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Psychologie
So verändert sich die Zufriedenheit im Laufe des Lebens
Wie zufrieden wir sind, verläuft laut vielen Studien oft wie eine U-Kurve. Nach der Jugend fällt sie, nach der Midlife-Crisis geht es wieder bergauf. Aber: So einfach ist es nicht.
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Studien zeigen: Unsere Zufriedenheit verläuft als U-Kurve
- Als Kinder und Jugendliche sind wir sehr zufrieden. Wir sind neugierig, begeisterungsfähig und verfolgen mit Ehrgeiz unsere Ziele. Wir sitzen ganz vorne im Wagen der Achterbahn und fahren langsam bis an den höchsten Punkt. Der Sicherheitsgurt sitzt fest und uns kann nichts passieren. Doch danach rasen wir bergab.
- Ab Mitte 20 werden wir allmählich unzufriedener mit unserem Leben. Ein Erklärungsansatz dafür ist, dass wir nun mühsam unsere Ziele erreicht haben und Angst bekommen, diese Erfolge zu verlieren. Wir schalten in einen Alarm- und Absicherungsmodus. Spätestens mit Anfang 40 geraten viele in eine Midlife-Crisis. Der vermeintlich sichere Achterbahnwagen droht zu entgleisen.
- Ab 50 Jahren werden wir allmählich zufriedener. Am tiefsten Punkt angelangt, rattert der Waggon unverhofft wieder bergauf. Im hohen Alter sind viele Menschen wieder so zufrieden wie in der Kindheit. Psycholog:innen zufolge sind wir als Senioren gelassener und haben Weisheit und eine Art inneren Frieden erreicht. Bevor wir aus der Achterbahn aussteigen, erreichen wir also noch einmal den höchsten Punkt.
Dass sich die Zufriedenheit im Laufe des Lebens auf diese Weise entwickelt, konnten Forschende in Befragungen tatsächlich bestätigen. In einer Studie von Wissenschaftler:innen der University of Southern California in den USA antworteten junge Leute auf die Frage “Wie zufrieden bist du?” innerhalb einer zehnstufigen Skala durchschnittlich mit sieben Punkten. Menschen mittleren Alters kreuzten im Durchschnitt einen Punkt weniger an. Senioren hingegen gaben sogar an, zufriedener zu sein als alle anderen Altersgruppen. In der Soziologie wird dieses Phänomen als Zufriedenheits- oder Wohlbefinden-Paradoxon bezeichnet. Obwohl wir im Alter gebrechlicher werden und unsere Kräfte schwinden, geht es uns besser.
Über das ganze Leben betrachtet verläuft die Zufriedenheit diesen Studien zufolge wie eine u-förmige Kurve. Dieses Konzept wurde von Fachleuten, aber auch in den Medien weit verbreitet: "Die Zufriedenheit hängt vom Alter ab" und "Wir müssen nur abwarten, bis wir älter sind", heißt es oft in populärwissenschaftlichen Artikeln zur U-Kurve. Aber stimmt das wirklich? Wird in der zweiten Lebenshälfte automatisch alles besser?
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Die U-Kurve hat ihre Schwächen
Eine Studie des Leibniz-Instituts für Bildungsverläufe von Oktober 2020 bestätigt diese Vermutung. Die Forscherinnen und Forscher werteten Daten von 170.000 Personen in 81 Ländern aus und stellten fest, dass sich weltweit nicht nur die U-Kurve, sondern zwei weitere Verläufe der Zufriedenheit abzeichnen.
- Demnach lässt sich die Zufriedenheit in vielen europäischen Ländern wie Deutschland sowie in Japan, Südkorea und einigen lateinamerikanischen Staaten durchaus als u-förmig beschreiben. Die Kurve ist jedoch nicht so ausgeprägt wie oft beschrieben, sondern verläuft flacher. Auf einer Skala von 0 bis 10 verorten die Wissenschaftler:innen sie im Bereich von 7 bis 7,5. (s. Abb. links)
- In Ländern wie den USA, China und Australien werden die Menschen im Laufe des Lebens immer unzufriedener. Erst im Alter erleben sie einen kleinen Aufschwung. (s. Abb. Mitte)
- Viele Entwicklungs- und Schwellenländer schneiden laut der Leibniz-Studie noch schlechter ab. In Staaten wie Indien, Pakistan, Algerien und Ägypten fällt die Zufriedenheit stetig weiter ab. Die Achterbahn rast in diesen Ländern also immer tiefer ins Tal. (s. Abb. rechts)
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Unsere Zufriedenheit hängt nicht (nur) vom Alter ab
Welche und wie viele Faktoren die Zufriedenheit beeinflussen und wie sie jeweils zu gewichten sind, ist jedoch noch unklar. Die Forschenden der Leibniz-Studie rufen daher dazu auf, in zukünftigen Studien verschiedene Faktoren zu erheben und zu analysieren. Denn nicht zuletzt ist die Kurve abhängig davon, wie wir Menschen Zufriedenheit definieren. Welche Faktoren sind uns wichtig? Was macht uns zufrieden? Das ist je nach Generation, Land und Kultur verschieden und muss jeder für sich selbst beantworten.
Wir können uns also, wie oft in populärwissenschaftlichen Artikeln beschrieben, nicht einfach zurücklehnen und abwarten, bis im Alter alles besser wird. Stattdessen ist es sinnvoll, aktiv zu werden und sich zu fragen, welche Faktoren uns zufrieden machen. Ist es finanzielle Stabilität und eine sichere Altersvorsorge? Gesundheit oder soziale Kontakte? An diesen persönlichen Stellschrauben können und sollten wir drehen.
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Könnte es nicht sein, dass der Anstieg im Alter neben der Entlastung aus der Doppelbelastung von Kindererziehung und Berufsleben danach mit einem guten Pensions-/Rentensystem zusammenhängt?