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Ertragreicher Müll
So wenig von deinem Elektroschrott wird wirklich verwertet
Elektro-Geräte sind wertvoll, auch wenn sie nicht mehr gewollt sind. Die Recycling-Quoten sind aber erschreckend gering. Schuld daran ist vor allem eine Denkweise, die den vermeintlich günstigeren Weg auf Kosten der Umwelt geht.
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Darum geht's:
Pro Kopf liegen sechs Kilogramm E-Schrott auf unserem Planeten
1,7 Millionen Tonnen E-Schrott – so viel produzieren wir alleine in Deutschland pro Jahr. Eine gewaltige Zahl, die das Problem aber noch nicht umfassend wirklich wiederspiegelt, denn E-Schrott ist nicht einfach nur Müll. Bestandteile in Smartphones und anderen Elektrogeräten sind nicht nur wertvoll, sondern häufig auch giftig. E-Müll macht zwar nur zwei Prozent der Abfallströme aus, dafür aber 70 Prozent der gefährlichen Abfallbestandteile, die auf Deponien enden. Eine genaue Auftrennung der einzelnen Bestandteile, um brauchbare Elemente zu recyceln, ist aber aufwendig und noch nicht immer lohnend.
150 Mal so schwer wie der Kölner Dom
Umso dramatischer sind die internationalen Zahlen. Weltweit entstehen etwa 45 Millionen Tonnen Elektroschrott im Jahr (Stand: 2016). Das sind knapp sechs Kilogramm pro Kopf, bei einer Betrachtung aller Menschen auf der Erde. Auf einen Haufen gelegt würde dieser Müllberg 150 Mal so viel wiegen wie der Kölner Dom. Die Hälfte davon sammelt sich in Europa und den USA.
Diese Zahl wird Schätzungen zufolge künftig noch stark ansteigen. Das liegt zum Beispiel daran, dass viele Elektrogeräte nicht für eine lange Nutzung entwickelt werden. So können Smartphone-Akkus meist nicht mehr gewechselt werden, der Kunde soll sich stattdessen regelmäßig ein neues Gerät kaufen. Die Entwicklung könnte nach Prognosen der United Nations University und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dazu führen, dass die Herstellung und Nutzung von Laptops, Smartphones und Co in 20 Jahren bereits ein Siebtel der weltweiten Schadstoff-Emissionen ausmachen. Weitere zehn Jahre später sollen bereits 120 Millionen Tonnen E-Schrott anfallen.
E-Autos könnten zu mehr Schrott führen
Einen immensen Anteil am Elektroschrott-Anstieg könnte die weltweit steigende Nachfrage nach E-Autos haben. Bis 2030 könnten nach Schätzungen der International Energy Agency (IEA) bis zu 125 Millionen Elektrofahrzeuge unterwegs sein, 40 Mal mehr als heute. Derzeit liegt die weltweite Recyclingquote für diesen Markt bei nur 42%.
Immerhin: Die EU und die Volksrepublik China haben Gesetze eingeführt, die die Automobilhersteller für das Recycling von Batterien verantwortlich machen.
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Was ist eigentlich Elektroschrott?
Nach einer Festlegung der Partnerschaft gibt es sechs Kategorien von Elektroschrott:
- Kühl- und Gefriergeräte (z. B. Kühlschränke, Klimaanlagen etc.)
- Bildschirme/Screens (z. B. Fernseher, Laptops, Tablets etc.)
- Leuchten/Lampen (z. B. Glühbirnen, LED-Lampen etc.)
- Großgeräte (z.B. Waschmaschinen, Trockner etc.)
- Kleingeräte (z.B. Mikrowellen, Toaster etc.)
- Kleine IT- und Kommunikationsgeräte (z.B. Smartphones, GPS-Geräte, Taschenrechner, Router etc.)
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Was macht Elektro-Schrott so besonders?
Wirtschaftlich lohnt sich Recycling oft nicht
Trotzdem werden jedes Jahr Unmengen teurer Rohstoffe in Form von Elektroschrott einfach weggeworfen. Trotz dieser Zahlen ist eine Aufbereitung derzeit noch so aufwendig, dass sich das Recycling wirtschaftlich oft nicht rechnet. Gerade moderne Geräte beinhalten immer komplexere Bestandteile. Häufig ist es nicht möglich, diese im Einzelnen aufzutrennen, man muss sich auf bestimmte Elemente konzentrieren. Auch Fachleute wissen aber häufig nicht, was für Elemente im Detail in den einzelnen Bauteilen stecken.
Hinzu kommt, dass viele Menschen offenbar eine derartige Bindung zu ihren Geräten aufbauen, dass diese nach dem Gebrauch nicht in die Wiederverwertung gehen, sondern im Haushalt verbleiben.
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Wie effektiv wird Elektroschrott recycelt?
Extraktion sehr aufwendig
Häufig ist der aufwendige Abbau der Edelmetalle aus den "Elektro-Minen" auch einfach nicht gewollt. Derzeit ist die Extraktion wertvoller Rohstoffe noch sehr energie- und arbeitsaufwendig. Der Aufwand ist laut Jason Love sogar so hoch, dass es sich wirtschaftlich gar nicht lohne, Elektroschrott zu recyceln. Love ist Leiter der Abteilung für anorganische Chemie an der Universität in Edinburgh. Trotzdem betont Love gegenüber Quarks, wie wichtig eine bessere Wiederverwertung für die gesamte EU wäre. Das läge nicht nur daran, dass die eigenen Edelmetallvorhaben in Europa nur sehr begrenzt vorkommen. Erschwerend käme hinzu, dass die relevanten Bestandteile, bzw. ihre Neugewinnung aus natürlichen Quellen, einen großen Beitrag zur Erderwärmung leisten würden.
Recycling könnte effektiver werden
Bald aber könnte der Recyclingvorgang zumindest deutlich effektiver gestaltet sein, sagt Dr. Peter Hense, Gruppenleiter für Recyclingtechnologien beim Fraunhofer Umsicht. Laut dem Experten wird derzeit in unserer Region der Erde ein knappes Viertel des Schrotts als Schredder-Rückstand oder Staub aus der Abluftfilterung nicht verwertet.
In Mitteleuropa würde dieser Rückstand verbrannt, im Ausland teilweise sogar deponiert. Ein Recycling der feinsten Bestandteile sei damit so gut wie ausgeschlossen. Als plakatives Beispiel nennt er Gold. Nur rund 30 % des begehrten Metalls würden wiederverwertet.
Neues Verfahren soll helfen
Mit seiner Arbeitsgruppe hat Hense eine Technologie entwickelt, die hier künftig Besserung verspricht. Durch das iCycle-Sytem soll Metall effizienter aus E-Schrott gefiltert werden können. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem Materialien in sauerstofffreier Atmosphäre thermisch zerlegt werden. So kann man laut Fraunhofer Umsicht Metalle und Fasern schonend auftrennen und einzelne Schadstoffe, wie Halogene, absondern.
Die notwendige Apparatur könne demnach sogar durch gasförmige und flüssige Stoffe energetisch betrieben werden, die beim eigenen Verwertungsprozess aus dem Schrott gefiltert würden. Außerdem soll sie auch solche Metalle wiederverwerten können, die bislang nicht recycelt werden konnten, etwa Tandal oder Indium. In anderen Regionen soll iCycle aber noch größeren Problemen begegnen können, zum Beispiel in Agbogbloshie.
Weniger Handarbeit
Die Müllhalde in der ghanaischen Hauptstadt Accra wurde bereits von einigen Medien als dreckigster Ort der Welt bezeichnet. Unter großen Gefahren für Umwelt und Gesundheit wird Elektroschrott hier schutzlos mit der Hand verarbeitet. Die neue Technologie könnte auch hier eingesetzt werden, um ganz besonders feine Bestandteile des Schrotts zurückzugewinnen. Giftige Dämpfe entstünden bei dem Verarbeitungsprozess nicht.
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Und jetzt?
Auch knapper werdende Ressourcen auf der Erde sind ein Argument dafür, die wertvollen Bestandteile unseres Mülls effektiver aufzubereiten. Solange aber monetäre Interessen für ein Beibehalten der geringen Recycling-Quoten sprechen, sind nach Einschätzung von Fachleuten wie Jason Love politische Eingriffe notwendig, auf lokaler, regionaler und auf EU-Ebene. Wie bei jedem Recycling sei es demnach notwendig, Überzeugungsarbeit zu leisten.
Handys als Olympia-Medaillen
Symbolisch hat man in Japan nun ein starkes Zeichen gegen die Verschwendung von Elektroschrott gesetzt. Mit einem Aufruf aus dem Jahr 2017 begann dort eine großangelegte Sammlung von Elektroschrott. Millionen von Mobiltelefonen wurden seitdem gespendet. Das Ziel: Als Gastgeber der olympischen Spiele 2020 in Tokio wollte Japan alle olympischen Medaillen aus den recycelten Schrottbestandteilen alter Elektrogeräte herstellen. Die Sammlung endete nun. Das Ergebnis: in den 18.000 landesweit bereitgestellten Sammelboxen wurden unter anderem über fünf Millionen gebrauchte Mobiltelefone abgegeben. Die finalen Zahlen sind zwar noch nicht öffentlich, doch waren die gesteckten Ziele bereits im Herbst fast erreicht:
28 kg Gold, 3.500 kg Silber und 2.700 kg Bronze: Edelmetalle im Wert von rund drei Millionen Euro konnten so aus den gespendeten Elektrogeräten wiederverwertet und zu olympischen Medaillen geschmolzen werden.
Ein Prestige-Projekt und eine Werbung für einen möglichen E-Schrott-Kreislauf der Zukunft – noch steckt aber auch ein immenser Aufwand hinter den Verfahren.
Autor: Martin Pieck
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Ich bin von Berufs wegen Informatiker. Trotzdem: Ich verzichte auf Smartphones (hatte noch nie eins), Fernseher (Mediatheken und Livestreams sei dank) und Radio/Musikanalage (streamen geht doch auch). Ich habe einen einzigen Laptop und ein einfaches Handy (mittlerweile mehr als 5 Jahre alt). Damit habe ich der Umwelt jeweils 50 Elektroschrottteile… Weiterlesen »
So ähnlich sieht die Lage auch bei mir aus. Allerdings darf das nicht darüber hinweg täuschen, dass das auch seine Kehreite hat: Streamen von Audio und insb. Video – ggf. auch noch in hoher Qualität – verbraucht relativ viel Strom, da entsprechende Datenmengen übertragen werden. Das heisst also stark vereinfacht:… Weiterlesen »