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Wenig Eis und Rekordtemperaturen
Warum Sibirien brennt
Teile von Sibirien brennen. Es werden Rekordtemperaturen gemessen. Und: Das Meereis in der Region hat in diesem Sommer einen besonders niedrigen Wert erreicht. Was bedeutet das alles?
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Artikel Abschnitt: Was passiert diesen Sommer in Sibirien?
Was passiert diesen Sommer in Sibirien?
Die Durchschnittstemperaturen sind deutlich höher als normalerweise
Im arktischen Teil Sibiriens messen Meteorologen und Meteorologinnen derzeit Rekordtemperaturen:
- Bis zu 10 Grad Celsius liegen die Temperaturen in Teilen Sibiriens über dem Junidurchschnitt.
- Mehr als 6 Grad Celsius wärmer als im langjährigen Mittel war es an der ostsibirischen Küste im Mai und im Juni dieses Jahres, melden Forschende vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI).
- Temperaturen bis zu 38 Grad Celsius wurden in Sibirien stellenweise laut russischen Angaben gemessen.
- Im äußersten Osten Russlands wüten derzeit Waldbrände.
Es gibt deutlich weniger Meereis
Noch eine Entwicklung alarmiert die Klima- und Umweltwissenschaftler: Das arktische Meereis geht deutlich stärker zurück. Eine so geringe Meereisausdehnung, wie sie im Juli 2020 gemessen wurde, haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen noch nie beobachtet:
- An der russischen Arktisküste zwischen den Längengraden 30° und 180° etwa misst die Ausdehnung des Meereises noch 1,7 Millionen Quadratkilometer.
- Das sind 1 Million Quadratkilometer weniger Eis, als es dort im Mittel in den letzten sieben Jahren gab – und somit ein historisch niedriger Wert.
- Die Meeresregionen, die nicht mehr von Eis bedeckt sind, haben an der russischen Arktisküste also um 40 Prozent zugenommen.
- Arktisweit liege die Ausdehnung des Meereises derzeit 16 Prozent unter dem Mittelwert der Jahre 2012 bis 2019.
Eine weitere Rolle spielen trockene Böden
Außerdem haben Wissenschaftler festgestellt, dass die Bodenfeuchte in der sibirischen Arktis einen historischen Tiefstand erreicht hat. So konnten vor allem im arktischen Teil Sibiriens Hitze und Trockenheit die Ausbreitung von zahlreichen Bränden begünstigen – ebenso wie dauerhaft starke Winde. Seit Jahresbeginn brannte in Sibirien nach Darstellung von Greenpeace eine Waldfläche von acht Millionen Hektar ab – eine Fläche mehr als doppelt so groß wie Bayern.
Artikel Abschnitt: Wie hängen Meereis, Temperaturen und die Brände in Sibirien zusammen?
Wie hängen Meereis, Temperaturen und die Brände in Sibirien zusammen?
1. Die Temperaturen waren schon im Frühjahr hoch
Die hohen Temperaturen in Sibirien haben laut World Meteorological Organization (WMO) schon im Frühjahr dazu geführt, dass das Meereis weniger wird – vor allem an der arktischen sibirischen Küste. Besonders betroffen seien die Laptewsee und die Barentssee. Andere Teile der Arktis zeigen diese Auffälligkeiten aber nicht, dort entspreche die Eisdicke und Ausbreitung dem Durchschnitt für die Jahreszeit, so die WMO.
2. Schnee und Eis tauen seit mehreren Monaten besonders stark
An der ostsibirischen Küste haben Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts im Mai Temperaturen gemessen, die um sechs Grad über dem langjährigen Mittel lagen. Eine Konsequenz: Der Schnee schmolz bereits im Frühjahr, außerdem begannen die Permafrostböden zu tauen. Seit Anfang Juli sorgt laut AWI ein "stabiles Luftdrucksystem über der Arktis“ dafür, dass die Warmluftzelle über Ostsibirien verstärkt wird, was das Schmelzen des Eises weiter verstärkt.
3. Je mehr Eis und Schnee früh im Jahr schmelzen, desto eher heizen sich Wasser und Boden auf
Verstärkend für die Eisschmelze wirkt die sogenannte Albedo, also die Reflexion der Sonneneinstrahlung: Eine eisbedeckte, weiße Oberfläche reflektiert viel Energie, hat also eine hohe Albedo. Eine dunkle, offene Wasseroberfläche reflektiert weniger Energie (niedrige Albedo).
Die Böden waren in diesem Jahr zudem besonders trocken. Auch das hat, so vermuten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, zur Ausbreitung der Brände beigetragen.
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Wie außergewöhnlich ist die Situation in Sibirien?
Auch Brände sind nicht prinzipiell ungewöhnlich. "In der Taiga gibt es sie immer wieder, sie sind sogar wichtig für die Bäume“, sagt Johannes Kaiser. Feuer ist hier Teil des natürlichen Ökosystems. Die Brände im Sommer 2020 übersteigen aber das normale Maß. Auch sein Kollege Mark Parrington vom Copernicus Atmosphären Programm (CAMS) betont: "Schon der Sommer 2019 war ungewöhnlich, was die Feuer und deren Ausbreitung in höhere Breiten angeht. 2020 scheint sich nun ähnlich zu entwickeln.” Es könne sein, dass sich intensive Feuer weiterentwickeln – vor allem, weil die Feuersaison normalerweise erst im Juli und August ihren Höhepunkt erreicht.
Torfböden erholen sich nur sehr langsam
Eine weitere Besonderheit: Die Brände weiten sich immer weiter Richtung Norden aus. Es brennt also nicht nur die Taiga, wo "nach einem Waldbrand die nachwachsenden Pflanzen den freigesetzten Kohlenstoff innerhalb einiger Jahrzehnte wieder aufnehmen“, meint Kaiser, nun gibt es auch Brände in der Tundra. Dort weit verbreitete torfhaltige Böden akkumulieren Kohlenstoff nur sehr langsam, sodass bei einem Torfbrand freigesetzter Kohlenstoff nur über Jahrhunderte bis Jahrtausende wieder aufgenommen werden kann. Dadurch erhöhen solche Torfbrände die CO2-Konzentration in der Atmosphäre langfristig. Wissenschaftler sehen deutliche Hinweise dafür, dass die Zahl der Feuer auf torfhaltigen Böden 2019 und 2020 stark zugenommen hat.
Unterschiedliche Ökosysteme von Bränden betroffen
Hinzu kommt, dass derzeit wohl auch aufgetaute Böden über Permafrostschichten brennen. Von Permafrost spricht man, wenn die Temperatur im Boden mindestens zwei Jahre hintereinander unter null Grad Celsius liegt. "Da brennt typischerweise die obere Schicht, in Tiefen bis zu 30 Zentimetern“, sagt DWD-Mann Johannes Kaiser. Wenn die Temperaturen in der Arktis steigen und die Permafrostböden dadurch immer weiter schmelzen, werden große Mengen in Torfböden gebundenen Kohlenstoffs brennbar und können dauerhaft in die Atmosphäre emittiert werden. Kurz gesagt: Es wird also besonders viel klimaschädliches CO2 freigesetzt.
Wie die Permafrostschmelze den Klimawandel beschleunigt, erklären wir hier
Auch die NASA, die Nationale Aeronautik- und Raumfahrtbehörde der USA, hat ihre Satellitenbilder analysiert. Ihre Ergebnisse stützen die Vermutung, dass es sich in Sibirien nicht nur um saisonale Feuer handeln könnte. Möglicherweise hätten die Torffeuer schwelend überwintert (als sogenannte "Zombie-Feuer“). Im Zusammenhang mit den Hitzerekorden in diesem Jahr könnten die Feuer "leichter ausbrechen und sich schneller ausbreiten“. Die starken Winde trügen weiterhin zur Ausbreitung bei.
Artikel Abschnitt: Wie viel CO2 wird durch die Brände in Sibirien freigesetzt?
Wie viel CO2 wird durch die Brände in Sibirien freigesetzt?
- Lange Zeit lag der Rekord durch Brände innerhalb des Polarkreises bei etwa 40 Megatonnen CO2 pro Jahr.
- Im gesamten Jahr 2019 haben die Brände schon 100 Megatonnen CO2 freigesetzt, etwa fünfmal mehr CO2 als im langjährigen Durchschnitt, rechnet Kaiser vor.
- 2020 wurde der Rekord nun allein im Juni und Juli mit über 200 Megatonnen CO2 nochmals verdoppelt.
- Im Juni waren es mit 59 Megatonnen CO2 schon sechs Megatonnen mehr als im Rekordsommer 2020.
- Im Juli gab es dann nochmal eine deutliche Steigerung: Zwischen dem 1. und dem 29. Juli sind durch die Brände nach Angaben der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom Copernicus-Monitoring-System weitere 145 Megatonnen CO2 in die Atmosphäre gelangt.
Darin sehen Forschende eine dramatische Entwicklung. Das ist in etwa so viel wie die zehn größten Braunkohlekraftwerke in Deutschland in einem Jahr emittieren. Zum Vergleich: Die vom Menschen gemachten CO2-Emissionen in Deutschland beziffert Kaiser für 2019 mit 706 Megatonnen CO2.
Wer jetzt denkt: Was betreffen mich die Emissionen in Sibirien? Zur Erinnerung: Für das Klima ist es mehr oder weniger egal, an welcher Stelle die Emissionen in die Atmosphäre gelangen.
Zahlen mit großer Unsicherheit
Allerdings sind die Zahlen zu den durch Feuer entstandenen CO2-Emissionen mit großer Unsicherheit behaftet, wie Kaiser erklärt. "Es können bis zu 30 Prozent mehr, aber auch bis zu 30 Prozent weniger sein.“ Denn genaue Messungen sind schwierig. Satellitendaten zeigen zwar einigermaßen genau, wie groß die Fläche ist, die brennt. Über die Brenntiefe geben sie aber keine Information – und darüber, ob etwa Permafrostboden brennt. Außerdem können Wissenschaftler auch die sogenannte thermische Abstraktion der Brände erfassen und daraus ableiten, wie viel CO2 freigesetzt wird. Die Unsicherheit hier: Torfbrände etwa haben eine geringe thermische Abstrahlung, es entsteht aber vergleichsweise viel CO2.
Nichtsdestotrotz zeigen Satellitenbeobachtungen klar, dass sich die Feueraktivität in der Arktis 2019 und 2020 gegenüber den Jahren in der Periode 2003–2018 um ein Vielfaches erhöht hat.
Artikel Abschnitt: Gibt es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel?
Gibt es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel?
Erstens: Hat der menschengemachte Klimawandel zur Entwicklung in Sibirien beigetragen? Und zweitens: Haben die Brände und das schmelzende Meereis wiederum einen Einfluss auf den Klimawandel?
Die zweite Frage lässt sich relativ sicher mit “Ja” beantworten. Die World Meteorological Organization, also die Weltorganisation für Meteorologie (WMO), betont, dass die Verhältnisse in Sibirien nicht nur auf Natur, Umwelt und Menschen dort einen Einfluss haben. Wenn der Permafrost auftaue, die Schneedecke kleiner werde und das Eis schmelze, habe das Einfluss auf das Klimasystem weltweit.
Wie die Permafrostschmelze den Klimawandel beschleunigt, erklären wir hier
Die erste Frage, also inwiefern der menschengemachte Klimawandel die Brände und Eisschmelze in Sibirien verstärkt hat, ist dagegen etwas schwieriger zu beantworten.
Klar ist: Die derzeitige Hitze in Sibirien habe dazu beigetragen, dass "die Periode zwischen Januar und Mai die zweitwärmste seit Beginn der Aufzeichnungen“ sei, schreibt die WMO.
Um herauszufinden, ob diese Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel stehen, haben die WMO-Meteorologen die Durchschnittstemperaturen der größeren Region zwischen Januar und Juni untersucht, aber auch die Tagesmaximaltemperaturen in bestimmten Orten. Nach ihrer Analyse kommen sie zu dem Schluss: Die gemessenen außergewöhnlich hohen Temperaturen seien "ohne den menschengemachten Klimawandel unmöglich gewesen“.
Die Modelle zeigten: Die Hitze zwischen Januar und Juni 2020 sei "600 Mal wahrscheinlicher eine Folge des Menschengemachten Klimawandels“. Dennoch sei die lange Hitzeperiode – auch in Zeiten des Klimawandels – ein sehr seltenes Ereignis, dass statistisch nur alle 130 Jahre auftrete. Auch Rekordtemperaturen, wie sie im Juni in der Stadt Werchojansk gemessen wurden, seien durch den von Menschengemachten Klimawandel wesentlich wahrscheinlicher. Vermutlich sollte man aber nicht nur einzelne Rekordtemperaturen wie die wohl gemessenen 38 Grad Celsius in Werchojansk fokussieren. Entscheidender für die regionalen Auswirkungen und das Weltklima sind laut WMO länger andauernde Hitzeperioden.
Wie der Klimawandel nicht nur die Natur, sondern auch unsere Gesundheit gefährdet, lest ihr hier.
Auswirkungen nicht nur in Sibirien
Auch mit Blick auf das verschwindende Meereis gehen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen davon aus, dass es einen Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt. So haben die Forschenden der "Mosaic“-Expedition, die sich auf einem Schiff des AWI für ein Jahr in der Arktis befinden, schon im vergangenen Winter besonders niedrige Werte festgestellt. "Wir sehen in den letzten 15 Jahren eine geringere Dicke und Ausdehnung als in allen Jahren zuvor. Das ist die Konsequenz aus der Klimaerwärmung“, sagt AWI-Physiker Marcel Nicolaus. Hinzu kam in diesem Sommer eine Warmluftzelle über Sibirien, die vor Ort für sehr hohe Temperaturen sorgte. Ob der Trend bis zum jährlichen Eis-Minimum im September weitergeht, lasse sich derzeit noch nicht sagen.
Die WMO warnt, dass in sensiblen Ökosystemen wie in Sibirien ein heißeres Klima besonders starke Effekte habe. Einerseits auf die Menschen vor Ort, deren Lebensraum zerstört wird. Aber auch auf das gesamte Weltklima: Die tauenden Permafrostböden und das abnehmende Meereis seien zwei Beispiele. Zudem habe der heiße sibirische Sommer zur Erhöhung der weltweiten Durchschnittstemperatur beigetragen, so die WMO. Und die Periode zwischen Januar und Mai zur zweitwärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen gemacht. "Was Besorgnis erregt, ist, dass die Arktis sich schneller erwärmt als der Rest der Welt“, sagt Carlo Buentempo vom Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF).
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Liebe Leser, ich bin jemand der die rasche Population und dazu gehört die Veränderung der Atmosphäre durch unsere Abgase, Ausscheidungen, chemischen Abfällen, Kunststoffen, usw. als unnötig, schwer kritisiert. Jedoch seit Jahrzehnten veröffentliche und forsche ich an der Funktion unseres Planeten und dazu gehört auch energetische Funktion des Erd- Inneren. Unser… Weiterlesen »
Guter Artikel 🙂