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Quarks Daily Spezial
Zu Hause oder in der Kita – was ist besser fürs Kind?
Wenn über Kinderbetreuung diskutiert wird, gehen die Meinungen weit auseinander. Wie beeinflussen Kitas die Entwicklung von Kindern?
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Was Kitas leisten sollen
Kitas, Tagesmütter und Co. erfüllen verschiedene Funktionen: Die Kinder werden betreut, erzogen und gebildet. Dabei darf man den Begriff der "frühkindlichen Bildung" nicht als Leistungsdruck auf die Kleinsten missverstehen. Vielmehr haben Kinder ein angeborenes Interesse zu lernen. Dieses Interesse aufzugreifen und zu fördern, ist der Auftrag der öffentlichen Betreuungsangebote – sei es durch gemeinsames Singen, Kochen oder Vorlesen. Denn was Kinder in den ersten Jahren verpassen, holen sie später nur schwer auf.
Soziale Ungleichheit reduzieren
Darüber hinaus entlasten externe Betreuungsangebote aber auch die Familien. Sie bilden die Grundlage für die Berufstätigkeit beider Eltern. Das ist nicht nur für die Familienplanung und die Gleichberechtigung von Männern und Frauen wichtig, sondern auch für die Kinder. Denn wenn beide Elternteile arbeiten, sinkt das Armutsrisiko, und Armut hat, wie zahlreiche Studien belegen, einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung von Kindern.
Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung von 2018 etwa hat gezeigt, dass arme Kinder zum Zeitpunkt der Einschulung weniger konzentriert sind, dass sie schlechter Deutsch sprechen, aber auch schlechter zählen können. Auch die Hand-Auge-Koordination fällt ihnen schwerer, was das Schreibenlernen negativ beeinflusst. Die Begleitstudie zum Projekt "Kein Kind zurücklassen" zeigt auch, dass Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, und arme oder armutsgefährdete Kinder sich besser entwickeln, wenn sie schon früh eine Kita oder eine andere Form der außerhäuslichen Betreuung besuchen.
Die U3-Betreuung erreicht nicht alle Kinder
Doch das Problem ist: Genau diese Kinder kommen später in die Kita. Das liegt unter anderem daran, dass die Anträge kompliziert sind und es an Unterstützung fehlt. Schon die NUBBEK-Studie zum frühkindlichen Betreuungssystem von 2013 hat gezeigt, dass Kinder aus Familien mit türkischem oder russischem Migrationshintergrund deutlich später eine Kita oder eines Tagespflegeeinrichtung besuchen als andere Kinder. Das könnte mit kulturellen Unterschieden zusammenhängen, liegt aber auch daran, dass es vielerorts nach wie vor zu wenig Plätze gibt.
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Qualität der Einrichtungen allenfalls mittelmäßig
Die Studie zeigte auch, dass Kinder vor allem dann von den Angeboten der frühkindlichen Bildung profitieren, wenn die Qualität der Einrichtungen gut ist. Die große Mehrheit der Kitas und Tagespflegeangebote wurde jedoch nur als mittelmäßig eingestuft. Nicht einmal zehn Prozent der altersgemischten Kitas schnitten gut ab.
Einfluss auf kognitive und soziale Entwicklung der Kinder
Wenn wenige Erzieher:innen eine große Gruppe von Kleinkindern betreuen müssen, kann sich das nachteilig auf die Verhaltensentwicklung der Kinder auswirken. Mit dieser Erkenntnis hat die große amerikanische Kohortenstudie NICHD für Furore gesorgt. Kritiker der U3-Betreuung ziehen die Ergebnisse bis heute heran, um für einen möglichst späten Kita-Start zu plädieren. Allerdings wiesen die Autor:innen der NICHD-Studie selbst darauf hin, dass die negativen Effekte nur bei einer kleinen Gruppe von Kindern beobachtet wurden und dass sie nicht im klinisch relevanten Bereich lagen. Die deutsche NUBBEK-Studie konnte keinen negativen Einfluss auf das sozial-emotionale Verhalten der Kinder beobachten. Beide Studien jedoch belegen positive Effekte auf die kognitiv-sprachliche Entwicklung der Kinder, die eine Kita besuchen.
Kinder brauchen Kinder
Die positiven Effekte lassen sich nicht bei allen Altersgruppen gleichermaßen belegen. Insgesamt bleibt gerade bei kleinen Kindern der Einfluss der Familie auf die Entwicklung am wichtigsten. Für sie bedeutet der Eintritt in die Kita auch den meisten Stress. Zwar brauchen Kinder andere Kinder, um spielend voneinander zu lernen, aber sie können ihre Gefühle noch nicht selbst regulieren und brauchen Hilfe von Erwachsenen, um Konflikte zu lösen. Deswegen ist es wichtig, dass Kleinkinder besonders liebevoll und aufmerksam beobachtet und begleitet werden. Am besten in enger Absprache zwischen Eltern und Erzieher:innen.
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Ein Junge in unserem Haus kommt dieses Jahr in die Schule im September. Er war bisher nicht im Kindergarten. Die Mutter hat keine Ausbildung und ist nicht berufstätig. Der Junge hätte ein Recht auf bevorzugte Platzvergabe bei der Stadt gehabt. Die Eltern haben sich nicht darum gekümmert. Ein paar Stunden… Weiterlesen »
Ich möchte einen Kommentar aus der Praxis abgeben. Ich bin 60 Jahre alt und verfüge über Berufserfahrung u. A. auch in der Arbeit mit U 3. Grundsätzlich sehe ich, dass mehr als ein Drittel aller Kinder entweder auffälliges Verhalten zeigen, als auch Probleme in der ges. Motorik, der Sprache…. zeigen.… Weiterlesen »
Danke für diesen differenzierten Kommentar! Wir denken, viele werden dir da zustimmen… ? Alles Gute und ein großes Dankeschön für deine wertvolle Arbeit!
Mir fehlen in diesem Podcast wichtige Information, die ich in anderen Quellen gefunden habe, z. B. von Neuropsychologen und Hirnforschern: Ein einjähriges Kind ist neuropsychisch unreif, hat kein Zeitgefühl und kein Vorstellungsvermögen und kann sich sprachlich noch nicht mitteilen. Gemeinsames Spiel gibt es noch gar nicht. Stress (durch Trennungs- bzw.… Weiterlesen »
Es stimmt, dass der Cortisol-Spiegel bei Kita-Kindern erhöht ist, aber die Forschungsleiterin weist ausdrücklich darauf hin, dass das nicht in einem klinisch relevanten Bereich ist.
Also wird es nie zu Messungen in der Höhe kommen, die bei rumänischen Waisenkindern gemessen wurden, die Gehirn und Gene verändern können. Das wäre sehr schön. Nur leider gibt es keine Garantie, weil jedes Kind und jede Stituation individuell ist, und die Eltern kennen oft die Gefahren für ihre Kleinsten… Weiterlesen »
Sagt nicht diese Studie etwas Anderes?? Metastudie zum Thema Cortisol?? Noch Jahre später messbare Unterschiede!!!
Vermeer: https://scholar.google.de/scholar_url?url=https://opvoeding-wetenschap.nl/wp-content/uploads/2017/03/Vermeer-Van-IJzendoorn-2006.-Early-Childhood-Research-Quarterlu.-Cortisol-daycar-meta-analysis.pdf&hl=de&sa=X&ei=VBvuZe2TIf-uy9YP79mGwAQ&scisig=AFWwaeZgVoqzZ8YENYYDiCAQvGNP&oi=scholarr
Den in diesem Podcast erläuterten Erkenntnissen kann ich , mit den genannten Einschränkungen zustimmen. Dennoch möchte ich ergänzend folgendes hinzufügen: 1. Ein Kindergartenbesuch zumindest 2 Jahre vor Schuleintritt erachte ich in jedem Fall für förderlich und notwendig.Zumal die Familiengrößen sich ja heute sehr reduziert haben ( durchschnittlich ca. 1,5 Kinder… Weiterlesen »
Gegenvorschlag: Das französische Modell. Dort endet der Mutterschutz nach 10 Wochen und der Anspruch auf Eleterngeld beträgt weniger als 400 Euro für drei Monate. Die erforderliche Tagesmutter (700 €/Monat) muss selbst gezahlt werden, aber der Staat erhöht die Zuschüsse bei niedrigen Gehältern.
Erweiterung zum Gegenvorschlag: 24/7-Wochenkrippen. Da war die DDR fortschrittlicher. Babies und Kleinkinder sind anpassungsfähig, denn das ist ihre Überlebensstrategie. Aber nichts ist schädlicher für ein Kind als eine unzufriedene Mutter, die keine Bestätigung im Beruf hat und intellektuell allein mit Kinderbetreuung unterfordert ist.