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Fleischkonsum
Experiment: Tiere schlachten in der Öffentlichkeit
In einem Sozialexperiment hat Quarks zusammen mit einem Landwirt Gänse in der Fußgängerzone geschlachtet. Die Reaktionen der Passant:innen waren teils heftig.
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Schlachtung von Tieren wird normalerweise verdrängt
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Das Experiment
Gänse schlachten in der Fußgängerzone
Insgesamt zehn Tiere hatte der Landwirt aus Essen mitgebracht. Die Kund:innen konnten sich zunächst ein Tier aussuchen, das dann fachmännisch unter Verwendung von Elektrobetäubung und unter Beachtung aller gesetzlichen Vorschriften geschlachtet wurde. Der Fachmann erklärte den Kund:innen sogar, wie das Tier gelebt hat und wie es gefüttert wurde.
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Die Reaktionen
Kritik am eigenen Fleischkonsum
Viele andere hingegen fanden das Experiment gut und sprachen selbstkritisch über ihren eigenen Fleischkonsum: "Keiner macht sich Gedanken darüber, dass die Tiere ja nicht gebraten vom Himmel fallen", so eine weitere Passantin. "Schlachtungen gibt es jeden Tag, aber hier regt sich jeder auf, wenn mal eine Gans gerupft wird."
Tiere schlachten findet sonst abseits statt
"Es gibt viele Mechanismen der Distanzierung", sagt Julia Gutjahr. Die Soziologin von der Uni Hamburg beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Mensch und Tier, auch hinsichtlich des Fleischessens. "Das Töten von Tieren ist für die Menschen kaum sichtbar", erklärt Gutjahr.
Kaum jemand besucht mal einen Schlachthof. Vor allem Stadtmenschen hätten ja kaum Kontakt zu Nutztieren wie Schweinen oder Hühnern, sagt Gutjahr. "Die Tiere werden nur als Objekte gesehen." Und der Mensch werde von klein auf daran gewöhnt.
Nichts darf ans Töten erinnern
"Wir tun so, als ob wir Tiere nicht töten müssten", sagt Ernährungspsychologe Christoph Klotter von der Hochschule Fulda. Nichts dürfe ans Töten erinnern. Dem Fleisch oder der Wurst sehe man ihre tierische Herkunft nicht direkt an. "Es wird so verpackt, dass nichts mehr ans Tier erinnert", so Klotter.
Dass wir Nutztiere essen und Haustiere wie Hunde und Katzen als treue Freunde ansehen, zeigt einen moralischen Widerspruch. Die amerikanische Psychologin Melanie Joy von der Universität Massachusetts in Boston nennt das "Karnismus".
Nutztiere versus Haustiere
Es gehöre nur das Tier auf den Teller, das wir abends nicht auf dem Sofa streicheln. "Wir trennen da ganz säuberlich", erklärt Psychologe Klotter: "Der Hund ist unser Freund, das Schwein kommt auf den Tisch." Dass ein Zusammenhang besteht, werde nicht wahrgenommen.
Diesen Widerspruch aufzulösen und die Herstellung von Fleisch wieder in den Fokus zu nehmen, könnte das Bewusstsein schärfen, dass ein Tier sterben muss, glauben die Expert:innen. "So lässt sich die Alltagsroutine der Menschen durcheinanderbringen", erläutert Soziologin Gutjahr.
Ernährungspsychologe findet Experiment sinnvoll
Professor Christoph Klotter von der Hochschule Fulda findet das Experiment wichtig: "Damit wird gezeigt: Wenn wir Fleisch essen, muss ein Tier dafür sterben."
Mit der Konfrontation könne zum Nachdenken angeregt werden: "Wie ernähren wir uns? Was machen wir mit Fleisch? Und was bewirken wir, wenn wir Fleisch essen?", erläutert der Ernährungspsychologe.
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Und jetzt?
Nur kurzfristiger Effekt auf Fleischkonsum
Biofleisch und bewusste Ernährung liegen aber im Trend. "Wer jung, weiblich und gebildet ist, hasst Fleischkonsum", erklärt Klotter. Diese Gruppe werde immer größer. Demgegenüber stehen die oft männlichen Fleischesser, die sich das tägliche Fleischessen nicht nehmen lassen wollen.
Autoren: Dirk Gion, Jonathan Focke (Experiment) / Benjamin Esche (Text)
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Danke für dieses Experiment. Wenn auf den Fleischverpackungen für 99ct. wie auf Zigaretten, die Haltungsbedingungen und Schlachtung von fühlenden Lebewesen abgebildet wären, wie viele Menschen wohl noch so achtlos dazu greifen würden?