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Quarks Daily Spezial
Darum ist Bioplastik keine Alternative
Biokunststoffe klingen nach der Lösung all unserer Plastikprobleme. Dabei sind sie gar nicht so umweltfreundlich, wie man meinen könnte.
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Was ist Bioplastik eigentlich?
Begriffe wie Bioplastik oder Biokunststoffe sind nicht geschützt und bezeichnen sehr verschiedene Arten von Kunststoffverpackungen. Als Bioplastik können auch erdölbasierte Kunststoffe bezeichnet werden, die aber biologisch abbaubar sind. Das heißt nämlich nur, dass sie durch Mikroorganismen und Sauerstoff zu Kohlendioxid, Wasser, Biomasse und Mineralien abgebaut werden können. Oder auch – unter Luftabschluss – zu Kohlendioxid, Methan, Biomasse und Mineralien werden. Hierbei ist also nur der Abbauprozess biologisch, bei der Herstellung sind Erdöl und seine Nebenprodukte im Einsatz.
Einige der Biokunststoffe bestehen dagegen aus nachwachsenden pflanzlichen Rohstoffen und sind mal biologisch abbaubar, mal kompostierbar, mal weder biologisch abbaubar noch kompostierbar. Ein solches Beispiel ist Bio-PET: Obwohl das zur Herstellung benötigte Ethanol aus Zuckerrohr stammt, ist Bio-PET ebenso wenig biologisch abbaubar wie herkömmliches PET.
Wenn Regenwald für Bioplastik weichen muss
Apropos nachwachsend: Häufig wird Bioplastik aus Bestandteilen von Mais, Zuckerrohr oder Holz gewonnen. Je nach Anbauart und Land ist das mit einem erheblichen CO2-Abdruck verbunden. Der Flächenverbrauch, die Nutzung von Monokulturen und der Gebrauch von Pestiziden belasten die Ökobilanz zudem. In Brasilien sind es nicht die Regenwaldflächen, die unmittelbar für den Anbau gerodet werden, aber der Flächenverbrauch in den Savannen führt dazu, dass Viehhalter in die Regenwaldregionen ausweichen.
Und nicht zuletzt: Biokunststoffe aus Mais oder Zucker stehen in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Sie verbrauchen Flächen, die auch für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden könnten. Gerade mit Blick auf die wachsende Weltbevölkerung und den Verlust von Anbauflächen im Zuge der Klimakrise ist das ein großer Nachteil.
Von wegen kompostierbar
Bioplastiktüten für Bioabfälle lassen vermuten, dass diese Tüten auch mit den Bioabfällen gemeinsam verrotten. Eine Umfrage der Deutschen Umwelthilfe zeigt, dass die Hälfte der Befragten abbaubare Bioplastik-Verpackungen auch in der Biotonne entsorgen würden. Tatsächlich aber sind die meisten dieser Kompostieranlagen für Bioabfälle gar nicht für diese Tüten geeignet. Im Gegenteil: Die Tüten müssen vorher aussortiert werden, weil die Rottezeiten in den Anlagen länger sind als die von den Herstellern angegebenen Zersetzungszeiten der Tüten.
Auch auf dem Hauskompost haben Tüten dieser Art oder auch kompostierbare Kaffeekapseln keine Chance, weil die Bedingungen wie Temperaturen oder Mikroorganismen hier nicht stimmen oder die Biokunststoffe viel zu lange brauchen, um zu zerfallen. Eine Studie der Uni Frankfurt zeigt, dass auch Bioplastik Schadstoffe enthalten kann: Drei Viertel der untersuchten Proben enthielten solche Stoffe, die toxisch auf Zellen wirken oder hormonähnliche Effekte hervorrufen. Ebenso viele Proben wie bei herkömmlichen Kunststoffen.
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Recyceln ist besser als Kompostieren
Am Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg befasst sich Carola Bick mit der gesamten Ökobilanz von Biokunststoffen und weist mit diesem ganzheitlichen Blick darauf hin, dass Kompostierbarkeit ohnehin nur die zweite Wahl sein kann: "Recyceln ist besser als kompostieren, weil das Material nicht verloren geht und es dann wieder genutzt werden kann." Kompostieren führe schließlich zur Auflösung, das Material gehe verloren und berge darüber hinaus keinen Mehrwert für den Kompost.
Viel Energie für wenig Nutzen
Für die Beurteilung der Ökobilanz ist wesentlich, wie energieaufwendig die Produktion ist und wie lange die Verpackung im Kreislauf bleibt. Die Pfandflasche ist insofern ein positives Beispiel – sie wird schließlich immer wieder als Flasche genutzt. Wenn bei Bioplastik-Verpackungen erst sehr viel Energie in den Anbau der Rohstoffe, die Produktion und den Transport investiert wird, wobei viele Emissionen entstehen – und die Verpackung oder der Becher dann nur ein einziges Mal als solche genutzt werden, ist das für die Bilanz natürlich negativ.
Oft sind sogar herkömmliche Kunststoffbecher leichter zu recyceln, wenn sie sortenrein sind. Bei Mischungen aus Bambus, Maisstärke und anderen Stoffen geht das nicht. Kommen dann noch chemische Zusätze hinzu, kann die gesamte Wertstoffsammlung verunreinigt werden und die Wiederverwertung anderer gesammelter Kunststoffe sogar noch erschwert werden.
Bioplastik aus Gemüseabfällen?
Dass die Idee Bioplastik nicht prinzipiell schlecht ist, gibt Carola Bick dennoch zu bedenken. Ein Stoff, der aus den Wurzeln von Chicorée-Salat stammt, könnte zu so einer sinnvollen Form von Bioplastik führen. Ein großer Vorteil ist schon mal, dass es sich dabei um ein Abfallprodukt handelt. Der Grundstoff bindet also keine zusätzlichen Ackerflächen, Wasser, Energie oder Dünger-Ressourcen. Etwa 800.000 Tonnen dieses Abfallproduktes fallen jährlich in Europa an. Und aus diesen Abfällen lässt sich der Stoff Inulin gewinnen, der wiederum zu einem Biokunststoff namens PEF weiterverarbeitet werden kann.
Carola Bick weist auf einige Vorteile dieses Stoffes hin, die sich auch auf die Haltbarkeit der darin verpackten Inhalte auswirken: O-Saft würde sich beispielsweise besonders gut darin halten, man müsse dem PEF hierbei nichts hinzumischen. Das sei bei PET anders und die Mischung erschwere wiederum den Recyclingprozess. "Wenn PEF marktfähig wäre, wäre das ein guter Ansatz, weil man es eben recyceln kann", so die Expertin.
Industrie zur Kreislaufwirtschaft zwingen
Aber auch bei Verpackungstypen, die einen Verbundstoff benötigen, die also nicht sortenrein sein können, sei Bioplastik unter Umständen sinnvoll: Chipstüten etwa benötigen eine ganz bestimmte Multilayer-Folie, damit die fettigen Chips knusprig bleiben. Könne man hier zumindest einen Teil der Schichten durch Biokunststoffe ersetzen, werde zumindest kein fossiles CO2 frei. Übergangsweise könnte das ein kleiner Vorteil sein.
Ein politischer Lösungsansatz für das Plastikproblem könnte sein, die Industrien zu einem höheren Anteil von Verpackungen zu zwingen, die tatsächlich zu einer Kreislaufwirtschaft beitragen. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass Verpackungen, die nur einmalig genutzt und danach verbrannt werden, massiv verteuert werden müssten. Bis es so weit ist, können Verbraucher:innen nur versuchen, solche Verpackungen zu vermeiden.
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