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Antikörper und T-Zellen
Corona: Sind wir nach einer Infektion immun?
Immer wieder lesen wir, dass Menschen sich mehrmals mit dem Coronavirus angesteckt haben. Aber ist das möglich?
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- Wie lange ist man nach einer Infektion immun?
- Schützt die Immunantwort auch vor den mutierten Varianten?
- Und was bedeutet das für die Impfungen?
Wir versuchen diese so gut es geht zu beantworten – doch auf einige davon gibt es noch keine endgültige Antwort. Das liegt auch daran, dass viele Arbeiten derzeit noch als Preprint vorliegen und damit weder final noch peer-reviewed sind. Was ihr jetzt lest, ist der aktuelle Wissensstand.
Artikel Abschnitt: Haben sich Menschen bereits mehrfach infiziert?
Haben sich Menschen bereits mehrfach infiziert?
Wie oft Zweitinfektionen auftreten zeigen zwei größere Untersuchungen: Eine Studie aus Qatar, eine aus Großbritannien.
- In der Studie aus Qatar wurden 133 266 Probanden untersucht, 54 davon steckten sich ein zweites Mal an – und zeigten Symptome. Das Risiko für eine Zweitinfektion mit Symptomen schätzen die Autoren daher auf 0,02 Prozent.
- Eine Kohortenstudie aus Großbritannien hat unter 20 000 Krankenhausmitarbeiter etwas mehr Fälle gefunden – allerdings wurden hier auch asymptomatische Reinfektionen mitgezählt. Das Fazit: Eine durchgestandene Infektion und der dadurch aufgebaute Immunschutz senken das Risiko, sich erneut mit dem Coronavirus anzustecken, um 83 Prozent – und das Risiko, noch einmal mit Symptomen zu erkranken, um 95 Prozent.
Was ist mit den neuen Virusvarianten?
Die Frage ist jetzt: Wie gut schützt die Immunantwort auch vor den neuen, mutierten Varianten des Coronavirus? In Brasilien haben sich offenbar zwei Menschen mit einer neuen Variante angesteckt, obwohl ihr Körper nach einer ersten Covid-Erkrankung schon Antikörper gegen das Virus gebildet hatte – das zeigt ein Preprint, das noch nicht begutachtet wurde.
Meist steigt mit Mutationen die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Infektion. Die bisherigen Erkenntnisse deuten aber nicht darauf hin, dass die Menschen bei einer zweiten Infektion ähnlich schwer oder sogar schwerer erkranken. Je nach Mutation ist das aber auch nicht auszuschließen.
Für die Impfungen gibt es noch keine veröffentlichten Informationen dazu, wie gut sie gegen die neuen Varianten schützen. Nach Angaben der Hersteller und vorläufiger Einschätzung von Experten dürfte der Impfschutz nicht maßgeblich betroffen sein.
Artikel Abschnitt: Bleibt man immun – und wenn ja, wie lange?
Bleibt man immun – und wenn ja, wie lange?
Mittlerweile ist klar: Ja, viele Patientinnen und Patienten bilden eine Immunantwort aus, insbesondere diejenigen, die einen schweren Verlauf hatten. Und erste langfristige Untersuchungen machen Hoffnung darauf, dass ein Immunschutz auch bei milden Verläufen durchaus mehrere Monate andauert – oder sogar mehr.
Gleichzeitig wird deutlich: Das Immunsystem reagiert nicht bei jedem gleich.
Antikörper schon nach kurzer Zeit verschwunden
So zeigen Studien, dass die Konzentration der Antikörper gegen SARS-CoV-2 mit der Zeit abnimmt. Das ist ein üblicher Vorgang, allerdings haben Forscher bei einigen Patienten mit milden Verläufen schon nach drei bis sieben Wochen keinerlei Antikörper mehr im Blut gefunden.
Etwas ermutigender ist eine amerikanische Studie, in der die Immunantwort nach einer Infektion sehr detailliert und über acht Monate hinweg untersucht wurde. Das Ergebnis:
- Einen Monat nach der Infektion hatten 98 Prozent der Probanden Antikörper gegen das Spike-Protein, nach sechs bis acht Monaten waren es immer noch 90 Prozent.
- Auch neutralisierende Antikörper, die die Bindung des Virus an die Zellen blockieren, waren über längere Zeit stabil und bei 90 Prozent der Probanden noch nach sechs bis acht Monaten nachweisbar.
Doch spielen Antikörper nicht die alleinige Rolle bei der Immunantwort – auch die Langlebigkeit von B-Gedächtniszellen und T-Zellen wurden untersucht.
- Fast alle Probanden, egal ob mit mildem oder schweren Verlauf, hatten B-Gedächtniszellen – Zellen, die die Informationen zur Bildung der Antikörper speichern, um bei erneutem Kontakt mit dem Virus wieder Antikörper produzieren zu können. Auch nach fünf bis acht Monaten nach der Infektion waren sie noch nicht wieder abgefallen.
- Die T-Zellen dagegen waren mit einer Halbwertzeit von drei bis fünf Monaten deutlich kurzlebiger.
Wie lange die Immunantwort tatsächlich schützt, müssen jetzt weitere Langzeitstudien zeigen.
Artikel Abschnitt: Wie reagiert das Immunsystem auf das Coronavirus?
Wie reagiert das Immunsystem auf das Coronavirus?
Grundsätzlich gibt es die weißen Blutkörperchen, darunter die sogenannten B-Zellen und T-Zellen. Die B-Zellen produzieren später die Antikörper, die Viren wie das Coronavirus gezielt erkennen und bekämpfen. Das wichtigste davon ist das Immunglobulin G (IgG), es ist im Blut der häufigste Antikörper und richtet sich sehr speziell gegen einzelne Erreger.
Viele Tests weisen auch die Variante IgM nach, die weniger spezifisch und quasi ein Vorläufer ist. Ein IgM-Antikörper kann zu IgG wechseln – und das scheint auch bei Covid-19 der Fall zu sein. Eine erhöhte IgM-Konzentration könnte etwa eine recht frühe Phase der Infektion andeuten.
Erst T-Zellen, dann Antikörper?
Statt aber viele passende Antikörper zu finden, haben Forschende bei asymptomatischen Probanden vor allem eine Immunreaktion über die T-Zellen nachgewiesen:
- Sogenannte T-Helferzellen unterstützen bei der Immunabwehr, produzieren Zytokine (Proteine, die gerade vor allem im Zusammenhang mit einer Überreaktion des Immunsystems bei schweren Coronaverläufen auftauchen) und können die Antikörperproduktion ankurbeln.
- Andere T-Zellen erkennen und zerstören infizierte Zellen auch selbst.
In Wirklichkeit ist es natürlich noch komplexer, alles hängt mit allem zusammen – das macht es für Forscher so schwer, die Frage nach der Immunität zu beantworten.
In den bisherigen, teils unveröffentlichten Studien interpretieren die Forscher ihre Ergebnisse so: Antikörper werden nach einer schweren und langwierigen Infektion gebildet. In den ersten Tagen direkt nach der Infektion aber, also an der ersten Kampf-Front gegen das Virus, könnten die T-Zellen eine weitaus wichtigere Rolle bei der Virusabwehr spielen.
Frühere Infektionen mit saisonalen Coronaviren könnten vor Covid-19 schützen
Interessant ist: Nicht nur die Immunzellen von Menschen, die nachweislich mit SARS-CoV-2 infiziert waren, reagieren auf das Virus. Konfrontiert man ältere Blutproben aus einer Zeit vor der Pandemie mit dem Virus, lösen auch hier die B- und T-Zellen eine Immunreaktion gegen das Coronavirus aus – Immunzellen also, die SARS-CoV-2 noch nicht kennen konnten.
Einige Arbeiten sprechen auch von einer „memory response“: Das Immungedächtnis wird aktiv. So etwas deutet auf eine Kreuzreaktivität hin. Das bedeutet, dass T-Zellen, die bei einer früheren Infektion mit üblichen saisonalen Coronaviren gebildet wurden, auch teilweise vor dem neuen SARS-CoV-2 schützen könnten. Womöglich bleibt dieser Schutz über längere Zeiträume stabil.
Interessant ist auch, dass die T-Zellen ihre Abwehr nicht nur gegen das prominente Spike-Oberflächenprotein des Coronavirus richten, mit dem es in die menschlichen Zellen eindringt – das Protein, das dem Virus sein stacheliges Aussehen verleiht. Stattdessen ist die Immunantwort vermutlich breiter und reagiert auch auf andere, innere Virusbestandteile.
Artikel Abschnitt: Wie hängt der Krankheitsverlauf damit zusammen?
Wie hängt der Krankheitsverlauf damit zusammen?
Warum dieser Teil des Immunsystems bei den Patienten gestört oder außer Balance ist, dazu gibt es bislang keine eindeutigen Aussagen. Forscher vermuten unter anderem, dass eine hohe Viruslast das Immunsystem schlichtweg überfordert und eine Überreaktion stattfindet. Schließlich produzieren T-Zellen auch sogenannte Zytokine, mit denen Zellprozesse reguliert werden.
Bei jedem fünften Patienten mit schwerem Verlauf scheint es gar keine Immunreaktion über T- oder B-Zellen zu geben. Die genaue Ursache dafür ist bislang unklar.
Das Immunsystem reagiert über
Gerade der “Zytokinsturm”, bei dem massenhaft Zytokine die Lunge überschwemmen, gilt aber als Symptom eines besonders schweren Verlaufs, bei dem das Lungengewebe geschädigt wird und akutes Lungenversagen als Folge auftreten kann.
Einige Forscher haben beobachtet, dass bei Patienten mit einem kritischen Verlauf die Konzentration an T-Zellen geringer war – die T-Zellen möglicherweise durch eine lange Infektionsdauer quasi erschöpft waren. Genauso könnte das Coronavirus über Umwege die T-Zellen selbst beschädigen oder zerstören.
Artikel Abschnitt: Wie sieht die Immunantwort nach einer Impfung aus?
Wie sieht die Immunantwort nach einer Impfung aus?
Trotzdem gehen Experten nicht davon aus, dass die derzeitigen Impfungen eine Infektion vollständig verhindern können. Die Impfungen scheinen den Krankheitsverlauf deutlich abzumildern und schwere Verläufe sehr effizient zu verhindern. Eine Verbreitung durch Geimpfte ist aber weiterhin denkbar. Wie hoch die Viruslast eines Geimpften aber noch sein kann und wie hoch das Risiko ist, dass ein Geimpfter andere ansteckt, ist noch völlig unklar.
Artikel Abschnitt: Und jetzt?
Und jetzt?
Jetzt gilt es herauszufinden, ob die Immunantwort auch gegen die neuen Varianten des Coronavirus wirkt. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Variante, die sich in Südafrika ausgebreitet hat, zumindest einigen Antikörpern der natürlichen Immunantwort entgeht. Auch bei der Variante, die sich in Brasilien ausbreitet, scheint das der Fall zu sein.
Autor: Mathias Tertilt
Quellenangaben zum Artikel:
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Artikel Überschrift:
„…zeigen aber gleichzeitig eine geringere oder gestörte T-Zell-Antwort. Konkret: Sie bilden weniger T-Killerzellen.“
Hier besteht anscheinend ein direkter Zusammenhang zu einem Mangel an Vitamin D: https://www.sciencedaily.com/releases/2010/03/100307215534.htm
Ich hatte Ende Januar einen Termin in einer orthopädischen Praxis in München, die sich u.a. auf Skifahrer spezialisiert hat. 6 Tage später habe ich Husten, Schnupfen – für mich hohes Fieber bekomme, da ich nie Fieber habe. Aufgrund meiner asthmatischen Vorerkrankung hab ich schlecht Luft bekommen – sowas hatte ich… Weiterlesen »
Die vorläufigen Ergebnisse einer noch nicht dem peer-review unterworfenen Studie machen Hoffnung: Sechs Monate nach einer Infektion mit SARS-CoV_2 konnte bei hundert untersuchten Personen im Alter von 22-65 Jahren noch in allen Fällen eine virusspezifische Immunantwort durch T-Zellen nachgewiesen werden. Quelle: Robust SARS-CoV-2-specific T-cell immunity is maintained at 6 months… Weiterlesen »
Ein weiteres Paper, ebenfalls noch im Preprint-Stadium, kommt zu ähnlichen Aussagen: „Although the serum levels of anti-SARS-CoV-2 IgG antibodies started to decline, virus-specific T and/or memory B cell responses increased with time and maintained during the study period (6-8 months after infection).“ Quelle: Persistence of SARS-CoV-2 specific B- and T-cell… Weiterlesen »
Bin überzeugt dass ich in der ersten Februarwoche 2020 eine der ersten Coronafälle in D. /Reutlingen, war. Leider hat man damals noch nicht getestet, obwohl Covid 19 schon in D. angekommen ist. Ich bin 71 Jahre alt, weiblich und habe keine Vorerkrankungen. Mein Ehemann und ich leben sehr isoliert, bin… Weiterlesen »
Angenommen, ich hätte eine Infektion fast überstanden (Tag 5, aber ohne Gewissheit, dass es wirklich vorbei ist) und ein Freund mit dem selben Strain, der nun auch erstmal Symptome zeigt, kommt zu mir in die Isolation, damit ich ihn pflegen kann. Besteht hier das Risiko dass er mich erneut ansteckt… Weiterlesen »
Das lässt sich derzeit leider noch nicht zuverlässig beantworten. Damit zu experimentieren, wäre ethisch auch äußerst fragwürdig.