- Die Immunität hält ein Leben lang
Wer die Infektion überstanden hatte oder geimpft war, war ein Leben lang vor den Pocken geschützt. Eine dauerhafte Unterbrechung der Infektionsketten konnte die Seuche also zum Erlöschen bringen.
- Die Krankheit war klar erkennbar
Die Symptome waren eindeutig. So konnten Infizierte schnell ausfindig gemacht und isoliert werden.
1967 startete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein bisher einzigartiges weltweites Impfprogramm und arbeitete sich von Kontinent zu Kontinent vor. Dreizehn Jahre später erklärte die WHO die Erde für pockenfrei. Zu den berühmtesten Pocken-Kranken gehörten übrigens Mozart, Haydn, Goethe und Beethoven.
Artikel Abschnitt: Wie endete die Spanische Grippe?
Wie endete die Spanische Grippe?
Im Groben verlief die Spanische Grippe in drei Wellen. Die erste Welle überzog im Frühjahr 1918 die USA und Europa und verbreitete sich weltweit weiter. Die meisten Todesfälle gab es in der zweiten Welle im Herbst 1918 – in einem Zeitraum von nur 16 Wochen. Die Pandemie endete nach der dritten Welle im Sommer 1919.
Ausbruch und Verlauf der Krankheit erfolgten oft sehr schnell, manche Patienten verstarben innerhalb weniger Stunden. Wer überlebte, litt oft noch wochenlang unter chronischer Erschöpfung, Depressionen und neurologischen Störungen.

| Bild: Wiki Commons, PLoS Biology, H. Nicholls
Im Juni 1919 flaute die Pandemie endlich ab
Sie endete medizinisch:
- Viele Menschen hatten eine Immunität aufgebaut.
Wenn sie in den folgenden Jahren doch wieder mit dem H1N1 infiziert wurden, war der Verlauf nicht mehr so lebensbedrohlich. - Das Virus mutierte in eine weniger aggressive Form.
Unklar ist, wann genau die schwächere Mutation entstanden ist. Zusammen mit der hohen Grundimmunität sorgte das weniger tödliche Virus dafür, dass die pandemische Influenza-Welle in eine „normale“ Influenza überging.
Doch die Spanische Grippe endete auch sozial
Der Erste Weltkrieg war vorbei, die Menschen waren bereit für einen Neuanfang. Sie wollten Krieg und Krankheit hinter sich lassen und auch die Grippewelle schnell vergessen. Teilweise wurden die Isolationsmaßnahmen öffentlich aufgehoben, teilweise beschlossen die Menschen selbst, weniger Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten, um sich nach dem Krieg wieder ein Leben aufzubauen – auch, wenn dadurch Tote in Kauf genommen wurden.
Aber: So ganz verschwand das Virus nie
Das H1N1-Virus gehört zu den Influenza-A-Viren. Bestimmte Varianten dieser Viren traten auch in späteren Pandemien wieder auf – etwa bei der Schweinegrippe, die sich 2009 und 2010 pandemisch ausbreitete. „Das ist eigentlich der gleiche Stamm. Durch Mutation oder durch Übertragung von ganzen Gensegmenten entstehen immer bestimmte Subtypen, die entweder relativ neu für den Menschen sind oder vollständig neu“, so der Epidemiologe Dr. Jean-Baptist du Prel in der Reihe „Jahr100Wissen“ der Universität Wuppertal.
„Heute rechnet die WHO damit, dass ein bestimmter Teil der Bevölkerung auch mit H1N1 durchseucht ist. Dieser Subtyp ist aber bei weitem nicht so krankheitserregend wie der Erreger der damaligen Spanischen Grippe.“
Auch diese Grippepandemien entstanden durch Influenza-A-Viren:
- Die Asiatische Grippe von 1957, etwa eine Million Tote (Subtyp H2N2)
- Die Hongkong Grippe von 1968, etwa eine Million Tote (Subtyp H3N2)
- Die Schweinegrippe von 2009/2010, über 150.000 Tote (Subtyp H1N1)
Weil zukünftige Mutationen von Influenza-A-Viren die Gefahr einer neuen Pandemie bergen, beobachten weltweit verschiedene Institutionen den Stand der Influenza-Infektionen. So wurde bereits 1952 das Global Influenza Surveillance and Response System (GISRS) gegründet – ein globales Netzwerk von Laboratorien, das pro Jahr mehr als zwei Millionen Atemwegsproben testet, um die Ausbreitung und Entwicklung von Influenzaviren in über 100 Ländern zu überwachen. Das Netzwerk wird von der WHO koordiniert.
Artikel Abschnitt: Was passierte mit dem ersten SARS-Virus?
Was passierte mit dem ersten SARS-Virus?
Innerhalb von acht Monaten starben fast 800 Menschen an SARS, mehr als 8000 Menschen erkrankten schwer. Dennoch konnte die WHO die Pandemie relativ schnell in den Griff bekommen – am 5. Juli 2003 erklärt sie, die Ausbrüche seien weltweit eingedämmt worden.
Dieser schnelle Erfolg hatte mehrere Gründe:
- SARS-CoV war nicht so ansteckend wie das aktuelle Coronavirus
Ein Unterschied: SARS-CoV vermehrte sich in der Lunge, nicht schon im Rachen – dadurch war es schwerer, andere anzustecken. Auch waren Infizierte etwa 10 Tage nach Auftreten der ersten Symptome am ansteckendsten. Man konnte Erkrankte also relativ gut erkennen und isolieren. SARS-CoV-2 dagegen ist, das zeigen mehrere Studien, bereits vor dem Auftreten von Symptomen und kurz danach besonders ansteckend.
- Der Erreger konnte schnell relativ gut erkannt werden
Labortests, die das Virus zweifelsfrei erkennen konnten, waren bereits Ende Mai 2003 verfügbar. Übrigens dank maßgeblicher Mitarbeit von Prof. Christian Drosten. Der damals 30-jährige Wissenschaftler identifizierte den tödlichen Erreger mit Kollegen vom Bernhard Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.
- Internationale Zusammenarbeit
Unter Federführung der WHO arbeiten die öffentlichen Gesundheitssysteme weltweit zusammen. Obwohl normalerweise ein hohes Konkurrenzdenken zwischen den wissenschaftlichen Institutionen herrscht, wurden Informationen während der gesamten Zeit intensiv geteilt. Ein Maßnahmenkatalog wurde entwickelt, besonders wichtig dabei: das konsequente Isolieren von Erkrankten und möglicherweise Erkrankten.
SARS endete also, weil sich der Erreger bereits nach relativ kurzer Zeit verriet. Die Epidemie ließ sich mit klassischen Kontrollmaßnahmen effizient bekämpfen.
Artikel Abschnitt: Wie könnte die COVID-19 Pandemie enden?
Wie könnte die COVID-19 Pandemie enden?
Eine Ausrottung ist unwahrscheinlich: Das Virus hat einen tierischen Wirt, von dem es immer wieder auf den Menschen übergehen kann. Die aktuellen Daten zur Immunität und Meldungen zu Zweitinfektionen legen nahe, dass nicht mit einer lebenslangen Immunität gegen das Virus gerechnet werden kann.
Forschende sehen laut einer aktuellen Studie allerdings Anzeichen dafür, dass sich das Virus endemisch entwickeln könnte – also gehäuft in einer bestimmen Region vorkommend. Infektionen würde es somit weiterhin geben, die Schwere der Erkrankung könnte aber abnehmen.
Ob man sich mehrfach mit dem Coronavirus anstecken kann, erklären wir hier.
Unklar ist auch, ob eine Impfung tatsächlich vor einer Infektion schützen kann – oder „nur“ für einen leichteren Verlauf sorgen wird. Und: Von den vier saisonalen Coronaviren weiß man, dass man sich mit ihnen immer wieder infizieren kann.
Auch ein soziales Ende?
Da weltweit der ökonomische Druck wächst und die Menschen eine gewisse „Corona-Müdigkeit“ zeigen, könnte es sein, dass die Coronavirus-Pandemie sozial endet, noch bevor sie medizinisch enden kann. Bereits im Herbst 2020 scheinen viele Menschen das Virus weniger ernst zu nehmen, die notwendigen Abstands- und Hygieneregeln seltener einzuhalten.
Prof. Heiner Fangerau vom Institut für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der Universität Düsseldorf kann sich folgendes „Ende“ der Corona-Pandemie vorstellen: „Das Coronavirus wird wie das Influenzavirus und andere ein Begleiter unserer Gesellschaften bleiben. Wir werden uns arrangieren müssen. Das Mantra vom März war „Flatten the curve“ – wenn das weiter verfolgt wird, werden sich die Infektionszahlen auf niedrigem Niveau einpendeln, irgendwann sinkt der Nachrichtenwert und die Aufmerksamkeit für die wenigen Infektionen wird schwinden.“
Über den Autor:
Quellenangaben zum Artikel:
Social Sharing:
Artikel Überschrift:
Es wäre wünschennswert, daß die Corona-Krise sowohl sozial als auch medizinisch ausläuft. Warum sträubt sich die Politik, alle gut begründbaren Meinungen anzuhören und einen Mittelweg zu gehen. Selbstverständlich müssen die Entwicklungen genau beobachtet werden. Warum werden nicht beide Seiten ernstgenommen, sowohl diejenigen, welche sich um die Gesundheit sorgen als auch… Weiterlesen »
Impfung gegen Pneumokoken ist sinnvoll,warum gibt es keinen Impfstoff? Wird hier etwas bewusst übersehen?
Natürlich kann man sich gegen Pneumokokken impfen lassen. Wird bei kleinen Kindern gemacht und bei Menschen über 60 Jahren.
Das Virus mutierte in eine weniger aggressive Form.
Ein wenig extrem gedacht, aber wenn wir eine noch slimmere Pandemie haetten, gab es dan auch die moegliche Strategie zum absichtlich aendern / mutieren vom Virus in eine harmlose Form.
Dieser Vorschlag wurde tatsächlich bereits gemacht: Ein synthetisches Coronavirus, das virulenter und zugleich „harmloser“ als das aktuelle SARS-CoV-2 ist, freizusetzen um damit das tödliche Coronavirus zu verdrängen. Meiner Meinung nach ist das eine wirklich riskante Idee, weil es durch Rekombination im Wirt zur Entstehung neuer – möglicherweise noch gefährlicherer –… Weiterlesen »
Spannend und gut recherchiert! Ich möchte in diesem Kontext auf das humane Coronavirus HCoV-OC43 hinweisen, das seit den 60er Jahren als harmloses Erkältungsvirus beschrieben ist. Sein Vorläufer ist von Rindern auf Menschen übergesprungen. Aufgrund der genetischen Unterschiede zum Ursprungsvirus wird der Zeitpunkt dieses Erstkontaktes etwa um 1890 datiert. Das ist… Weiterlesen »
@Silene ich bin mal Ihrem Link gefolgt, und stelle fest, dass Sie schon eine spezielle Art haben, einen Wikipedia Artikel zu zitieren und etwas, was dort demnach selbst von den Autoren der entsprechenden Studie „spekulativ“ genannt wird, durch inhaltliche Auslassungen den Anschein von Wahrheit, von Fakten zu geben! Warum machen… Weiterlesen »
Ich hatte Wikipedia verlinkt, weil es sich dabei um eine deutschsprachige Quelle handelt. Leider werden die Inhalte aber auch alle Nase lang von mehr oder weniger anonymen und mehr oder weniger sachkundigen Menschen verändert. Viel seriöser, aber eben nur auf englisch, wird der Stand des Wissens in diesem Artikel im… Weiterlesen »
@Silene Was Sie da anführen, ändert nichts an meiner Kritik, und der Sachlage! Ich schrieb zu Ihrer Unterstellung einer Corona-Pandemie, statt einer Infuenza-Pandemie um1890: „was dort demnach selbst von den Autoren der entsprechenden Studie „spekulativ“ genannt wird“ Wikipedia: „. In Presseberichten wurde die in den wissenschaftlichen Arbeiten sehr vorsichtig formulierte… Weiterlesen »
„Ich schrieb zu Ihrer Unterstellung einer Corona-Pandemie, statt einer Infuenza-Pandemie um1890“ Das habe ich nicht unterstellt. Lesen Sie bitte, was ich geschrieben habe. HCoV-OC43 ist vermutlich um 1890 auf den Menschen übergesprungen. Das ist auch der Zeitraum, in dem die Russische Grippe auftrat. Soweit die Fakten. Ob es sich bei… Weiterlesen »
Ich habe meinen Kommentar noch einmal sorgfältig durchgelesen. Da gibt es keinen einzigen Satz, der nicht belegbar wäre. Im übrigen geht es in dem obigen Quarks-Artikel um die Frage „Wie enden Pandemien?“. Unter anderem eben auch, „wenn die Angst vor der Krankheit abnimmt, die Menschen die Einschränkungen nicht mehr hinnehmen… Weiterlesen »