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Quarks Daily Spezial
Riskante Muster – wann wird aus Gewohnheit Sucht?
Der Übergang kann fließend sein: das Glas Wein am Abend als angenehme Gewohnheit, doch nach und nach entgleitet die Kontrolle.
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Wie viele Menschen in Deutschland sind abhängig?
Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass ungefähr 12 Millionen Menschen in Deutschland rauchen, 1,6 Millionen Menschen alkoholabhängig sind und Schätzungen zufolge 2,3 Millionen Menschen von Medikamenten abhängig sind.
Den Konsum von illegalen Substanzen – von Cannabis bis Heroin und anderen Drogen - kann man nur schätzen beziehungsweise die Drogentoten zählen: 2022 waren das knapp 2000 Menschen.
Dazu kommen die Verhaltenssüchte (oder auch "nicht stoffgebundene Abhängigkeit"), bei denen das eigene Verhalten aus dem Ruder läuft. Beispiele hierfür sind Kaufsucht, Magersucht oder auch Sexsucht. Die Glücksspielsucht ist derzeit mit ungefähr einer halben Millionen Betroffener die häufigste Verhaltenssucht in Deutschland, schreibt das Bundesgesundheitsministerium.
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Wie entsteht eine Gewohnheit?
Eine Gewohnheit entsteht nach immer demselben Muster: Reiz – Verhalten – Belohnung.
Wenn wir abends auf der Couch Gummibärchen oder Chips (Reiz) essen (Verhalten), schüttet unser Gehirn Glückshormone, wie zum Beispiel Dopamin aus – und wir fühlen uns gut (Belohnung). Wenn wir uns dann nach einem harten Arbeitstag entspannen wollen, erinnern wir uns an dieses gute Gefühl – setzen uns aufs Sofa und greifen wieder zur Tüte. Und wie erwartet, stellt sich die Belohnung ein.
Im Gehirn wird dieser erfolgreiche Ablauf abgespeichert und verlagert sich durch die vielen Wiederholungen ins Unterbewusstsein. Wir entscheiden dann nicht mehr bewusst, sondern das Gewohnheitsprogramm startet, sobald wir auf der Couch sitzen: Wir greifen wie automatisch zur Gummibärchen- oder Chipstüte.
Auch wenn immer noch diskutiert wird, ob bestimmte Stoffe in Knabberzeug, Süßwaren und anderen Lebensmitteln süchtig machen können, erfüllen sie bisher nicht die Kriterien, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Diagnose einer Abhängigkeitserkrankung definiert hat.
Was ist eine Sucht?
Eine Abhängigkeitserkrankung ist von der WHO in ihrem Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen, dem ICD-10, genau definiert: Die Diagnose "Abhängigkeit" soll nur gestellt werden, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien gleichzeitig im vergangenen Jahr vorhanden waren:
- Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, die Droge zu konsumieren.
Man nennt das auch "Suchtdruck" oder "Craving": Man hat ein starkes Verlangen nach der Droge, nach dem Verhalten, die Gedanken kreisen nur noch darum. - Kontrollverlust: Wenn man nicht mehr steuern kann, wann und wie viel man konsumiert, bzw. bei einer Verhaltenssucht, wie viel man spielt, isst und so weiter. Man kann nicht mehr damit aufhören, obwohl man es eigentlich besser weiß.
- Körperliche Entzugserscheinungen, die dann auftreten, wenn man weniger konsumiert oder ganz aufhören will.
- Toleranzentwicklung: Wenn man immer höhere Dosen seiner Droge braucht, um den gleichen Effekt zu erzielen, beziehungsweise bei einer Verhaltenssucht immer öfter spielen, einkaufen, erbrechen muss, damit man sich gut fühlt.
- Sozialer Rückzug: Wenn man anfängt, seine Interessen, seine sozialen Kontakte zu vernachlässigen und einfach immer weiter konsumiert, obwohl die Folgen nachweislich schädlich sind.
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Wie entsteht eine Sucht?
Eine Abhängigkeit entsteht durch einen Zyklus mit vier Phasen:
- Drogennutzung: Man hat den ersten Kontakt zu seiner "Droge", ob das nun Substanzen sind oder Verhaltensweisen.
- Abstinenz: Man macht eine Pause.
- Verlangen: „einmal noch … kann ja nicht schaden“.
- Rückfall: Man konsumiert wieder.
Jeder Zyklus verfestigt die Sucht, denn die Prozesse im Gehirn verändern sich: Das Belohnungssystem "gewöhnt" sich an den Nachschub und braucht dann immer mehr, um überhaupt zu reagieren. Und so nimmt man die Droge irgendwann nicht mehr, weil es Spaß macht, sondern weil es nicht mehr anders geht. Das Verhalten oder der Konsum wird zwanghaft.
Von "Fühlt sich gut an" zu "Ich brauch das!"
Jede Droge hat dabei ihr eigenes Suchtpotenzial, macht also unterschiedlich schnell abhängig. Aber auch bei der Sucht spielt das Belohnungssystem in unserem Gehirn eine zentrale Rolle, der sogenannte Nucleus accumbens. Dort wird der Neurotransmitter Dopamin ausgeschüttet. Je höher der Dopaminausstoß im Nucleus accumbens ist, desto höher ist das Bedürfnis, das Verhalten zu wiederholen. Und je öfter man konsumiert, desto mehr übernimmt das Belohnungssystem die Macht. Es zwingt Betroffene dazu, weiter zu konsumieren.
Eine Abhängigkeit hat also nichts mit Willenskraft zu tun, sondern sie ist eine Krankheit, bei der das Belohnungszentrum die Kontrolle über das Handeln übernommen hat. Man braucht immer mehr Stoff, verliert die Kontrolle über sein Verhalten und kommt mit der reinen Vernunft nicht mehr dagegen an.
Wo finde ich Hilfe?
Den Weg aus einer Verhaltens- oder einer Drogensucht schafft man auf keinen Fall alleine. Es gibt viele Hilfsangebote, die man in Anspruch nehmen kann: von ganz niederschwelligen Angeboten, wie einer Telefonhotline oder einem Chat, der auch anonym sein kann, über die Drogenhilfen vor Ort, wo man hingehen kann – zumindest in größeren Städten. Aber auch den Hausarzt, die Hausärztin kann man um Hilfe bitten, wenn man sich der Lage nicht mehr gewachsen fühlt.
Hilfsangebote:
Telefonberatung
Bei akuten psychischen Krisen kannst du dich rund um die Uhr an folgende Telefonberatungen wenden:
- Bundesweite Sucht- und Drogen-Hotline: 01806 - 31 30 31
(24 Stunden täglich, 0,20 €/Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 0,60 €/Anruf) - Telefonseelsorge (kostenfrei): 0800 - 111 0 111 oder 0800 - 111 0 222
BZgA-Telefonberatung zur Glücksspielsucht, Telefon: 0800 1 37 27 00 (kostenfreie Servicenummer)
- Beratungszeiten: Montag bis Donnerstag: von 10 bis 22 Uhr und Freitag bis Sonntag: 10 bis 18 Uhr
Informationen und Beratung für Eltern bei Suchtgefährdung von Kindern und Jugendlichen: www.elternberatung-sucht.de
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