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Cyberchondrie
Wann es problematisch ist, im Internet nach Krankheiten zu suchen
Das Internet weiß zwar immer Rat, schürt aber oft unnötig Ängste und kann zu falscher Selbstmedikation führen. Wann und wie googeln trotzdem helfen kann, erfahrt ihr hier.
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Artikel Abschnitt: Darum geht's:
Darum geht's:
Viele Menschen suchen Gesundheitsinformationen im Internet
Und auch wenn es um die Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen geht, wenden sich viele Menschen an die Suchmaschinen. 75 Prozent der Menschen in Europa halten das Internet für eine gute Quelle für Gesundheitsinformationen.
Wann Symptome googeln zum Problem werden kann
Vor allem Menschen mit einer ohnehin schon schweren Gesundheitsangststörung, also Hypochondrie, können zusätzlich durch Informationen aus dem Internet getriggert werden. Wenn etwa leichte Symptome fälschlicherweise einer schweren Krankheit zugeordnet werden, kann das negative Folgen für die Psyche haben. Das Internet wirkt dabei allerdings nicht als Auslöser für die besondere Krankheitsangst, sondern eher als ein zusätzlicher Beschleuniger.
„Dieses Phänomen wurde bereits kurz nach der Jahrtausendwende in den US-amerikanischen Medien als Cyberchondrie bezeichnet”, erläutert Christiane Eichenberg, Leiterin des Instituts für Psychosomatik an der Fakultät für Medizin der Sigmund-Freud-Privatuniversität in Wien. Es meint: “Menschen haben eine unbegründete Angst vor Krankheiten, die auf der Zurkenntnisnahme von Webinhalten basiert.“
Wie sich eine Cyberchondrie genau entwickele, sei bislang allerdings wenig untersucht, erklärt Juniorprofessorin Stefanie Jungmann vom Psychologischen Institut der Uni Mainz. Eine wichtige Rolle spielten offenbar Persönlichkeitsmerkmale wie eine generelle Ängstlichkeit, aber auch bisherige positive Erfahrungen in Sachen Internetrecherche.
Artikel Abschnitt: Darum müssen wir drüber sprechen:
Darum müssen wir drüber sprechen:
Das Internet kann Menschen kränker machen
Was dieses Verhalten so gefährlich macht: Wer sich auf unseriöse Informationen aus dem Internet verlasse, riskiere einen ungünstigen Verlauf auf seine tatsächlichen oder befürchteten Krankheiten, so Eichenberg. Cyberchondrie-Betroffene haben oft das Problem, das sie im Internet neue Krankheitsbilder finden, wodurch sich ihre Ängste weiter verschlimmern können.
Das kann schlimme Folgen haben: "Menschen mit pathologischer Krankheitsangst erleben körperliche Missempfindungen zunächst wie wir alle, zum Beispiel einen aufgeblähten Bauch. Sie neigen allerdings dazu, diese als Zeichen einer ernst zu nehmenden Erkrankung, etwa Krebs, zu interpretieren“, erläutert Stefanie Jungmann von der Uni Mainz.
Unkritischer Umgang mit Informationen aus dem Netz
Wer von Cyberchondrie betroffen ist, verspürt oft einen Drang, wiederholt nach Symptomen oder einer Krankheit im Internet zu suchen. Dabei ist es meist nebensächlich, wie wissenschaftlich fundiert oder evidenzbasiert die Informationen auf der jeweiligen Website sind. Statt wissenschaftlicher Expertise finden Menschen gerade im Internet oft meinungsgetriebene Ratschläge und Analysen.
Eine Studie zeigte ines der Hauptprobleme: Wer wirklich an Cyberchondrie leidet, geht sogar besonders unkritisch mit Gesundheits- beziehungsweise Krankheitsinformationen aus dem Internet um. Wer seine Symptome im Internet abcheckt, liegt oft daneben – das hat vor allem mit der Qualität der Webinfos zu tun, zeigen weitere Studien.
Ein Beispiel: Im Internet wird dem Suchenden etwa zu einem Arzt- oder Krankenhausbesuch geraten, obwohl eine Selbstbehandlung ausreichend wäre. So wird das Symptom schnell überschätzt.
Auf der anderen Seite können Suchergebnisse auch dazu verleiten, dass Menschen die falschen Medikamente einnehmen oder unpassende Behandlungsmethoden anstreben. Es gibt sogar Menschen, die aufgrund von Internetrecherchen ihre Therapien abgebrochen haben.
Falsche Behandlungsempfehlungen bei Google-Suchen
Falsche Behandlungsempfehlungen sind nicht nur für Cyberchondrie-Betroffene ein Problem. Auch beim Googeln von Mitteln gegen alltägliche Wehwehchen sollte man kritisch bleiben.
Gerade wenn es um Hausmittel oder alternative Medizin geht, liegt Google zum Beispiel oft daneben. Laut einer Studie, die sich beliebte Suchanfragen angeschaut hat, wurden in 32 Prozent der Fälle Hausmittel als Behandlung propagiert, obwohl sie keine nachgewiesene Wirkung hatten.
Außerdem wird zu selten vor möglichen Nebenwirkungen wie Allergien gewarnt. Auch über Unverträglichkeiten oder manchmal sogar krebserregendem Potential der scheinbar harmlosen Hausmittelchen werde nicht ausreichend informiert .
Confirmation Bias und das Einschätzen vertrauenswürdiger Quellen
Zu den falschen Informationen kommt das Problem der menschlichen Voreingenommenheit. Wenn wir vor der Internetrecherche schon glauben, dass wir an einer bestimmten Krankheit leiden, oder dass uns eine bestimmte Behandlung helfen könnte, wählen wir bei einer Google-Suche eher Links, die diese Meinung bestätigen.
Dieser sogenannte Confirmation Bias, zu deutsch Bestätigungsfehler, beeinflusst uns in allen Lebenslagen und wurde in Studien zu Gesundheitsrecherchen im Netz ebenfalls nachgewiesen. Er kann zum Problem werden, wenn es um tiefe Überzeugungen geht – wie etwa die Ablehnung von Impfungen.
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Eigene Recherchen können helfen, den Arzt besser zu verstehen
Eine kritische Recherche oder die Lektüre evidenzbasierter Studien namhafter Institute kann dazu führen, Ärztinnen und Ärzte und Wissenschaft besser zu verstehen. Die kritische Recherche ermächtigt uns auch, gegenüber Fachexpert:innen die richtigen Fragen zu stellen. Dadurch ändere sich auch das traditionelle Arzt-Patienten-Verhältnis, so Jungmann von der Uni Mainz.
Während dieses Verhältnis früher oft asymmetrisch war, also lediglich der Fach- oder der Hausarzt entschieden haben, können gute Infos aus dem Netz uns heute in die Lage bringen, auf Augenhöhe mit den Fachleuten zu sprechen. Das kann sogar so weit gehen, dass sich Behandelnde Sorgen über ihre Kompetenz machen: „Medizinstudierende berichten häufiger über die Sorgen, im Kontakt mit vorinformierten Patientinnen und Patienten nicht ausreichende Kompetenzen zu haben, wenn diese zum Beispiel vermehrt nachfragen – auch über das Fachgebiet der Expertin oder des Arztes hinaus“, sagt Jungmann.
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Und jetzt?
So sieht ein gesunder Umgang mit Krankheitsinformationen aus
Es braucht oft einfach medizinische Bildung und Erfahrung, um bestimmte Informationen einordnen zu können. Klassische Untersuchungen, zum Beispiel des Gewebes oder des Blutes, helfen bei der Diagnose einer Krankheit.
Gütesiegel als Lösung?
Da es im Internet zu viele dubiose Informationen gibt, könnten Gütesiegel helfen, um Quellen mit wissenschaftlicher Evidenz und einer hohen medizinischen Glaubwürdigkeit zu markieren. Zu diesem Ergebnis kommt auch Christiane Eichenberg in ihrer Studie. So lange die Qualität vieler Websites nicht eindeutig ist, kann es zudem helfen, die Medien- und Informationskompetenz sowie den kritischen Umgang mit Quellen zu verbessern.
Laien sollten erkennen können, wann eine Website nur auf Klickfang setzt oder fundierte Medizininformationen vermittelt. Sie sollten zudem in der Lage sein, inhaltlich hochwertige Websites von einfachen Foren zu unterscheiden. Gut ist es, wenn eine Recherche rational – und nicht durch Angst – getrieben ist. Angstrecherchen sind oft eine zusätzliche Belastung, keine Entlastung.
Wer selbst googeln will, sollte ein paar grundlegende Regeln beachten::
- Zwei unabhängige Quellen sind besser als eine und drei sind besser als zwei. Wenn die Aussage bei allen gleich ist, spricht das eher für ihre Richtigkeit.
- Auf seriöse Quellen achten: Im Bereich Gesundheit gibt es viele qualitätsgeprüfte Angebote, zum Beispiel gesundheitsinformation.de oder für englisch sprachige Internetnutzer:innen auch das Portal der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC und die Cochrane Reviews . Auch vom Bundesministerium für Gesundheit gibt es die Plattform gesund.bund.de, die evidenzbasierte und leitlinienkonforme Informationen zum Thema Gesundheit/Diagnosen und Krankheiten auf leichter Patientensprache erklärt.
Einige gewerbliche Webseiten können auf den ersten Blick seriös aussehen, tatsächlich aber eigene Interessen vertreten, zum Beispiel den Verkauf eines bestimmten Mittels. Oft hilft ein Blick ins Impressum, um zu schauen, wer eigentlich hinter einer Website steht. Seiten ohne Impressum sollte man nicht vertrauen. - Auf Evidenz achten: Es sollte auf wissenschaftliche Studien und evidenzbasierte Informationen verwiesen werden, die zum Beispiel die Wirksamkeit der vorgeschlagenen Mittel untermauern.
- Aufs Veröffentlichungsdatum der Artikel achten: Bei medizinischen Informationen sollte man auf Aktualität achten, da in vielen Bereichen kontinuierlich geforscht wird.
Wenn es um mehr als den besten Tee bei Halsschmerzen geht, sollte man vor einer Selbstbehandlung aber trotzdem immer das Gespräch mit der Fach- oder Hausärztin suchen.
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Das Internet hat mir einmal geholfen die richtige Krankeit zu finden. Dem Arzt war es nicht klar, welche Probleme ich hatte. Nachdem ich ihm gesagt hatte, eine Harnuntersuchung zu machen wusste er, dass es Infektion war.