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ADHS bei Erwachsenen – Nachteil oder Superkraft?
Lange galt ADHS als eine psychische Auffälligkeit, die ausschließlich bei Kindern und Jugendlichen auftritt – das ist heute widerlegt. Fast drei Prozent aller Erwachsenen sind von ADHS betroffen sagt die WHO.
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Nicht nur bei Kindern
Früher ging man davon aus, dass es sich bei ADHS um eine Auffälligkeit handelt, die nur bei Kindern auftritt und sich mit dem Erwachsenwerden "auswächst". Heute ist diese Annahme durch diverse repräsentative Studien widerlegt. AD(H)S beginnt zwar immer im Kindesalter, setzt sich bei vielen Erwachsenen aber in veränderter Form ins Erwachsenenalter fort. So zeigte unter anderem eine Untersuchung der University of Washington, dass von über 500 betroffenen Kindern, die 16 Jahre lang medizinisch begleitet wurden, etwa 90 Prozent auch nach der Pubertät zumindest noch vereinzelte ADHS-Symptome zeigten, die sich in unterschiedlicher Intensität – auch verändernd mit den Lebensphasen der Betroffenen – auf ihr Verhalten auswirkten.
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Was ist der Unterschied zwischen ADHS und ADS?
Bei ADS ist das Symptom der Hyperaktivität, des gesteigerten Bewegungsdrangs – also das H in "ADHS" – kaum oder gar nicht vorhanden, wodurch sich die Auffälligkeit vor allen Dingen durch Konzentrationsschwierigkeiten und geminderte Impulskontrolle zeigt. Aber: ADHS bei Erwachsenen findet, vereinfacht ausgedrückt, meistens deutlich mehr im Inneren als im Äußeren statt. Das heißt: Das Symptom der Hyperaktivität steht bei betroffenen Erwachsenen selten im Vordergrund und äußert sich bei vielen vor allem durch das Gefühl innerer Unruhe. Das wird dann beispielsweise durch nervöses Tippeln mit dem Fuß oder Herumfummeln mit den Händen nach außen getragen.
Was passiert bei Betroffenen von ADHS und ADS im Gehirn?
ADHS oder ADS sind keine Verhaltensstörungen, sondern begründen sich durch eine veränderte Biochemie im Gehirn. Bei Menschen mit AD(H)S besteht ein Ungleichgewicht der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin. Diese Neurotransmitter tragen dazu bei, die Aufmerksamkeit und Konzentration sowie die Motivation und Belohnung zu steuern. Konkret wurde in Untersuchungen festgestellt, dass Dopamin bei Menschen mit ADHS schneller abgebaut wurde als bei neurotypischen Personen. Außerdem ist bei Menschen mit ADHS auch der Teil des Gehirns in seiner Funktion gehemmt, der die einströmenden Informationen bewertet, kontrolliert und weiterleitet. Das Gehirn kann deswegen nur schlecht zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen unterscheiden, was Betroffene leicht ablenkbar und unaufmerksam macht. Diese Besonderheit nennt man Reizfilterstörung.
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Wie wird AD(H)S diagnostiziert und behandelt?
Die Diagnosestellung ist vielfältig und auch aufwendig. Bei vielen üblichen ersten Tests, bei denen die Betroffenen ankreuzen müssen, welche Merkmale auf sie zutreffen, werden die Symptome in zwei Gruppen aufgeteilt: Unaufmerksamkeit und Impulsivität-Hyperaktivität. Erwachsene müssen für eine ADHS-Diagnose mindestens fünf Punkte in mindestens einer der beiden Kategorien erfüllen. Die Symptome müssen außerdem schon im Kindesalter aufgetreten sein – für diese Abklärung werden dann häufig Eltern und Geschwister befragt und zum Beispiel Grundschulzeugnisse angesehen, in denen das Verhalten dokumentiert wurde.
Therapiemöglichkeiten
Die Therapie von AD(H)S ist wie immer bei psychischen Erkrankungen oder Auffälligkeiten davon abhängig, wie sich die Symptome genau äußern, wie hoch der Leidensdruck ist und welche Möglichkeiten in die Lebensrealität der betroffenen Personen passen. Oft kann eine Psychotherapie dabei helfen, den eigenen Kopf und das Denken, Handeln und Fühlen, das durch AD(H)S beeinflusst wird, besser zu verstehen. Und es gibt Medikamente, die die Symptome von AD(H)S lindern können. Das am häufigsten verschriebene und auch wohl bekannteste Medikament ist Methylpenidat, besser bekannt unter dem Markennamen "Ritalin". Aber auch Amphetamine werden eingesetzt. Die bei ADHS angewandten Medikamente sollen die kognitive Leistung verbessern und die Ausschüttung der Botenstoffe im Gehirn regulieren.
Warum ist Aufklärung zum Thema wichtig?
Für neurodivergente Menschen ist eine Anpassung in unsere Gesellschaftsstrukturen oft nicht einfach und ihr Verhalten wird – vor allem ohne entsprechende Diagnose – im Zweifel als "falsch" und "unpassend" eingeordnet. Eine Sensibilisierung für Neurodivergenz im Allgemeinen und AD(H)S im Speziellen kann dazu beitragen, Stigmata aufzulösen und im gesellschaftlichen Miteinander besser aufeinander eingehen zu können. Denn: AD(H)S hat auch viele positive Seiten. Für eine Studie der Radboud-Universität in Nimwegen aus dem Jahr 2022 wurden rund 200 ADHS-Betroffene gefragt, welche positiven Seiten ADHS für sie hat. Und: Mehr als drei von vier Betroffenen hielten Kreativität für einen positiven Aspekt ihrer ADHS-Diagnose. Unter den Top 3 der positiven Eigenschaften waren neben der Kreativität auch Dynamik und sozial-emotionale Kompetenzen.
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