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Werbung
Darum sind Kinder eine begehrte Zielgruppe
Kinder sind besonders empfänglich für Werbebotschaften in TV, Zeitschriften und Internet. Das nutzt die Werbebranche, um bereits die Jüngsten an ihre Marken zu binden.
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Kinder nehmen Werbung anders wahr als Erwachsene
Werbung spricht Emotionen an
Das Forschungsgebiet des Neuromarketing konzentriert sich auf die Vorgänge im Gehirn, die bei Konsument:innen ablaufen. Zahlreiche Areale des Gehirns reagieren auf Werbebotschaften, verarbeiten und bewerten sie. Insbesondere emotionale Werbung aktiviert dabei das Belohnungssystem. Bevor wir nun aber in den nächsten Laden rennen und das gerade Gesehene kaufen, schieben andere Hirnstrukturen dem einen Riegel vor. Der präfrontale Kortex etwa erlaubt eine kognitive Handlungsplanung, reguliert Emotionen, und ermöglicht Selbstkontrolle.
Kinder durchlaufen verschiedene Phasen der kognitiven Entwicklung
Um Werbeaussagen als solche zu verstehen, müssen Kinder erst einmal unterscheiden lernen: Was ist Kindersendung, was ist kommerzielle Werbung? Das klingt banal, überfordert jedoch die kognitiven Fähigkeiten eines Kleinkindes. Vierjährige verstehen nicht, dass Werbung Werbung ist, selbst wenn im Fernsehen der Hinweis "Und jetzt kommt die Werbung" eingespielt wird. Dementsprechend nehmen sie die Informationshäppchen auch auf und stellen Werbeversprechen wie: "Diese Weingummis sind nicht nur lecker, sondern auch supergesund, weil sie Vitamine enthalten", nicht infrage.
"Kleine Kinder verstehen Absichten von Werbung nicht"
"Die Absichten von Werbung verstehen Kinder im Vorschulalter noch nicht, weil sie sich hierfür in die mentalen Vorgänge anderer Personen hineinversetzen müssten", erklärt Dr. Sabine Völkel. Am Institut für Medienforschung an der Technischen Universität Chemnitz forscht sie zu Medien- und Werbekompetenz bei Kindern sowie frühkindlichem Bildverstehen.
Für ein Kleinkind gibt es nur die eigene Wahrheit
Für Kinder bis etwa fünf Jahren existiert also nur eine Wahrheit – und zwar die eigene, die in ihren Augen automatisch auch die Realität der anderen Menschen ist. Dementsprechend nennt sich diese Entwicklungsphase die egozentrische Phase.
In dieser Zeit reift das kindliche Gehirn und mit ihm der präfrontale Kortex. Erst mit etwa sieben oder acht Jahren gelingt es Kindern dann, anderen Menschen eigene Realitäten oder Perspektiven zuzugestehen und somit auch unterschiedliche Motive. Diese kognitiven Fähigkeiten nennen sich "Theory of Mind" und sind ein komplexer Entwicklungsprozess, der sich etliche Jahre hinzieht. Erst jetzt begreifen die Kinder die Intention hinter der Werbung, verstehen sie als Kaufempfehlung und können sie kritisch hinterfragen.
Schwieriger wird es, wenn Produkte als Lebensgefühl verkauft oder mittels Produktplatzierungen in sozialen Medien beworben werden. Derart subtile Werbebotschaften durchschauen Kinder erst ab einem Alter von etwa zehn oder elf Jahren.
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Die geballte Kauf- und Quengelkraft der Jüngsten
"Die Werbeindustrie hat die kognitiven Voraussetzungen von Kindern genau im Blick. Die Gestaltung ist optimal an Aufmerksamkeits- und Verarbeitungsprozesse angepasst, etwa durch fröhlich, bunt und fantasiereich gestaltete Werbebotschaften", so Sabine Völkel. Als Sympathieträger unterstützen bekannte Filmfiguren oder Seriencharaktere die Werbeaussagen: Was Eisprinzessin Elsa oder Käpt‘n Sharky toll finden, muss doch gut sein.
Werbeindustrie spricht häufig Kinder an
Etwa drei Milliarden Euro – zusammengesetzt aus Taschengeld und Geldgeschenken – hat die für die Werbeindustrie attraktive Zielgruppe der 4- bis 13-Jährigen jährlich zur freien Verfügung. Laut einer Kinder-Medien-Studie aus dem Jahr 2018 geben Kinder dieses Geld besonders gern für Süßigkeiten und Magazine aus. Wenig überraschend richtet sich Werbung dafür deshalb oft an Kinder. In der Lebensmittelbranche etwa sind es 60 Prozent der Werbespots, die Kinder ansprechen.
Quengelkraft der Kinder
Zusätzlich beeinflussen Kinder die Kaufentscheidungen ihrer Eltern. Dieses Phänomen wird im Marketing als Quengelkraft (Pester Power) bezeichnet und erlaubt es insbesondere kleinen Kindern bis etwa fünf Jahren, ihre Konsumwünsche gegenüber Erwachsenen durchzusetzen. Je nach Widerstandskraft der Eltern landen dann statt frischem Obst oder Gemüse zum Beispiel mit Zucker versetzte und somit ungesunde Fruchtzubereitungen im Einkaufswagen. Kindermarketing gilt als eine der führenden Ursachen für Übergewicht und Adipositas.
Artikel Abschnitt: Kinder sind die Kunden und Kundinnen von morgen
Kinder sind die Kunden und Kundinnen von morgen
Frühe Markenbindung
"Die Bindung an Marken ermöglicht es, sich in einer komplexen Konsumwelt zurechtzufinden“, erläutert die Medienforscherin Völkel. "So muss nicht jede Kaufentscheidung von Grund auf neu überdacht werden. Das entlastet den Menschen kognitiv und spart Zeit." Außer dem sozialen Umfeld, also Eltern, Freundinnen oder Schulkameraden, beeinflusst vor allem Werbung eine frühe Markenprägung. Denn bereits im Vorschulalter entwickeln sich Präferenzen für die eine oder andere Marke. "Bis zum Beginn des jungen Erwachsenenalters haben sich bereits die Hälfte aller Markenbindungen gebildet, was Kinder und Jugendliche zu einer relevanten Zielgruppe der Werbeindustrie macht", sagt Völkel.
Langzeitfolge von kindgerechter Werbung
Erwachsene bewerten Dinge, die sie aus ihrer Kindheit kennen und als gut in Erinnerung haben, positiver als Vergleichbares ohne eine emotionale Beziehung. Bei erneutem Kontakt mit diesen sogenannten "Kindheitskameradschaften" wird auch nach Jahren das Belohnungszentrums des Gehirns aktiviert. Dieses Verhalten ist eine Langzeitfolge von kindgerecht aufgemachter Werbung.
Artikel Abschnitt: Welche Verantwortung hat die Werbeindustrie?
Welche Verantwortung hat die Werbeindustrie?
Selbstverpflichtungsinitiative freiwillig
Allerdings ist diese "EU-Pledge" genannte europäische Selbstverpflichtungsinitiative freiwillig, sodass sich längst nicht alle Werbenden daran halten. So schaffen es beim jährlich vom Verein Foodwatch verliehenen Negativpreis "Der goldene Windbeutel" immer wieder auch missverständlich beworbene Kinderprodukte auf die Nominierungs- und Gewinnerlisten.
Im Jahr 2019 ging der Schmähpreis etwa an die „Kinder-Tomatensauce“ von Zwergenwiese, die durch ihren hohen Zuckeranteil auffiel. In vorherigen Jahren ging er unter anderem an die "Kinderkekse" von Alete, "Capri-Sonne", "Monte-Drink" und "Milchschnitte". Und auch dieses Jahr steht mit Katjes "Wunderland + Vitamine" wieder ein Produkt auf der Nominierungsliste, das sich an Kinder richtet.
Artikel Abschnitt: Kinder benötigen Medien- und Werbekompetenz
Kinder benötigen Medien- und Werbekompetenz
Kinder früh sensibilisieren
Deshalb ist es wichtig, Kinder so früh wie möglich für Werbebotschaften zu sensibilisieren. "Im Supermarkt können Eltern ihre Kinder darauf aufmerksam machen, dass die Lieblingsfigur oder das kleine Extrageschenk nichts über die Qualität des Produktes aussagen, sondern lediglich zum Kauf anregen sollen", erklärt Sabine Völkel eine Möglichkeit, wie Erwachsene ihre Kinder zu kritischem Hinterfragen von Werbung motivieren können.
Verantwortungsvollen Umgang vorleben
Viel wichtiger sei es aber, dass Eltern ihren Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit Werbung vorlebten, so Völkel: "Kinder beobachten das Verhalten der Eltern sehr genau und lernen daraus. Das elterliche Konsumverhalten hat deshalb immer Auswirkungen auf das spätere Verhalten der Kinder." Derart gewappnet fallen auch Kinder weniger auf Werbeversprechen herein.
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Danke für diesen sehr interessanten Artikel! Dieses Thema sollte ich in meiner Textagentur auch mal aufgreifen!
Dass Kinder in der Tat Werbung anders wahrnehmen als Erwachsene, bietet Firmen zumindest in manchen Branchen die optimale Möglichkeit, ihre Werbung entsprechend anzupassen. Doch wer glaubt, dass nur die Jüngsten empfänglich für Werbung ist, der irrt gewaltig. So bieten auch gedruckte Kataloge und Broschüren Unternehmen eine ideale Gelegenheit, erwachsene potenzielle… Weiterlesen »
vielen lieben Dank liebes Quark Team 🙂
Danke für die umfassende Information.
ziemlich lol oder?
jepp