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Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Das solltest du
über ADHS wissen
über ADHS wissen
“Reiß dich doch einfach mal zusammen und konzentrier dich!”
So einfach ist das leider nicht. Im Gegenteil: AD(H)S ist ziemlich komplex.
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Inhalt
- Was ist ADHS?
- Was läuft bei ADHS anders im Kopf?
- Warum sind Betroffene oft hibbelig und unkonzentriert?
- Welche Probleme macht die Störung im Alltag – und welche Folgen hat das?
- Welche Ursachen hat ADHS?
- Können auch Erwachsene ADHS haben?
- Unterscheidet sich ADHS bei Jungen und Mädchen?
- Wie wird ADHS diagnostiziert?
- Wie wird ADHS behandelt und ist es heilbar?
- Wie viele Menschen sind betroffen?
- Fazit: Es mangelt an Aufklärung
- Was ist ADHS?
- Was läuft bei ADHS anders im Kopf?
- Warum sind Betroffene oft hibbelig und unkonzentriert?
- Welche Probleme macht die Störung im Alltag – und welche Folgen hat das?
- Welche Ursachen hat ADHS?
- Können auch Erwachsene ADHS haben?
- Unterscheidet sich ADHS bei Jungen und Mädchen?
- Wie wird ADHS diagnostiziert?
- Wie wird ADHS behandelt und ist es heilbar?
- Wie viele Menschen sind betroffen?
- Fazit: Es mangelt an Aufklärung
Artikel Abschnitt: Was ist AD(H)S?
Was ist AD(H)S?
Die drei Hauptsymptome sind: Aufmerksamkeitsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität.
Betroffene haben dadurch viele Schwierigkeiten im Alltag: in Schule und Beruf – aber auch in Freundschaften und Beziehungen.
Artikel Abschnitt: Was läuft bei ADHS anders im Kopf?
Was läuft bei ADHS anders im Kopf?
Mangel an Dopamin und Noradrenalin
In einem ADHS-Gehirn stehen Dopamin und Noradrenalin dort, wo sie benötigt werden, nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Das heißt erstens: Reize werden anders verarbeitet; Menschen mit ADHS nehmen ihre Umgebung anders wahr. Und zweitens können sie ihr Verhalten weniger gut steuern und kontrollieren. Das zeigt sich zum Beispiel in impulsivem Verhalten oder schnellem Abgelenktsein.
Manche Studien mit Gehirnscans weisen außerdem darauf hin, dass Menschen mit ADHS häufiger Formveränderungen in bestimmten Gehirnregionen haben: Der rechte Frontallappen, die Basalganglien und das Cerebellum haben bei ihnen ein geringeres Volumen als bei Vergleichspersonen ohne ADHS. Das sind Hirnregionen, die mit der Steuerung von Bewegungsabläufen assoziiert sind.
Viele Aspekte noch nicht abschließend geklärt
Die Studien kommen aber nicht zu einheitlichen Ergebnissen, unter anderem, weil bei der Messung unterschiedlich vorgegangen wurde und sie daher nicht gut vergleichbar sind, so der Neurophysiologe Prof. Christian Beste.
“Wir finden hier Auffälligkeiten, aber keine direkte Kausalität”, betont er. Es ist also nicht klar, ob die Formveränderungen ADHS verursachen oder beeinflussen.
Für die Behandlung von ADHS sei das Neurotransmittersystem ohnehin wichtiger, denn dies könne man mit Medikamenten verändern. Form und Volumen des Gehirns hingegen lassen sich nicht verändern.
Momentan gehen Forschende davon aus, dass bei der Entstehung und Ausprägung von ADHS viele Aspekte zusammenkommen, die noch nicht abschließend entschlüsselt sind.
Podcast: Mehr zum Thema erfährst du in unserm Quarks Daily Spezial.
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Artikel Abschnitt: Warum sind Betroffene oft hibbelig und unkonzentriert?
Warum sind Betroffene oft hibbelig und unkonzentriert?
Arbeitsgedächtnis ist gestört
Beim vorwiegend unaufmerksamen Typ ist vor allem das Arbeitsgedächtnis beeinträchtigt. Menschen mit dieser ADHS-Ausprägung fällt es schwer, sich gezielt auf eine Tätigkeit zu fokussieren – vor allem wenn sie langweilig ist. In der Realität bedeutet das, dass sie in der Schule oft nicht gut zuhören, sich leicht ablenken lassen oder viele Flüchtigkeitsfehler machen. In der Freizeit vergessen oder verlieren sie häufig Dinge und bleiben auch hier nicht lange bei der Sache.
Schwierig ist für Betroffene auch, Handlungen zu planen, sie in Unteraufgaben zu unterteilen und dann auch entsprechend umzusetzen. Ein Schrank wird dann beispielsweise nicht Schritt für Schritt nach Anleitung aufgebaut, sondern durcheinander an mehreren Ecken zusammengeschraubt – und dann halb fertig stehen gelassen. Denn: auch kurzzeitige Ziele im Auge zu behalten – beispielsweise den Schrank zu Ende aufbauen – fällt schwer. Wenn Hyperaktivität als Symptom kaum auftritt, spricht man hier auch von ADS, also vom Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom.
Problem: Selbstregulation
Beim vorwiegend hyperaktiv-impulsiven Typ geht es weniger um die Konzentration, sondern um die Selbstregulation. Betroffene handeln oft unüberlegt und vorschnell. Außerdem können sie negative Konsequenzen von Verhalten nicht gut voraussehen. Jemand mit diesem ADHS-Profil redet oft dazwischen, kann kaum abwarten, bis er oder sie an der Reihe ist, stört andere bei ihren Aufgaben oder klettert etwa auf einen hohen Baum, ohne die Gefahren abzuwägen. Außerdem reagieren sie öfter mit starken emotionalen Reaktionen.
Betroffene sind ständig in Bewegung
Auch sonst sind Menschen dieses ADHS-Typs ständig in Bewegung: Sie wippen mit dem Bein, spielen ständig mit Gegenständen herum oder rutschen auf dem Stuhl hin und her. In der Schule stehen sie häufig auf oder tun sich schwer, leise zu sein.
Damit treffen sie im Alltag, in Schule und Beruf oft auf Unverständnis und werden als störend wahrgenommen.
In Situationen, in denen besonders viele Eindrücke auf Betroffene einströmen, zum Beispiel bei einer Familienfeier oder Urlaubsreise, kann sich das unaufmerksame und impulsive Verhalten noch verstärken.
Artikel Abschnitt: Welche Probleme macht die Störung im Alltag – und welche Folgen hat das?
Welche Probleme macht die Störung im Alltag – und welche Folgen hat das?
Impulsives Verhalten wird als störend empfunden
Was viele nicht bedenken: Auch zwischenmenschlich, in Freundschaften oder romantischen Beziehungen kann es schwierig werden. Impulsives Verhalten und starke Emotionen werden von anderen häufig als rücksichtslos oder störend empfunden. Unaufmerksamkeit und Tagträumen in Gesprächen können respektlos wirken.
Das belastet die Betroffenen selbst. Viele leiden darunter, dass sie ihr Leben und ihre Beziehungen nicht so gestalten können, wie sie es sich wünschen. Gleichzeitig können sie sich keinen Reim darauf machen, wieso sie Probleme haben, die andere nicht haben, und wieso ihnen manche Aufgaben so schwerfallen.
Das häufige Anecken macht manche psychisch krank
Wird ADHS nicht behandelt, können sich psychische Begleiterkrankungen bilden, also Krankheiten, die durch ADHS bedingt sind. Je nach Studie betrifft das zwischen 60 und 80 Prozent der Menschen mit ADHS.
Typische Begleiterkrankungen (Komorbiditäten) sind Depressionen, Angststörungen, Persönlichkeitsstörungen oder Zwangsstörungen. Auch Suchterkrankungen kommen unter ADHS-Patient:innen häufiger vor: “Im Vergleich mit Nichtbetroffenen fängt häufig der Konsum von Substanzen in einem früheren Alter an und der Weg vom gelegentlichen Konsum hin zur Abhängigkeitserkrankung ist kürzer.”, sagt Dr. Daniel Schöttle, der die Ambulanz für ADHS an der Uniklinik Hamburg Eppendorf leitete. Manche versuchten etwa, sich mit bestimmten Substanzen selbst zu therapieren.
Ohne Behandlung können diese Begleiterkrankungen mit dem Alter schlimmer werden, wie diese Grafik zeigt:
Komorbiditäten überschatten ADHS
Es kann sogar passieren, dass die Begleiterkrankungen die ADHS selbst überschatten. Gerade erwachsene Betroffene gehen häufig wegen anderer Probleme zum Arzt und die ADHS als Ursache wird erst später entdeckt – oder bleibt unerkannt. “Komorbide Störungen können die Diagnostik der ADHS erschweren, vor allem wenn nicht an diese Möglichkeit gedacht wird. Wenn jemand mit Depressionssymptomen zum Arzt geht, werden natürlich zunächst die behandelt. Die Therapie wird längerfristig aber nur bedingt erfolgreich sein, wenn die zugrunde liegende ADHS nicht erkannt und behandelt wird”, erklärt Daniel Schöttle.
Die Probleme treten dann immer wieder auf. Hinzu kommt: Die Störungen haben häufig eine wechselseitige Wirkung aufeinander. Denn aufgrund der Aufmerksamkeitsprobleme müssen Therapiestunden für ADHS-Patient:innen anders aufgebaut werden als etwa für Menschen mit ausschließlich Depressionen.
Weitere Angaben zum Artikel:
ADHS hat auch gute Seiten
Dazu gehören zum Beispiel:
- Einsatzbereitschaft
- Feinfühligkeit/Sensibilität
- Emotionalität
- Ehrlichkeit
- Begeisterungsfähigkeit
- Spontanität
- Ideenreichtum
- viel Fantasie
Artikel Abschnitt: Welche Ursachen hat ADHS?
Welche Ursachen hat ADHS?
Der Psychotherapeut und klinische Psychologe Christian Mette betont außerdem, dass in vielen Familien Coping-Strategien gut funktionieren: “Dazu gehört zum Beispiel, dass die Eltern eine gute Tagesstruktur vorgeben und die Kinder gut gefördert sowie ausgelastet werden. Bei einer leicht ausgeprägten ADHS können solche Strategien schon dazu führen, dass keine Behandlung notwendig ist.”
Genetische Risiken
In einer Studie analysierte ein internationales Team das Erbgut von über 20.000 Menschen mit ADHS und über 35.000 ohne ADHS aus den USA, Europa, Skandinavien, China und Australien. Sie fanden heraus, dass viele genetische Varianten mit jeweils sehr geringer Wirkung zusammenspielen, um das Risiko für die Erkrankung zu erhöhen.
Nur in sehr seltenen Fällen ist die Störung das Resultat eines einzelnen Gen- oder Chromosomendefekts.
ADHS ist also vererbbar. Die Wahrscheinlichkeit, ADHS an seine Kinder weiterzugeben, ist sogar sehr hoch: Sie liegt etwa bei 80 Prozent, schätzen Expert:innen.
Umweltrisiken
Die Umweltrisiken für ADHS entfalten ihre Wirkung schon sehr früh im Leben, während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt.
Wichtig ist auch hier: Nur weil ein Risikofaktor vorliegt, entsteht nicht zwangsläufig ADHS. Studien haben untersucht, welche Risiken in der Umwelt des Kindes die Wahrscheinlichkeit für die Ausbildung einer ADHS erhöhen.
Starke Hinweise fanden die Forschenden etwa bei der Belastung mit Schadstoffen wie Blei, Organophosphat-Pestiziden, Stickstoff oder Phthalat-Metaboliten (ein Stoff, der unter anderem verwendet wird, um Kunststoffe biegsam zu machen).
Eine große Rolle scheint auch die Gesundheit der Mutter während der Schwangerschaft zu spielen: Vitamin-D-Mangel, eine Schilddrüsenüberfunktion, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ADHS entwickelt, deutlich. Auch die Einnahme bestimmter Medikamente während der Schwangerschaft können ein Risiko darstellen, darunter das Antiepileptikum Valproat oder auch Paracetamol.
Auch psychischer Stress der Mutter während der Schwangerschaft kann das Risiko erhöhen: In einer dänischen Studie wurden die Kinder von 29.000 Müttern, die während der Schwangerschaft einen nahen Angehörigen verloren hatten, untersucht. Die Forschenden verglichen die Wahrscheinlichkeit für ADHS mit den Kindern von einer Million Frauen, denen das nicht passiert war. Das Ergebnis: Durch den schweren Verlust der Mutter während der Schwangerschaft verdoppelte sich das Risiko, dass das Kind ADHS entwickelte.
Wenn Kinder unter ungünstigen Verhältnissen aufwachsen, also etwa, wenn die Eltern Drogen nehmen, kriminell sind, ihre Kinder psychisch oder physisch misshandeln oder in starker Armut leben, kann das die Ausbildung einer ADHS begünstigen.
In seltenen Fällen können ADHS-Symptome durch extreme Vernachlässigung zu Beginn des Lebens oder eine starke Hirnverletzung kurz nach der Geburt verursacht werden.
Kein Risiko hingegen ist der Zuckerkonsum in der Kindheit: Eine Metaanalyse von sieben Studien mit insgesamt über 25.000 Teilnehmern aus sechs Ländern auf drei Kontinenten ergab keinen Hinweis auf einen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und ADHS bei Jugendlichen.
Artikel Abschnitt: Können auch Erwachsene ADHS haben?
Können auch Erwachsene ADHS haben?
Bei vielen Betroffenen bilden sich die Symptome mit dem Älterwerden zurück. Laut IQWiG zeigen etwa 50 Prozent der Patient:innen auch im Erwachsenenalter noch leichte ADHS-Symptome. Ungefähr 15 Prozent erfüllen auch noch als Erwachsene die vollständigen Diagnosekriterien.
ADHS ist bei Erwachsenen anders
Allerdings zeigt sich ADHS bei Erwachsenen oft anders als bei Kindern. Sie verhalten sich weniger hyperaktiv, verspüren aber oft eine innere Unruhe oder Rastlosigkeit, haben Schwierigkeiten in romantischen Beziehungen oder im Beruf.
Viele Betroffene hätten aber im Laufe der Jahre Strategien entwickelt, um mit der Krankheit umzugehen, sagt der Psychotherapeut Christian Mette, dessen Praxis auf erwachsene ADHS-Patient:innen spezialisiert ist. Problematisch sei es oft, wenn die Störung in der Kindheit nicht erkannt wurde: “Die Patient:innen haben dann oft schon einen langen Leidensweg hinter sich, weil sie beruflich nicht das erreichen, was sie sich wünschen, oder weil Freundschaften und Beziehungen sich schwierig gestalten – und dabei verstehen sie selbst überhaupt nicht, woran das liegt.”
Begleiterkrankungen kommen dazu
Gerade Menschen, deren ADHS nicht behandelt wurde, bilden im Erwachsenenalter Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen aus. Diese überlagern teils die ADHS-Symptome. Das Problem: Häufig bleibt die Störung dann bei Erwachsenen unentdeckt oder wird falsch behandelt.
Artikel Abschnitt: Unterscheidet sich ADHS bei Jungen und Mädchen?
Unterscheidet sich ADHS bei Jungen und Mädchen?
Mädchen mit ADHS hingegen haben eher den vorwiegend unaufmerksamen ADHS-Typ. Darum werden sie häufig als “einfach ein bisschen verträumt” abgetan – und die ADHS wird nicht erkannt.
Mädchen sind häufiger intellektuell und emotional beeinträchtigt
Dabei leiden Mädchen mit ADHS häufiger an intellektuellen Beeinträchtigungen und emotionalen Auffälligkeiten (etwa depressive Verstimmungen), wovon zumindest Zweiteres gut behandelt werden kann, wenn die Kerndiagnose richtig gestellt wird.
Männliche Patienten hingegen scheinen in Verbindung mit der ADHS häufiger an Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörungen sowie Abhängigkeitserkrankungen zu leiden.
Insgesamt bekommen Jungen zwei- bis viermal häufiger eine ADHS-Diagnose als Mädchen. “Im Erwachsenenalter nähern sich die Diagnosezahlen bei den Geschlechtern aber an”, weiß ADHS-Forscher Christian Mette. Ein weiteres Indiz dafür, dass ADHS bei Mädchen sehr oft unerkannt bleibt. Die Autor:innen der oben zitierten Metastudie fordern darum, dass geprüft wird, ob die Diagnosekriterien für Mädchen angepasst werden müssen.
Allgemein gilt aber: Wie stark ADHS ausgeprägt ist und welche Verhaltensweisen besonders auffallen, kann sehr unterschiedlich sein.
Artikel Abschnitt: Wie wird ADHS diagnostiziert?
Wie wird ADHS diagnostiziert?
Entsprechend den Diagnosekriterien sowie den Leitlinienempfehlungen erfordert eine Diagnose, dass die Symptomatik über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten in mehreren Lebensbereichen (etwa Schule und Familie) auftritt, von der alterstypischen Entwicklung abweicht und mit Beeinträchtigungen der Funktionsfähigkeit im Alltag einhergeht.
Medizinische Untersuchungen
Zunächst sollte das Alter des Kindes berücksichtigt werden: Bei sehr jungen Kindern sind impulsive Verhaltensweisen altersgerecht und damit normal. Wenn Kinder früh eingeschult werden, wirken sie im Vergleich zu den anderen älteren Kindern hibbelig oder impulsiv. Studien haben gezeigt, dass Kinder, die zu den Jüngsten in ihrer Klasse zählten, häufiger eine ADHS-Diagnose bekamen als andere. Das lag vermutlich nicht daran, dass sie tatsächlich häufiger ADHS hatten – sie fielen im Vergleich zu den älteren Kindern nur mehr auf. Eine Diagnose sollte darum erst ab einem Alter von sechs Jahren gestellt werden.
Auch andere medizinische Ursachen sollten ausgeschlossen werden: So können unter anderem auch Schlafstörungen, eine Schilddrüsenüberfunktion, Sehfehler oder Schwerhörigkeit für Konzentrationsschwierigkeiten, Schulprobleme oder Hyperaktivität sorgen.
Standardisierte Interviews
Auch lange Gespräche mit den diagnostizierenden Ärzt:innen gehören zum Diagnoseverfahren. Anhand von standardisierten Fragebögen beschreiben die Betroffenen ihren Leidensdruck und die vorherrschenden Symptome – aus denen sich auch das Ziel der Behandlung ableitet: “Nicht auf jede Diagnose folgt auch eine Behandlung”, sagt Dr. Schöttle. “Manchen Betroffenen reicht es, eine Erklärung für ihre Probleme und Wissen über ADHS zu haben. Andere wollen mithilfe der Therapie in der Schule oder im Beruf besser zurechtkommen oder ihr Familienleben und ihre zwischenmenschlichen Beziehungen verbessern.” Die Behandlung sollte dann auf die Ziele der Patient:innen abgestimmt werden.
Gespräche mit Angehörigen vervollständigen das Bild. Typische Fragen an Eltern sind beispielsweise:
- Ist Ihr Kind vergesslich, lässt es sich leicht ablenken oder kann es sich nur schlecht konzentrieren?
- Klettert Ihr Kind häufig auf Gegenstände, unterbricht und stört andere oft oder hat viele Wutausbrüche?
- Verhält es sich in der Schule und zu Hause so?
- Wie lange beobachten Sie dieses Verhalten schon bei Ihrem Kind?
- Leidet die schulische Leistung Ihres Kindes darunter oder findet es wegen seines Verhaltens keine Freunde und ist deshalb unglücklich?
Außerdem kann die frühe Lebensgeschichte wichtige Anhaltspunkte liefern: Gab es Komplikationen in der Schwangerschaft oder in den ersten Lebensmonaten? Kann ein Fetales Alkoholsyndrom als Ursache ausgeschlossen werden?
Eine gute Diagnose basiert hier auf möglichst umfangreichen Informationen: Nicht nur die Eltern, sondern auch Geschwister, Freund:innen oder Lehrer:innen sollten nach Möglichkeit befragt werden. Gerade die Grundschulzeugnisse enthalten wichtige Hinweise, weil sie auch eine Beschreibung und Bewertung des Sozialverhaltens beinhalten.
Neuropsychologische Tests
“Neuropsychologische Tests sind eine gute Ergänzung zur Leitlinien-Diagnostik”, meint der klinische Psychologe Christian Mette. “Leider haben nicht viele Einrichtungen die Instrumente dafür.”
Bei diesen Tests werden verschiedene Aufmerksamkeitsparameter gemessen: Wie stabil bleibt die Aufmerksamkeit bei einer eintönigen Aufgabe? Wie gut kann jemand bei einer Aufgabe mehrere Dinge gleichzeitig beachten? Wie effizient arbeitet das Arbeitsgedächtnis? Wie schnell entstehen Assoziationen und Verknüpfungen im Gehirn?
Auf Grundlage dieser Ergebnisse kann auch der Therapieerfolg messbar gemacht werden.
Dazu kommt: “Wenn wir hier feststellen, dass Patient:innen etwa nur eine kurze Aufmerksamkeitsspanne haben, müssen wir natürlich auch die Therapie entsprechend gestalten und die Sitzungslänge und den Sitzungsaufbau anpassen”, ergänzt Prof. Mette.
Im Erwachsenenalter wird die Diagnose schwieriger
Bei Erwachsenen sei es schwieriger, die Störung zu diagnostizieren, erklärt Psychotherapeut Mette, denn: “ADHS ist laut Diagnosekriterien eine Störung des Kindes- und Jugendalters. Wir müssen also nachträglich zeigen, dass die Symptome schon in der Kindheit bestanden haben.”
Wichtige Informationsquellen sind auch hier die Grundschulzeugnisse sowie, wenn möglich, Gespräche mit Eltern oder Angehörigen.
Artikel Abschnitt: Wie wird ADHS behandelt und ist es heilbar?
Wie wird ADHS behandelt und ist es heilbar?
Methylphenidat
Methylphenidat ist ein häufig verwendeter Wirkstoff bei ADHS. Er steckt zum Beispiel in den bekannten Medikamenten Ritalin und Medikinet. Zur Erinnerung: Bei ADHS stehen Botenstoffe wie Dopamin und Noradrenalin im Gehirn an bestimmten Stellen nicht in ausreichender Menge zur Verfügung – häufig, weil sie zu schnell wieder abgebaut werden. Methylphenidat ist ein Dopamin-Wiederaufnahme-Hemmer; es verlangsamt also den Abbau von Dopamin. Dadurch erhöht sich die Konzentration von Dopamin und Noradrenalin in den wichtigen Gehirnstrukturen, was wiederum die Konzentrationsfähigkeit steigert.
“Wichtig ist aber, dass die Medikamente sehr gut auf die Patient:innen eingestellt sind: Sie sollen sich nicht zu leicht ablenken lassen, aber auch nicht so fokussiert sein, dass sie Umweltreize überhaupt nicht mehr mitbekommen”, erklärt Beste.
Artikel Abschnitt: Wie viele Menschen sind betroffen?
Wie viele Menschen sind betroffen?
Weltweit sind etwa sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen und 2,5 Prozent der Erwachsenen von ADHS betroffen. Das wären in Deutschland knapp 540.000 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 17 Jahren. Eine offizielle Diagnose bekommen etwa fünf Prozent der Kinder in Deutschland. Noch höher sei die Zahl der Kinder, die eine weniger starke Symptomausprägung und damit keine Diagnose haben, so das Netzwerk “zentrales ADHS-Netz” Deutschland.
Artikel Abschnitt: Fazit: Es mangelt an Aufklärung
Fazit: Es mangelt an Aufklärung
"ADHS-Patient:innen katastrophal versorgt"
Trotzdem: “Die Versorgung von ADHS-Patient:innen in Deutschland ist katastrophal”, meint der auf ADHS spezialisierte Psychotherapeut Christian Mette. Zu wenige Ärzt:innen und Therapeut:innen seien auf die Störung spezialisiert, bei den übrigen gebe es ewige Wartezeiten.
Gleichzeitig mangele es an Aufklärung, sagt er: “ADHS ist immer noch eine hoch stigmatisierte Krankheit. Viele halten es nach wie vor für eine Modediagnose oder eine Krankheit, die es gar nicht wirklich gibt.”
Viele seiner Patient:innen hätten sich schon Vorwürfe anhören müssen wie: “Jetzt hast du wieder eine Entschuldigung dafür, wieso du nicht arbeiten musst oder dich schlecht benimmst!“; “Konzentrier dich mal, du bist nur faul – reiß dich mal zusammen!” oder bei Erwachsenen “Das ist doch eine Kinderkrankheit, das kannst du gar nicht haben.”
Vorurteile machen es Betroffenen schwer
Durch solche Vorurteile wird es in der Schule oder im Job zusätzlich schwer für die Betroffenen. Die Diagnose dem Arbeitgeber mitzuteilen, ist für viele immer noch mit Ängsten verbunden. Dabei kann eine Umstellung der Arbeitsabläufe auf die Bedürfnisse der ADHS-Patient:innen zu massiven Verbesserungen der Symptome führen – und so beiden Seiten entgegenkommen.
Für viele sei die Diagnose eine große Entlastung: Die Störung ist keine Einbildung und es gibt eine Erklärung dafür, wieso vieles nicht so klappt, wie erhofft. Christian Mette wünscht sich darum auch mehr Schulungen für Lehrer:innen und Betreuer:innen, damit dem Gefühl des ewigen Aneckens schon früh entgegengewirkt werden kann.
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Warum werden die wahrscheinlichsten Risikofaktoren nämlich Alkohol oder Nikotin sowie Canabis in der Schwangerschaft nicht genannt. Man schätzt, dass 50 % der ADHS-Diagnosen auf diese Intoxikation in der Schwangerschaft zurück zu führen sind. Im Besonderen Alkohol. Auch schon kleine Mengen und auch zu Beginn der Schwangerschaft können ZNS-Störungen verursachen, welche… Weiterlesen »
Danke für deinen Kommentar. Wir nennen das fetale Alkoholsyndrom als mögliche Ursache. Auf welchen Quellen beziehst du dich bei den Punkten Cannabis und Nikotin? Wir schauen uns das gerne nochmal an.
Ich konnte den Hinweis zu Alkohol im Abschnitt „Ursachen“ nicht finden. Evtl. habe ich diesen nun auch beim zweiten Mal Lesen übersehen. Die Umweltrisiken Nikotin und Alkohol sind in den S3 Leitlinien ADHS nachzulesen. Die drastischen Folgen der Kombination Canabis und Alkohol wurde bspw. 2008 in Studien ermittelt. Wir wissen,… Weiterlesen »
Persönlichkeitsströrung ist keine Begleiterscheinung. Eine Persönlichkeitsstörung ist eine irreperable psychische Krankheit. Ich bin eine Betroffene und habe 2 Berufe, eine Lehre und ein Studium. Ich bin mittlerweile super und gut organisiert und habe das Glück, dass ich resilient bin. Ich habe ADHS nie als (psychische) Krankheit gesehen sondern ich bin… Weiterlesen »
Wunderbar, dass es für dich so gut funktioniert und du dich so damit arrangiert hast – das klappt sicher nicht in allen Fällen so gut. Freut uns zu hören!
Ergänzung noch: Medikamente sind first line Treatment bei Erwachsenen, da meist keine Therapie mehr nötig ist. In der S3 Leitlinie zu ADHS wird dies auch prinzipiell unabhängig von der Symptom Stärke empfohlen
In der Leitlinie werden auch kognitive Verhaltenstherapien als wirksam bei Erwachsenen beschrieben. Schau mal auf S. 155 folgende. https://register.awmf.org/assets/guidelines/028-045l_S3_ADHS_2018-06-abgelaufen.pdf. Die Leitlinie wird gerade überarbeitet.
Nicht selten ist es Segen und Fluch zugleich. Aus sehr vielen Biografien genialer Erfinder und Denker lässt sich ADS herauslesen. Auch haben viele Gründer von Unternehmen der Top 100 ADS. Inselbegabung und Inselschwächen gehen häufig Hand in Hand. Es ist bei interessanten Themen oft so das die Konzentration überdurchschnittlich hoch… Weiterlesen »
Ich bin seit 30 Jahren Facharzt für Allgemeinmedizin in eigener Praxis und sehe viele Patienten mit solchen Symptomen und den verschiedensten Diagnosen. Wenn genaue Laboruntersuchungen durchgeführt werden, sehe immer wieder eklatante Defizite an diversen Stoffen. Aber auch chronische Infektionskrankheiten, z.B. Borreliose, Toxoplasmose, Mycoplasmen oder Bartonella können das ZNS beeinflussen. Eine… Weiterlesen »