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Quarks Daily Spezial
Frauen und Männer –
wie unterschiedlich sind sie wirklich?
wie unterschiedlich sind sie wirklich?
Geschlechterklischees gibt es viele. Aber lassen sich vermeintliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern auch biologisch erklären – oder ist alles nur sozial konstruiert?
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Warum wir Gender-Klischees brauchen
Mädchen oder Junge? Schon im Kindesalter fängt es oft an, dass das Geschlecht eine Rolle spielt – und wir je nach Geschlecht Menschen, meist unterbewusst, in verschiedene Schubladen und Kategorien stecken. Etwa: "Frauen sind emotional, Männer Machos."
Kategorien helfen uns zunächst ganz generell, viele Tausende Informationen, die im Minutentakt auf das Gehirn einprasseln, zu verarbeiten. Wir brauchen das also, dieses – wie man in der Psychologie sagt – dichotome Denken, also das Einteilen in klare Schubladen. Und das Geschlecht ist laut Psycholog:innen eine besonders starke Kategorie.
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Infobox: Wie wir Geschlecht definieren
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Ob ein Kind weiblich oder männlich ist, beeinflusst dann nicht nur die körperliche Entwicklung – sondern auch, wie andere es behandeln: Mädchen werden eher beschützt und sollen mit Puppen spielen. Jungen bekommen eher Bauklötze und dürfen nicht weinen.
Weil wir, oft unterbewusst, zwischen Geschlechtern unterscheiden, bleiben bis heute Klischees wie "Männer hören nie zu" und "Frauen können nicht Auto fahren" erhalten.
So groß sind die Geschlechterunterschiede wirklich
Frauen sind emotional, Männer Machos – ein gängiges Klischee, in dem sich viele wohl nicht wiederfinden. Wenn man aber große Gruppen in ihren Eigenschaften und Merkmalen vergleicht, findet die Forschung tatsächlich viele Unterschiede: Im Schnitt
• weinen Frauen öfter, sie sind sozialer, einfühlsamer, besser in Sprachen, sie interessieren sich eher für Personen …
• prügeln sich Männer öfter, sind dominanter, risikofreudiger, besser in räumlichem Denken, sie interessieren sich eher für Dinge …
Vergleicht man nur die Durchschnittswerte, die Studien für die Gruppe "Frauen" und "Männer" ermitteln, scheint es so, als seien alle Klischees irgendwie doch bestätigt. Wissenschaftlich sauberer ist es aber, nicht nur zu fragen: "Gibt es einen Unterschied?", sondern: "Wie groß ist der Unterschied?" Auskunft darüber gibt die Effektstärke, eine statistische Kenngröße.
Hier sieht man wiederum in vielen Studien, die Verhalten, Persönlichkeit oder Fähigkeiten von Frauen und Männern vergleichen: Die Überlappung ist im jeweiligen Merkmal meist groß oder sehr groß. Oder andersherum: Der Unterschied ist oft gering.
Ein Beispiel: aggressives Verhalten. Laut Studien kommt es im Schnitt bei Männern häufiger vor als bei Frauen. Die Ergebnisse zeigen aber auch: Die Überlappung liegt bei 82 Prozent. Das bedeutet: In 82 Prozent der Fälle ist aggressives Verhalten bei Frauen und Männern gleich schwach oder stark ausgeprägt.
Ausnahmen finden sich meist nur in den Extremen: In einem Raum von 100 Personen ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Mann die aggressivste von allen. Dennoch: Bei vielen Merkmalen sind die Unterschiede innerhalb der Gruppe "Frauen" und "Männer" viel größer als die Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wie verschiedene Metaanalysen zeigen.
Geschlechterunterschiede: die Rolle der Biologie
Biologisch betrachtet gibt es natürlich einige wesentliche Unterschiede:
• genetisch: Frauen haben meist zwei X-Chromosomen, Männer meist ein X- und ein Y-Chromosom
• hormonell: Frauen haben meist mehr vom Sexualhormon Östrogen, Männer meist mehr Testosteron
Diese Unterschiede steuern viele Prozesse im Körper, etwa welche Geschlechtsmerkmale sich entwickeln. Eine Ausnahme ist, wenn genetisches, hormonelles und sichtbares Geschlecht nicht übereinstimmen. Dann spricht man von Intergeschlechtlichkeit.
Aber: Spiegeln sich diese biologischen Unterschiede auch im Verhalten wider? Im Fokus der Forschung stehen hier vor allem das Gehirn und die Hormone.
Im Gehirn etwa, wo alle Gedanken und Gefühle entstehen, findet die Forschung zwar einige anatomische Unterschiede – so sind Männerhirne anders vernetzt als Frauenhirne, im Schnitt sind sie außerdem etwas größer.
Doch auch hier gilt: Zwischen Frauen und Männern gibt es mehr anatomische Überlappungen als Unterschiede. Die meisten Menschen haben Mischformen – ein Mosaikgehirn, wie Fachleute sagen. Es gibt also nicht das Frauen- und das Männergehirn. Zwar gibt es verschiedene Vermutungen, wie sich die Unterschiede der Hirnstruktur auf das Verhalten auswirken können – eine eindeutige Erklärung konnten Forschende hier aber bislang nicht liefern.
Sexualhormone, speziell Testosteron, könnten dagegen eine Erklärung für manche Unterschiede zwischen den Geschlechtern liefern.
Beim räumlichen Denken etwa finden Studien immer wieder einen Geschlechtsunterschied, der immerhin größer ist als bei vielen anderen Merkmalen. Eine Erklärung: In den Hirnbereichen, die für räumliches Denken zuständig sind, haben Forschende viele Testosteronrezeptoren gefunden. Da Männer höhere Testosteronspiegel als Frauen haben, könnte das die Fähigkeit zum räumlichen Denken positiv beeinflussen.
Bei Frauen schwanken die Ergebnisse in Tests zum räumlichen Denken interessanterweise mit ihrem Zyklus. Wenn sie ihre Periode haben, sinkt der Östrogenspiegel, ihr Gehirn arbeitet dann verhältnismäßig mehr unter dem Einfluss von Testosteron – und das Verhalten scheint dem von Männern ähnlicher.
Räumliches Denken wird auch oft mit besseren Leistungen in den Naturwissenschaften in Verbindung gebracht und es wird sogar vermutet, dass das der Grund sei, warum weniger Frauen in naturwissenschaftlichen Jobs arbeiten.
Es wäre aber ein Fehlschluss, all das nur auf ein höheres Testosteronlevel zurückzuführen. Vielleicht fängt es schon damit an, dass Eltern das männliche Kind eher mit Bauklötzen spielen lassen und dem weiblichen eher Puppen kaufen? Auch Videospiele scheinen räumliches Denken zu fördern – und die werden tendenziell eher von Jungs gespielt.
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Geschlechterunterschiede: die Rolle der Gesellschaft
Viele Unterschiede im Verhalten lassen sich also nicht rein biologisch erklären. Sie sind auch sozial konstruiert. Eltern, die uns erziehen, Freund:innen, die uns beeinflussen, Schulen, in denen wir lernen, Unternehmen, in denen wir arbeiten – all das formt uns täglich. Diesen Einfluss konnten Forschende auch in vielen Experimenten zeigen.
Babys im rosa Strampler werden in Studien etwa als sanfter und kleiner beschrieben als Babys in blauer Kleidung. Und ein und demselben Kind werden – je nachdem, ob es als Junge oder Mädchen vorgestellt wird – eher "weibliche" oder "männliche" Spielzeuge angeboten.
Es gibt auch Experimente mit Neugeborenen zur Spielzeugwahl. Eineinhalb Tage alte Jungen schauten hier länger (49 Prozent der Zeit) auf Mobiles als Mädchen (41 Prozent der Zeit), eineinhalb Tage alte Mädchen schauten länger auf Gesichter (49 Prozent der Zeit) als Jungen (41 Prozent der Zeit). Daraus wurde geschlussfolgert, die Präferenz für Dinge bei Jungen und für Personen bei Mädchen müsse angeboren sein. Andere Fachleute kritisierten aber an der Studie, dass der Unterschied gering sei und eineinhalb Tage alte Kinder noch keine optischen Unterschiede wahrnehmen. In dem Alter sieht für sie alles aus wie ein verschwommener Fleck.
Unser Verhalten gegenüber Mädchen und Jungen ist oft gar nicht so geschlechtsneutral, wie wir meinen. Und es beeinflusst mitunter ganz konkret, wie sich Männer und Frauen verhalten. Denn mit jedem Tag, den Mädchen und Jungen auf der Welt sind und unterschiedliche Erfahrungen machen und unterschiedliche Dinge lernen, werden ihre Gehirne dadurch unterschiedlich geformt – es bilden sich andere neuronale Verknüpfungen.
Wie wir die Unterschiede verstärken
Fazit: Es gibt biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Gene und Sexualhormone legen in vielen Fällen fest, ob ein Mensch männlich oder weiblich ist. Was zu vielen weiteren biologischen Unterschieden führt. Frauen und Männer verhalten sich zum Teil auch anders. Oft gibt es innerhalb der Gruppe "Frauen" und "Männer" allerdings mehr Unterschiede als zwischen den Geschlechtern.
Von Natur aus rein männliches oder weibliches Verhalten scheint es – wissenschaftlich gesehen – nicht zu geben. Wie wir uns verhalten, wird durch Gene, Sexualhormone, tägliche Erfahrungen, Rollenbilder und viele weitere Einflüsse bestimmt. Alles bedingt sich gegenseitig – und ist fast unmöglich zu trennen.
Oft verstärken wir selbst die Unterschiede. Wie beim Klischee "Mädchen sind schlecht in Mathe." Wiederholt man es immer wieder, schneiden sie tatsächlich schlechter ab – sie entsprechen unterbewusst dem Klischee. Studien zeigen aber auch: Bestärkt man Mädchen und löst dieses Klischee auf, schneiden sie ähnlich gut ab wie Jungen.
Selbst die Ergebnisse vieler Studien könnten anders ausfallen, wenn man den Klischees entgegenwirkt. Wird Frauen etwa erzählt, es gehe im Test um Intelligenz oder Mitgefühl, schneiden sie besser ab, als wenn man ihnen sagt, es gehe um räumliches Sehen – was sie laut Klischee weniger gut können. Der Trick funktioniert aber umgekehrt auch bei Männern.
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kann man diesen podcast als wissenschaftliche quelle in hausarbeiten verwenden
Deine Anfrage ehrt uns natürlich, aber am Ende sind wir Wissenschaftsjournalisten und keine Wissenschaftler. Allerdings haben wir die wissenschaftlichen Quellen für unseren Beitrag hier aufgelistet. Diese kannst du auf jeden Fall für Hausarbeiten nutzen. 🙂
Was ist mit Schwangerschaft, Menstruationszyklus? Beeinflussen die das Verhalten? Gering oder doch immens? Z.B gibt es sogar abweichende Fettablagerungen bei der Frau. So lernte ich das in der Schule. Weil die Frau das Kind im Bauch trägt, hat sie es mehr in der Hüfte, während der Mann am Bauch. Dadurch… Weiterlesen »
Schwanger zu werden ist nicht Gottgegeben.Ich z.b. bin Sterilisiert.Kein Kinderwunsch.Glücklich mit meinem Leben und mit meinem Partner.
Es hätte hier „Aber lassen sich vermeintliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern “ doch besser „mutmaßliche Unterschiede“ heißen sollen.
Vermeintlich schließt von Vornherein Unterschiede aus.
Mutmaßlich zeigt an, dass davon gemutmaßt wird. Was ja auch der Fall ist, Klischees sind halt da.