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Orbit
Warum gibt es noch keinen Weltraumaufzug?
Mit einem Weltraumaufzug in den Orbit aufsteigen klingt verrückt. Aber es wird tatsächlich daran gefeilt, wie es klappen könnte. Der aktuelle Stand der Wissenschaft.
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Wie soll ein Weltraumaufzug funktionieren?
Das Seil würde die Erde wie ein Satellit umkreisen
Zu dem Seil, an dem sich der Aufzug befinden würde, gibt es hingegen relativ genaue Überlegungen. Es müsste in der Orbitalstation produziert und nach und nach in Richtung Erde verlängert werden. Im eigentlichen Sinne "befestigt“ wird es dabei nicht. Denn das senkrecht zur Erdoberfläche schwebende Seil würde unsere Erde ähnlich wie ein Satellit umkreisen. Der Aufzug kann letztlich jedoch nur funktionieren, wenn das Seil unsere Erde mit derselben Winkelgeschwindigkeit umkreist, mit der sich auch unsere Erde dreht. Es wäre, genau wie geostationäre Satelliten von der Erde aus gesehen, immer am selben Punkt über uns.
Damit das Seil nicht auf den Erdboden fällt, müsste man auf der Weltraumseite außerdem ein Gegengewicht anbringen. Durch seine Fliehkraft kann es das Gewicht des Seils unterhalb des geostationären Orbits kompensieren. Als Gegengewicht ließen sich beispielsweise ausgediente Satelliten oder eingefangene Asteroiden verwenden. Eine andere Option wäre, das Seil weiter in den Weltraum zu verlängern. Dann könnte sein eigenes Gewicht als Gegengewicht wirken. Dafür müsste es allerdings insgesamt, also vom Boden aus, 144.000 Kilometer weit in den Weltraum ragen.
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Welche Vorteile hätte ein Weltraumaufzug?
Raumschiffe könnten sich ohne Treibstoff fortbewegen
Wenn das Seil des Aufzugs über die nötigen 36.000 Kilometer hinaus ragen würde, könnte man daran sogar noch weiter in den Weltraum reisen. Denn je höher man aufsteigt, umso schneller bewegt man sich in einer Umlaufbahn um die Erde. Ähnlich wie das Ende eines Seils, das man um sich herumschleudert. Ein in 100.000 Kilometer Höhe losgelassenes Raumschiff könnte so ohne Treibstoff bis zum Jupiter zu kommen. Das funktioniert nach dem "Schleuder-Prinzip“: Wenn man einen Stein an einem Seil um sich herumschleudert und dann plötzlich loslässt, fliegt der Stein mit hoher Geschwindigkeit fort. Genauso würde das Raumschiff seine Umlaufbahn um die Erde verlassen, sobald es vom Aufzug oder Seil abgekoppelt ist.
Artikel Abschnitt: Wer hatte die Idee, einen Weltraumaufzug zu bauen?
Wer hatte die Idee, einen Weltraumaufzug zu bauen?
Über ein halbes Jahrhundert später beschrieb der russische Ingenieur Juri Arzutanow 1959 in einem Zeitungsartikel einen alternativen Entwurf: Statt einen Turm zu bauen, sollte ein Seil von einem Satelliten zum Erdboden herunterhängen. Es würde durch ein Gegengewicht im All gespannt, damit sich ein Aufzug an ihm hochziehen kann. Ab 1966 griffen amerikanische Wissenschaftler:innen die Idee auf und 1979 machte sie der britische Science-Fiction Autor Arthur Clarke in seinem Roman "The Fountains of Paradise“, auf Deutsch "Fahrstuhl zu den Sternen“, einem breiteren Publikum bekannt. Darin beschreibt er den Bau eines Weltraumaufzugs im 22. Jahrhundert.
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Warum gibt es noch keinen Weltraumaufzug?
Weltraumschrott
Mittlerweile fliegt so viel Weltraumschrott um unsere Erde, dass er eine ernste Gefahr für einen Weltraumaufzug darstellt. Im Schnitt würde das Aufzugseil alle zehn Tage getroffen und durchtrennt werden. Der Aufzug und das Seil müssten also ausweichen können. Das könnte mit vom Boden aus gesteuerten großen Wellenbewegungen des Seils geschehen. Dafür müsste die Bodenstation mobil sein und hin- und herfahren können und die Wellenbewegungen des Seils müssten langsam genug ausgeführt werden, um die Aufzugskabine und ihre Insassen nicht zu gefährden.
Außerdem müsste die genaue Umlaufbahn jedes potenziell gefährlichen Teils Weltraumschrott genau bekannt sein, um die Ausweichbewegungen mit ausreichendem Vorlauf einleiten zu können. Insgesamt ein unglaublich komplizierter Vorgang. Ein Seil, das stabil genug ist, damit es dem Weltraumschrott standhält, ist auch keine Lösung. Es wäre zu schwer und würde auf Dauer dennoch zu stark beschädigt werden.
Die Energieversorgung
Den Aufzug einfach durch ein langes Kabel mit Strom versorgen geht nicht. Denn das Kabel wäre viel zu schwer. In früheren Entwürfen war die Idee darum, dass ein kleiner Kernreaktor hinter dem Aufzug herfährt und ihn mit Strom versorgt. Damit der Reaktor nicht zu schwer ist, sollte er aber nicht abgeschirmt sein und wäre deshalb eine gefährliche Strahlenquelle.
Aktuell wird darum vorgeschlagen, die Energie per Laser zum Aufzug zu schießen. Dort würde sie von solarzellenartigen Modulen aufgefangen. Dieser Laser müsste aber so stark sein, dass er im Prinzip eine gefährliche Strahlenwaffe wäre. Er könnte versehentlich Flugzeuge oder Satelliten zerstören oder sogar den Weltraumaufzug, wenn er nicht präzise genug ausgerichtet ist.
Realistisch erscheint daher derzeit nur eine Energieversorgung mit Solarpanels. Sie müssten aber rund 66.000 Quadratmeter groß sein, das entspricht über neun Fußballfeldern. In der Schwerelosigkeit des Weltraums könnten solche riesigen Solarpanels ohne große Schwierigkeiten am Aufzug befestigt sein. Anders sieht es aber am Boden oder beim Aufstieg durch die Atmosphäre aus. Dafür haben die Ingenieur:innen noch keine realistische Lösung.
Die Atmosphäre
Beim Aufstieg durch die Atmosphäre lauern viele Gefahren auf den Weltraumaufzug. Denn im Prinzip ist er ein riesiger Blitzableiter. Elektrische Entladungen in der Atmosphäre könnten starke Ströme durch das Seil schicken und es verbrennen oder schmelzen lassen. Wegen niedriger Temperaturen in hohen Luftschichten ist ein anderes Problem die mögliche Vereisung des Seils: Es könnte dadurch so schwer werden, dass es reißt. Außerdem könnte Eis den Aufstiegsmechanismus des Aufzugs blockieren.
Die größten Sorgen macht den Ingenieur:innen aber der Wind: Die höchsten bisher gemessenen Windgeschwindigkeiten in der Stratosphäre betragen bis zu 700 Stundenkilometer, das ist mehrfache Orkanstärke. Es ist völlig unklar, wie Seil und Aufzug dem standhalten können, vor allem wenn die Energie von großen Solarpaneels stammen soll. Sie würden wie riesige Segel wirken, auf denen enorme Kräfte durch den Druck des Windes lasten würden. Kein heute bekanntes Material würde dem standhalten.
Artikel Abschnitt: Was ist das größte Problem, das gelöst werden muss?
Was ist das größte Problem, das gelöst werden muss?
Selbst wenn es gelänge, sie zu kilometerlangen Strängen zu spinnen, würden sich unvermeidliche Materialfehler gegenseitig verstärken und die Stabilität negativ beeinflussen. Es ist daher zurzeit völlig unklar, ob es jemals gelingen wird, ein hinreichend stabiles und langes Seil herzustellen.
Artikel Abschnitt: Wie realistisch ist ein Weltraumaufzug in Zukunft?
Wie realistisch ist ein Weltraumaufzug in Zukunft?
Wahrscheinlich gibt‘s erst mal einen Mond-Weltraumaufzug
So sind etwa Kunstfasern aus Aramid, die auch unter dem Handelsnamen Kevlar bekannt sind, schon heute stabil genug für ein Aufzugsseil von der Oberfläche des Mondes bis in seine Umlaufbahn. Wenn die Idee also jemals umgesetzt wird, dann vermutlich zuerst auf dem Mond und nicht auf der Erde. Der Mond-Weltraumaufzug könnte immerhin die Rückkehr von Astronaut:innen oder den Abbau von Mondgestein erleichtern. Das Szenario sähe dann folgendermaßen aus:
Die Astronaut:innen fliegen mit einer Rakete bis zum Mondorbit. Dort könnten sie in den Mond-Weltraumaufzug steigen und mit ihm auf die Mondoberfläche absteigen oder klassisch mit einer Landefähre auf dem Mond landen. Für den Rückweg würden sie erneut den Mond-Weltraumaufzug benutzen, da seine Benutzung genau wie auf der Erde billiger als ein Raketenstart wäre. Wieder im Mondorbit würden die Astronaut:innen dann mit einer Rakete zurück zur Erde gelangen.
Da mit einem Mond-Weltraumaufzug auf die Raketenstarts von der Mondoberfläche in den Mondorbit verzichtet werden könnte, würde der Rücktransport von Astronauten oder auch von abgebautem Mondgestein günstiger sein als mit Raketen. Das behaupten zumindest die Befürworter:innen von Weltraumaufzügen.
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„Aber es wird tatsächlich daran gefeilt, wie es klappen könnte.“
Genau wie an Zeitreisen gefeilt wird: Es gibt jede Menge wilde Phantasien, aber null praktische Fortschritte.
Interessante Infos – danke dafür. Und bei der Literatur darf ja eigentlich auch Frank Schätzing mit „Limit“ nicht fehlen, in dem der Weltraum-Aufzug ein zentrales Thema ist.